Etwas später als gewöhnlich, am 2. Mai, öffnet die NipponConnection in Frankfurt die Kinosäle und wird über 5 Tage stolze 142 Filme zeigen. Leider kann ich dieses Jahr nicht mit dabei sein, berufliche Verpflichtungen lassen das nicht zu. Somit werde ich nicht nur die tolle Festivalstimmung und ein Wiedersehen mit Freunden und Bekannten verpassen, sondern natürlich auch zahlreiche sehr vielversprechende Filme. 🙁

Denn die NipponConnection hat einiges zu bieten dieses Jahr: Beispielsweise Casting Blossoms to the sky, den neuen Film von Nobuhiko Obayashi, den meisten vor allem bekannt durch Hausu, die wahrscheinlich durchgeknallteste Horrorkomödie aller Zeiten. Davon ist sein neues Werk aber meilenweit entfernt, es handelt sich vielmehr um eine an verschiedenen Einzelschicksalen orientierte, halbdokumentarische Aufbereitung der Nachkriegsgeschichte Japans.

Weniger ernsthaft dürften Takashi Miikes Neuinterpretation von Harakiri sein oder Children who chase lost voices from deep below von Makoto Shinkai. Weitere große Namen wären Toshiaki Toyodas Monsters Club, der letztes Jahr mit dem Orizzonti Award in Venedig ausgezeichnete Kotoko von Shinya Tsukamoto oder Masaki Kobayashis Dokumentation Fukushima Hula Girls über den Wiederaufbau eines beim Tohoku-Erdbeben zerstörten Freizeitbades.

Der größte Name und etablierteste Gast bei der NC2012 ist aber zweifellos Kaneto Shindos Postcard, in dem der inzwischen 99jährige Altmeister sich ein letztes Mal mit dem durch Krieg und Machtstrukturen ausgelösten Leid der Menschen auseinandersetzt. Und natürlich würde ich mir Nobuhiro Yamashitas My Back Page auf keinen Fall entgehen lassen, ebensowenig wie den Überraschungserfolg des vergangenen Jahres an den japanischen Kinokassen, Love Strikes! von Hitoshi One.

Die Filme sind derzeit noch nicht auf der Webseite selbst verfügbar, dafür könnt ihr euch das Programmheft herunterladen. Viel Spaß allen NipponConnection-Besuchern!

Original: Warui yatsu hodo yoku nemuru (1960) von Akira Kurosawa

Die Hochzeit des Sekretärs Nishi (Toshiro Mifune) mit Yoshiko (Kyoko Kagawa), der Tochter seines Chefs, steht unter keinem guten Stern: Reporter belagern die Gesellschaft wegen eines Korruptionsskandals, Polizisten verhaften den Zeremonienmeister und obendrein taucht aus dem Nichts auch noch eine mysteriöse zweite Hochzeitstorte in Form eines Gebäudes auf, aus dem sich vor einigen Jahren ein Mitarbeiter der Firma in den Selbstmord gestürzt hatte.

Es stellt sich jedoch heraus, dass die Torte von Nishi selbst bestellt worden war. Denn es war sein Vater gewesen, der damals Selbstmord beging. Anders als von manchen vermutet geht es Nishi daher auch nicht um seine Karriere, als er Yoshiko heiratete, sondern um Rache an ihrem Vater Iwabuchi (Masayuki Mori), der im Zentrum der Korruption steht und zusammen mit seinen Schergen Nishis Vater in den Selbstmord gedrängt hatte. Nun nutzt Nishi seine Position als Schwiegersohn und Sekretär, um Beweise zu sammeln und den korrupten Chefs die Daumenschrauben anzulegen. Doch mit einem hat er dabei nicht gerechnet: Dass er sich in Yoshiko verliebt.

The bad sleep well Screenshot 1

Die Bösen schlafen gut enthält einige der stärksten, emotionalsten und beeindruckendsten Szenen aus Kurosawas Werk. Zu erwähnen wäre da natürlich als erstes die gesamte, etwa halbstündige Hochzeitssequenz, die den Film eröffnet und in deren Verlauf sämtliche wichtigen Akteure sowie deren Hintergründe und Beziehungen zueinander dem Zuschauer vermittelt werden. Kurosawa lässt dabei die anwesenden Reporter wie in der griechischen Tragödie die Rolle eines kommentierenden Chors übernehmen – genial! Zehn Jahre später wählte Kurosawas Bewunderer Francis Ford Coppola ein ähnliches Vorgehen für den Auftakt von Der Pate.

Mein persönlicher Favorit ist jedoch die Szene, in der Nishi den von allen für tot gehaltenen Wada zwingt, seine eigene Beerdigung mitanzusehen und ihm dazu eine Tonbandaufzeichung vorspielt. Mit diesem cleveren Kniff der Überlagerung von Ton und Bild veranschaulicht Kurosawa auf unvergleichliche Art den Kontrast zwischen der in die Öffentlichkeit projezierten Täuschung, in der die korrupten Chefs den Tod Wadas betrauern und seiner Familie ihr Beileid aussprechen, und der harten Realität, in der sie bei Wein, Weib und Gesang darauf anstoßen, ihn erfolgreich in den Selbstmord getrieben zu haben. Erst durch diese Konfrontation mit dem doppelten Spiel, das seine Vorgesetzten treiben, lässt sich Wada überzeugen, seine tief verankerte Loyalität aufzugeben und mit Nishi zusammenzuarbeiten.

The bad sleep well Screenshot 2

Wie schon bei zahlreichen seiner früheren Filme liegt Die Bösen schlafen gut eine tiefe Unzufriedenheit Kurosawas mit sozialen und politischen Zuständen in seiner Heimat zugrunde. Die enge Verflechtung von Privatwirtschaft und staatlichen Institutionen in Japan, mit der sich die Firmen Vorteile verschaffen, ist bis in die heutigen Tage immer wieder Anlass zu Diskussionen (siehe etwa die Rolle von Tepco während der Fukushima-Krise). In den 1950er Jahren gab es immer wieder Korruptionsskandale und die erste Stunde des Films wirkt fast wie eine semi-dokumentarische Aufarbeitung eines solchen Skandals.

Dabei weist der Film mehrfach darauf hin, dass das größte Problem gar nicht mal die korrupten Beamten und Politiker sind, sondern die Kultur der unbedingten Loyalität ihrer Untergebenen. Diese aus dem Kriegercode der Samurai abgeleitete Loyalität (ursprünglich zum Fürsten, dann zum Vorgesetzten) spielte in japanischen Unternehmen eine große Rolle und stürzte die Mitarbeiter in einen tiefen Konflikt, wenn sie von illegalen Machenschaften ihrer Vorgesetzten erfuhren oder aus Loyalität sogar daran mitwirkten – was in der genannten Szene exemplarisch an Wada vorgeführt wird. Der würde lieber Selbstmord begehen, als seine Chefs an die Justiz zu verraten – bis Nishi ihm mit Gewalt die Augen öffnet.

Interessant fand ich den für Kurosawa ungewöhnlich schwachen weiblichen Charakter der Yoshiko. Im Vergleich zu den selbst- und oft auch machtbewussten Frauen, die Kurosawa sonst porträtiert (man denke etwa an die Arbeiterinnen in Am allerschönsten, die Prinzessin Yuki in Die verborgene Festung, die skrupellose Lady Kaede in Ran oder die aufrechte Yukie in Kein Bedauern für meine Jugend) ist Yoshiko hier ein demütiges, fast willenloses Püppchen. Meine Vermutung: Sie steht metaphorisch für die ahnungslose, naive japanische Bevölkerung, die sich von den „bösen Männern“ nach Belieben manipulieren, ausnutzen und herumschubsen lässt.

The bad sleep well Screenshot 3

Das große Problem dieses Films ist die Entwicklung von Nishis Charakter. Zunächst ist er der klassische Rächer, der den Tod seines Vater sühnen und die Verantwortlichen zur Strecke bringen will. Dass er dafür zur Not auch selbst das Gesetz bricht und andere Menschen – allen voran Yoshiko – für seine Zwecke missbraucht, stellt dabei den grundsätzlichen Konflikt aller „gut meinenden“ Rächer dar, die sich zur Erreichung ihrer Ziele derselben Methoden bedienen wie „die Bösen“. Nishi ist diesem Konflikt nicht gewachsen bzw. weicht von seinem Weg ab, er zeigt Yoshiko zuliebe Schwäche und läuft damit in sein Verderben. Leider gerät damit auch der Film nach ca. 90 Minuten aus der Bahn: Nishis Konflikt mit seinen Gefühlen für Yoshiko und seinem Gewissen drängt die Story des Korruptionsskandals in den Hintergrund.

Wie zehn Jahre zuvor in Skandal lässt sich Kurosawa hier wieder durch die Faszination eines Charakterkonflikts von der eigentlichen Story ablenken. So gerät der ganze Film aus der Balance, dem halbdokumentarischen Polit-Thriller der ersten anderthalb Stunden wird eine Mischung aus tragischer Liebesgeschichte und Kriminaldrama angehängt. Beide Teile funktionieren an und für sich gut und sind in sich stimmig, nur wollen sie nicht so recht zusammenpassen. Bei seinem nächsten Film Yojimbo sollte Kurosawa sich dann klar für einen kaltblütigen, den Konflikt ignorierenden Rächer entscheiden.

The bad sleep well Screenshot 4

Trotz dieser Schwäche (oder vielleicht auch gerade ihretwegen?) gehört Die Bösen schlafen gut zu meinen persönlichen Favoriten in Kurosawas Werk. Der Film hat wie erwähnt viel zu bieten: einen von Konflikten zerrissenen Helden, großartig in Szene gesetzte Kritik an sozialen und politischen Zuständen, einen spannenden und anspruchsvollen Plot, einen intensiven und unverwechselbaren Soundtrack sowie ein unvergessliches Ende. Ein Film, den man gesehen haben sollte!

Fürs kommende Wochenende ist schlechtes Wetter in Hamburg angesagt, da hab ich mir fest vorgenommen, endlich wieder eine Filmrezension abzuliefern – so langsam krieg ich schon fast Entzugserscheinungen! Bis dahin aber erstmal eine kleine Auswahl meiner Favoriten der letzten Wochen aus anderen Blogs:

  • Chris vom J-Film Pow-Wow stellt „Hokaibo“ vor, eine ziemlich skurril klingende filmische Umsetzung eines Kabuki-Stücks. Der Rezension zufolge scheint es sich bei dem Film aus dem Jahr 2008 um ein wirklich einzigartiges Experiment zu handeln, das klassische Kabuki-Elemente mit Stand-up Comedy verbindet. Hoffe, dass der Film über Festivals vielleicht auch mal den Weg nach Deutschland findet.
  • Micha hat sich Shohei Imamuras Klassiker  „Intentions of Murder“ angesehen, was wohl nicht gerade das reine Vergnügen war, siehe folgendes Zitat aus seiner Rezension: „Es ist die beinah 2,5 Stunden andauernde, gewaltsame Unterdrückung der Frau, die in diesem Film so gnadenlos zusetzt. Daraus resultiert ein Gefühl der umfassenden Hoffnungslosigkeit, im Ambiente und den Settings eine trübe Atmosphäre der tristen Vergeblichkeit.“
  • Ad Blankestijn führt in seinem Japan Navigator Blog (dessen Schwerpunkt auf Kultur, Geschichte und Reisezielen in Japan liegt) seit Kurzem eine Artikelserie „Japanese Masters“. Darin stellt er unter anderem den Regisseur Yuzo Kawashima, den Komponisten Fumio Hayasaka (berühmt geworden unter anderem mit der Musik für Die Sieben Samurai und Rashomon), die Autorin Fumiko Hayashi (mehrere ihrer Bücher wurden von Mikio Naruse verfilmt) oder Regisseur Hideo Gosha vor.

Viel Spaß beim Lesen!

So langsam stapeln sich die Mails mit Ankündigungen neuer Releases in meinem Postfach. Eigentlich super, aber im Moment schaue ich auch mit einem weinenden Auge auf die neu bei uns erscheinenden Filme, denn seit Wochen komme ich kaum dazu, Filme zu gucken! Neuer Job und Renovierungsprojekte in der Wohnung (hat schon mal jemand von euch an zwei aufeinander folgenden Tagen Fliesen gelegt und Dielen geschliffen sowie lackiert? Wenn nicht, lasst es bleiben) lassen mir in diesem Jahr bisher kaum Zeit für Filme, entsprechend ist das Backlog angeschwollen. Und jetzt kommen auch noch von REM und Kaze weitere spannende Filme dazu!

  • Bereits nächste Woche, am 16.3., erscheint Harus Reise mit Altstar Tatsuya Nakadai auf DVD. Ich konnte das Werk auf dem Hamburger Filmfest sehen und wünsche mir nicht erst seitdem, dass mehr Filme von Regisseur Masahiro Kobayashi den Weg zu uns finden. Vielleicht ist jetzt ein Anfang gemacht! Die DVD könnt ihr bei Amazon zu 16,99 Euro vorbestellen.
  • Mit einer ganzen Palette neuer (bzw. neu aufgelegter) Anime wird uns Kaze in den nächsten Monaten bescheren! Im Juli erscheint das neueste Werk von Anime-Wunderkind Makoto Shinkai, mit dem er sich offenbar auf Neuland begibt: Children who chase lost voices from below. Außerdem gibt es Bluray-Ausgaben von Piano Forest (im April) sowie der beiden Patlabor-Filme von Mamoru Oshii, auf die ich mich ganz besonders freue und die für den 31.8. angekündigt sind. Yeah!

Die Freude überwiegt bei allem Stress letztlich doch 🙂

Original: Mibu gishi den (2003) von Yojirō Takita

Nach der erzwungenen Öffnung Japans durch die Amerikaner wankt das ohnehin geschwächte Shogunat unter dem Druck der kaisertreuen und ausländerfeindlichen Sonno-joi Bewegung. Um der bürgerkriegsähnlichen Situation Herr zu werden, gründet der Shogun die Shinsengumi-Miliz. Dieser Miliz schließt sich auch der Samurai Yoshimura (Kiichi Nakai) an, wobei es ihm allerdings weniger um den Machterhalt des Shogun geht. Vielmehr ist Yoshimura auf den Sold angewiesen, den er zu seiner verarmten Familie nach Hause schickt und so bei seinen Kampfgefährten schnell einen Ruf als knauseriger, aber sympathischer Querkopf hat.

Der Film erzählt in einer verschachtelten Struktur aus Rückblicken die finale Phase bis zum Untergang der Shinsengumi aus Yoshimuras Perspektive. Wir sehen, wie sich die Spaltung des Landes in Anhänger des Shoguns auf der einen Seite und Befürworter des Kaisers auf der anderen auch auf die Shinsengumi überträgt und Misstrauen und Verrat Einzug halten. Und wie ihre letzten verbliebenen, aufrechten Kämpfer schließlich den hochgerüsteten Truppen des Kaisers entgegen treten.

Last sword screenshot 4

Dieser Teil des Films, der in der Person des „family guy“ Yoshimura einen sehr menschlichen Zugang zu den historischen Ereignissen bietet und damit stark an Yoji Yamadas Twilight Samurai erinnert, funktioniert wirklich gut und ist interessant und unterhaltsam anzusehen. Aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen haben die Macher dann aber versucht, die zu Beginn eigentlich fast etwas lächerliche Figur des Yoshimura zu einem von Familie und Freunden beinahe religiös verehrten Helden zu stilisieren, was den Film völlig aus dem Gleichgewicht bringt.

Die Probleme beginnen, als Yoshimura ein Angebot ausschlägt, ins Lager des Kaisers zu wechseln und so seinen Sold zu verdoppeln. Seine gesamte Loyalität und Motivation galt bisher dem Überleben seiner Familie, der zuliebe er sogar seinen Clan verließ und den Shinsengumi beitrat. Nun bekommt dieser definierende Zug seines Charakters Risse. Er, dessen einziger Antrieb es immer war, am Leben zu bleiben um das Überleben seiner über alles geliebten Frau und Kinder zu sichern, soll plötzlich die Loyalität zum Shogun über seine Familie stellen? Dieser Wandel führt zwar in die angesprochene semi-religiöse Verehrung, lässt seinen Charakter aber sehr unglaubwürdig erscheinen.

Last Sword Screenshot 1

Völlig aus den Fugen gerät der Film nach dem aussichtslosen Angriff auf die kaiserlichen Truppen – eigentlich dem natürlichen Filmende. Doch es folgen noch gute 30 Minuten, in denen zunächst Yoshimura in einer nicht enden wollenden Sterbeszene Abschied vom Leben nimmt, er dann von Freunden und Familie betrauert wird und schließlich auch noch sein Sohn in den aussichtslosen Kampf zieht. Der Regisseur türmt hier einen Berg an Sentimentalität auf und drückt derart auf die Tränendrüse, dass es wirklich jenseits von gut und böse ist – und leider den ansonsten ordentlichen Film ruiniert. Hier hätte der beherzte Griff zur Schneidemaschine Not getan.

Wer sich für Schwertkampffilme interessiert und kein Problem mit dem komplexen historischen Hintergrund hat, wird hier sicherlich auf seine Kosten kommen. Der Film ist handwerklich gut gemacht und die schauspielerischen Leistungen sind aller Ehren wert – mit Miki Nakatani als lebensfroher Geliebter einer der Shinsengumi-Anführer als Highlight. Ich würde allerdings dringend empfehlen, den DVD-Player abzuschalten, sobald der Screenshot oben erreicht ist, und sich den quälenden Rest zu ersparen.

Aufgepasst alle Leser aus dem Raum Köln: Das Japanische Kulturinstitut zeigt aktuell 13 Highlights des altehrwürdigen Nikkatsu-Studios, darunter Klassiker wie Crazed Fruit, Burmese Harp oder Tokyo Drifter . Im September 1912 gegründet, zählt Nikkatsu zu den wichtigsten Filmstudios in Japan. Es war mit Werken von Regie-Größen wie Shohei Imamura, Seijun Suzuki oder Ko Nakahira nicht nur entscheidend an der Entstehung der New Wave ab Mitte der 1950er Jahre beteiligt, sondern spezialisierte sich auch 20 Jahre später auf die Softcore-Filme des neuen Roman Porno Genres.

Einige der Vorstellungen liefen bereits in den letzten beiden Wochen, aber  es gibt immer noch genug zu sehen:

  • The World of Geisha (Tatsumi Kumashiro), 21.2., 26.3.
  • Intentions of Murder (Shohei Imamura), 23.2, 29.2.
  • Tokyo Drifter (Seijun Suzuki), 25.2.,
  • Love Hotel (Shinji Somai). 1.3., 19.3.
  • Ten Nights of Dreams (Kon Ichikawa, Miwa Nishikawa, Takashi Shimizu u.a.), 3.3., 29.3.
  • Cold Fish (Sion Sono), 5.3., 31.3.
  • The Burmese Harp (Kon Ichikawa), 8.3., 24.3.
  • The Woman with red hair (Tatsumi Kumashiro), 14.3., 22.3.
  • The Letter (Itami Mansaku), 15.3.
  • I hate but love (Koreyoshi Kurahara), 17.3.

Wer also aus der Gegend ist, sollte sich das nicht entgehen lassen!

Nachtasyl

Original: Donzoko (1957) von Akira Kurosawa

In einem Armenviertel von Edo findet unter dem Dach der tyrannischen Vermieterin Osugi (Isuzu Yamada) eine Mischung aus Träumern und Zynikern zusammen: Ein ehemaliger Schauspieler, der sich dank exzessiven Alkoholkonsums kaum noch an sein früheres Leben erinnern kann. Ein misanthropischer Handwerker, der mit dem ständigen Geklapper seiner Werkzeuge die andren nervt und der nur auf den Tod seiner Frau wartet. Ein ehemaliger Lehrer, der die anderen beim Kartenspiel ausnimmt. Eine Prostituierte, die ihrer großen Jugendliebe nachtrauert.

Sie alle sind hoffnungslose Fälle, die allein Alkohol, Zynismus und Träumereien am Leben halten. Einzig der Dieb Sutekichi (Toshiro Mifune) hat noch einen Funken Energie in sich, aber auch Ärger mit Osugi, mit der er ein Verhältnis hatte. Inzwischen will er aber nichts mehr von ihr wissen, denn er hat sich in ihre jüngere Schwester Okayo (Kyoko Kagawa) verliebt. Auch ein gutmütiger Pilger (Bokuzen Hidari) auf der Durchreise kann mit seinen süßen Lügen das Leid und die Verzweiflung nur punktuell lindern. Seine gutgemeinten Apelle an Sutekichi, sich ein Herz zu fassen und zusammen mit Okayo durchzubrennen, wirken letztlich wie Brandbeschleuniger und führen direkt in die Katastrophe.

Nachtasyl Screenshot 1

Wieder mal machte sich Kurosawa an die Verfilmung einer literarischen Vorlage, nämlich des Theaterstücks Na dne von Maxim Gorki. Er folgte der Vorlage dabei sehr getreu und übernahm alle wichtigen Charaktere und Handlungsstränge. Auch das Setting hat viel von einem Bühnenstück, denn fast der gesamte Film spielt im Wohn- und Schlafraum des Asyls.

Was ziemlich schnell auffällt sind die immer wieder eingestreuten witzigen, fast albernen Szenen, mit denen Kurosawa die düstere, drückende Stimmung auflockert. Das können mal Lieder und Tänze sein, oder Scherze auf Kosten der Vermieter. Besonders Bokuzen Hidari trägt in der Rolle des gutmütigen Pilgers dazu bei, Gorkis niederschmetterndes Drama in eine Tragikomödie zu verwandeln: Mit spitzer Zunge spricht er sowohl schmerzhafte Wahrheiten wie aufmunternde Lügen aus und verkörpert die einzige Stimme der Vernunft und Menschlichkeit im Chaos von Verzweiflung, Trauer, Neid und Hass. Diese herausragende Charakterisierung dürfte zu den absoluten Höhepunkten in der mehr als 100 Filme umfassenden Karriere Hidaris gehören.

Nachtasyl Screenshot 2

Doch nicht nur Hidari brilliert in seiner Rolle. Isuzu Yamada gibt mal wieder eine herrlich biestig-tyrannische Femme fatale und auch die kleineren Rollen sind exzellent besetzt, wie beispielsweise der sonst eher in unbedeutenden Nebenrollen auftauchende Koji Mitsui als zynischer Lehrer, bei dessen Sprüchen es einem schon mal kalt den Rücken runterlaufen kann. Die gesamte Riege liefert in Nachtasyl eine fantastische Ensemble-Leistung ab, ohne die dieser kammerspielartige Film niemals funktionieren könnte.

Aber nicht nur die Schauspieler tragen den Film, Kurosawa holt mit ständigen Perspektivwechseln, multiplen Kameras und visuellen Ebenen unglaublich viel aus dem beschränkten Raum heraus. Zudem verfügt Nachtasyl über exzellenten Rhythmus und Timing: Die im Zentrum des Films stehenden Konflikte um das Trio Sutekichi-Osugi-Okayo sind eng verwoben mit den Ereignissen um die Nebencharaktere, immer wieder wird unsere Aufmerksamkeit vom einen zum anderen geleitet. Zusammen mit den oft durch den Pilger angestoßenen Stimmungswechseln lässt dies den Film deutlich kürzer als seine 130 Minuten erscheinen.

Nachtasyl Screenshot 3

Religion, Liebe, Gewalt, Alkohol, Träumereien – nichts kann die Bewohner des Asyls aus der Sinnlosigkeit ihrer verpfuschten Leben herausreißen. Vielmehr führt jeder Versuch, aus ihrem Elend auszubrechen, zu einer weiteren Verschlechterung der Situation. Am erschreckendsten ist jedoch, dass die Ausweglosigkeit zu keiner wirklichen Verbrüderung unter den Bewohnern führt. Vielmehr scheint jeder die jeweils anderen auszunutzen, zu belauern und jeden Ausbruchversuch argwöhnisch zu beobachten, aus Angst, allein zurückzubleiben. So ist es eigentlich nur logisch, dass am Ende der Selbstmord als einziger Ausweg bleibt, und selbst dieser von den Lebenden noch zynisch kommentiert wird.

Mir fiel der Zugang zu diesem Film wahrlich nicht leicht, wir haben es hier mit ganz schön starkem Tobak zu tun. Die bedrückenden Schicksale der Protagonisten, das Elend und die Ausweglosigkeit ihrer Situation und der allgegenwärtige, beißende Zynismus drücken ganz schön auf die Stimmung und müssen in ihrer massiven Negativität erst einmal verdaut werden. Aber mit jeder weiteren Sichtung stieg mein Respekt und meine Wertschätzung des Films. Nachtasyl ist einfach eines jener Werke, die man sich langsam erarbeiten muss, die dann aber einen umso tieferen Eindruck hinterlassen.

Na also, so furchtbar lange hat es doch gar nicht gedauert! Am 27. Januar, also schon nächste Woche, erscheint Masaaki Yuasas hochgelobte Kurzserie Tatami Galaxy bei uns in einer 3-DVD-Box. Richtig, der Masaaki Yuasa, kreativer Kopf hinter dem feuerwerkgleichen Mind Game. Wie üblich kann man das gute Stück bei Amazon vorbestellen, zum Preis von 39,99 Euro. Das ist nicht gerade wenig, aber schließlich bekommt man dafür auch die gesamte Serie und die soll es ja in sich haben. Ich bin gespannt!

Third Window Films hat sich vom Brand des Sony Lagerhauses während der London Riots nicht unterkriegen lassen und lässt den nächsten Indie-Film vom Stapel: Der hochgradig sehenswerte Adrift in Tokyo erscheint am 27. Februar.

Und dann ist da natürlich noch das Schlachtschiff Criterion, für das DVDs wohl nur noch eine Fingerübung zu sein scheinen, denn alle Releases kommen inzwischen auch als Bluray in die Regale. Nächste Woche steht Godzilla an, im Februar folgt dann Hideo Goshas Schwertkampfklassiker Three Outlaw Samurai und im April gibt es eine Neuauflage von Ozus Late Spring als BD.