Archive for Februar, 2007

Gestern mal wieder Rotbart von Akira Kurosawa gesehen (über den muss ich bei Gelegenheit noch ausführlicher schreiben), und gestaunt über die dezente, aus dem Leben gegriffene und selbstverständliche Verwendung der historischen Sets. Was für ein Unterschied zu den Monumentalfilmen der letzten Jahre!

Der Aufwand, den Kurosawa für Rotbart betrieb, ist legendär: Für die zwei Jahre dauernden Dreharbeiten (!!) wurde eine komplette Kleinstadt aus der Tokugawa-Periode unter Verwendung gealterter oder wirklich aus alten Häusern stammender Materialien gebaut. Selbst die Innenausstattung der Sets wurde vor den Dreharbeiten durch tatsächliches monatelanges Benutzen auf alt getrimmt.

Aber der gigantische Aufwand spiegelt sich in keiner Weise in der Verwendung des Sets im Film selbst: Es gibt keine fulminanten Schwenks und Totalen, die den Zuschauer beeindrucken sollen. Statt dessen wird diese künstliche Stadt schlicht zum Hintergrund für ein Gespräch auf der Straße oder für den Blick aus dem Fenster. Im Mittelpunkt stehen immer die Charaktere, und das ist es, was diesem Film seine Authentizität, seinen Realismus und die Glaubwürdigkeit verleiht.

Ganz im Gegensatz zu der Verwendung der – oft computergenerierten – Szenerien und Sets in den großen Historien- oder Fantasyfilmen der letzten Jahre, die uns Zuschauern immer in majestätischen Kamerafahrten und langen Einstellungen aufgezwungen werden. Weil sie sehen ja so toll und realistisch aus. Dabei ist es genau dieses plumpe Vorzeigen, dieses Auf-dem-Silbertablett-präsentieren, das sie unrealistisch und unglaubwürdig macht und das den Zuschauer in die Perspektive eines Touristen versetzt und nicht in die eines Bewohners.

Was ich damit meine? Wer als Tourist in Berlin ist, steht staunend vor Reichstag und Brandenburger Tor und knipst seine Fotos. Beeindruckend, außergewöhnlich. Wer in Berlin lebt, nimmt diese Bauwerke nicht bewusst wahr, für ihn werden sie schlichter Hintergrund eines Spaziergangs, in dem selbstverständlich das Gespräch mit der begleitenden Person im Vordergrund steht und nicht das Drumherum.

Das ist der Unterschied zwischen der Verwendung von Sets, die uns als Zuschauer zum Teilhaber, zum Miterlebenden macht und uns in die Welt des Films hineinzieht (wie in Rotbart) und dem aufdringlichen Vorzeigen großartiger Bilder, die das wirklich Wichtige nicht betonen sondern mit ihm konkurrieren.

Sehr begeistert von Mikio Naruses Stummfilm Nasanu naka zeigt sich Thomas, der im Zuge der Berlinale Retrospektive das Glück hatte, diesen seltenen Film sehen zu können. Er schreibt:

Nasanu Naka folgt dem Melodram im geschickten Aufbau – Erzählokonomie, Figurenkonstellationen und dergleichen befinden sich durchweg auf höchstem Niveau. Davon aber abgesehen ist es vor allem die Inszenierung des Films, die staunen lässt: Nasanu Naka ist von einer unvergleichlichen Bild- und Bewegungsdynamik getragen. Die Position und Bewegung der Kamera sind in jedem Moment reflektiert und als Ergebnis einer ästhetischen und gestalterischen Entscheidung vordergründig präsent: Nie hat man den Eindruck in einer distanzierten Position des Geschehens zu verharren, stets ist man ‚mittendrin‘: Die Kamera bannt nicht das Geschehen, sondern folgt ihm nach.

Interessant finde ich besonders den Hinweis auf die Dynamik der Kamerabewegungen, die mir aus den späten, sehr stark statisch geprägten Naruses kaum bekannt sind. Die Veränderungen im Stil zwischen seinen Filmen der 30er und der 50er Jahre scheinen doch erheblich zu sein. Inzwischen entwickelt sich in den Kommentaren zum Post zudem eine (auch von mir geführte) Diskussion über die verspätete Einführung des Tonfilms in Japan.

Und im Forum von Rolling Stone gibt es einen Thread, in dem Naruse diskutiert und einige – besonders frühere Filme als die von mir gesehenen – vorgestellt werden.

Also schaut’s mal rein!

Über zwei Dinge habe ich mich doch sehr gewundert, als ich vor kurzem anfing, mich näher mit Mikio Naruse zu beschäftigen: Erstens seine außergewöhnlich lange Schaffenskrise und zweitens, dass seine Filme nicht nur im Westen unbekannt, sondern auch in Japan seit Jahrzehnten nahezu in Vergessenheit geraten sind. Für beide Phänomene sind mir inzwischen (mögliche) Erklärungen begegnet.

Immer wieder habe ich in der älteren Literatur von der ominösen, 16jährigen Schaffenskrise Naruses von 1935 bis 1951 gelesen, für die sowohl persönliche Probleme als auch die Zensur verantwortlich gemacht werden. In der Tat litten auch andere große Regisseure unter den Restriktionen und Arbeitsbedingungen während des Krieges, insofern mag es durchaus sein, dass Naruse nicht die Filme machen konnte, die er machen wollte.

Aber, so habe ich mir immer wieder gedacht, ein so großartiger Regisseur kann doch nicht plötzlich aufhören, gute Filme zu drehen, und 16 Jahre später wieder damit anfangen! Da ich selbst bisher leider nur Nachkriegsfilme Naruses gesehen habe, konnte ich mir darauf nicht wirklich einen Reim machen. Inzwischen habe ich jedoch den Eindruck gewonnen, dass die „Schaffenskrise“ zu einem guten Teil schlicht auf der Unkenntnis der Filme beruht. Denn es scheint durchaus eine Reihe anspruchsvoller und ambitionierter Filme Naruses aus den späten 30er Jahren zu geben, die allerdings erst in der jüngeren Vergangenheit auch im Westen gezeigt wurden. Alexander Jacoby zufolge widerlegen diese die angebliche Schaffenskrise auf eindrucksvolle Weise:

Recent screenings in Japan and Europe of such hitherto unknown films as Avalanche (1937) and A Woman’s Sorrows (1937), coupled with revivals of Wife, Be Like a Rose and The Whole Family Works (1939), have revealed the consistent quality and complexity of Naruse’s work in this period: an intriguing blend of melodrama with realism; a novelistic ability to balance and develop a set of distinct but overlapping narratives, and to create large numbers of plausible, three-dimensional characters; an imaginative willingness to experiment with diverse cinematic styles and their expressive potential.

Soviel zu Schaffenskrise, mehr wenn ich diese und andere frühe Filme Naruses mit eigenen Augen gesehen habe. Das zweite große Rätsel, das sich mir stellt, ist die fehlende Popularität Naruses gerade in Japan. Wie mir verschiedentlich von Japanern berichtet wurde, kennt man natürlich Kurosawa und Ozu, vielleicht noch Mizoguchi. Deren Filme werden auch ab und an im Fernsehen gezeigt, während Naruse offenbar schon seit Jahrzehnten weitgehend in Vergessenheit geraten ist. Und das, obwohl seine Familiendramen eigentlich eher TV-kompatibel sind als die bildgewaltigen Epen eines Kurosawa oder Mizoguchi.

Ich konnte mir darauf einfach keinen Reim machen, bis mir neulich eine Episode aus dem Making-Of eines Ghibli-Films einfiel. Darin wird von den massiven Bedenken der Studiobosse gegenüber Tonari no totoro (ein sehr erfolgreiches Anime aus den 80er Jahren) berichtet. Niemand wollte das Projekt finanzieren, weil man glaubte, kein Mensch würde sich einen Kinderfilm ansehen, der in den von Armut und Entbehrung geprägten Jahren vor dem japanischen Wirtschaftswunder spielt. Und da hat es klick gemacht!

Wenn sich die seit Jahrzehnten im Überfluss lebenden Japaner nicht mit einer Zeit, in der in ihrem Land Armut und Entbehrung herrschten, auseinander setzen möchten (oder wenn Programmdirektoren dies glauben), dann würden sie sich auch keinen Naruse ansehen, in dem Kinder aus Geldsorgen zur Adoption freigegeben werden. Just die realistische und ergreifende Weise, in der Naruse in seinen Filmen Nöte der Unterschicht problematisiert, könnte für heutige Japaner beklemmend wirken und Erinnerungen heraufbeschwören, über die man lieber Gras wachsen lässt. Warum in die Zitrone beissen, wenn man in der anderen Hand einen Schoko-Riegel hat?

Kam gerade per E-Mail reingeflattert: Digital Meme veröffentlicht 55 Animes der Stummfilmzeit in einem Set mit vier DVDs. Neben englischen Untertiteln bietet das Set vor allem die originalen Benshi-Aufnahmen zu 20 der Filme, darunter so bekannte Künstler wie Midori Sawato. Zu der Kollektion gehören Filme von Yasuji Murata, Sanae Yamamoto, Mitsuya Seo sowie Noburo Ofuji.

Offizielles Erscheinungsdatum ist der 27. April, der voraussichtliche Preis liegt bei 12800 Yen oder 110 US-Dollar. Für weitere Informationen, unter anderem zu einem 5%-Rabatt für Vorbestellungen gibt es eine Kontakt-Adresse.

Yearning

Original: Midareru, (1964) von Mikio Naruse

Der Film beginnt mit einer großartigen Szene, in der Naruse gleichermaßen den Rahmen für die Handlung setzt und die Veränderungen im Japan der 60er Jahre thematisiert: Ein Werbewagen fährt durch eine Kleinstadt und kündigt Sonderangebote eines neuen Supermarkts an. Dabei fährt er auch am Lebensmittelladen von Reiko (Hideko Takamine) vorbei, wo die Geschäfte immer schlechter laufen. Reiko lebt bei der Familie ihres verstorbenen Ehemanns, dessen Mutter und Schwestern sie überreden wollen, wieder zu heiraten. Aber sie fühlt sich ihrem Mann, dessen Familie und dem kleinen Laden, den sie nach dem Krieg aufgebaut hat, tief verbunden.

Die Situation wird zusätzlich belastet, als ihr ihr Schwager Koji (Yuzo Kayama), vorgeblich ein Taugenichts und Glücksspieler, seine Liebe beichtet. Es wird offensichtlich, dass sein früheres Verhalten Versuche der Ablenkung waren. Nachdem die Wahrheit heraus ist, beginnt er im Laden mitzuhelfen (was aber immer wieder zu peinlichen Situationen mit Reiko führt) und ändert seinen Lebenswandel vollständig. Er plant sogar, den kleinen Laden abzureißen und einen Supermarkt zu eröffnen, den er gemeinsam mit Reiko führen will. Seine Familie lehnt Reikos Beteiligung aus finanziellen Erwägungen aber ab. Koji betrachtet den Laden jedoch als Reikos Lebensinhalt und will diesen auf keinen Fall zerstören. Als Reiko erfährt, dass sie einer Verbesserung der Situation der Familie im Wege steht, kündigt sie überraschend an, in ihre Heimat zurückzukehren und zu heiraten. Koji glaubt ihr nicht und begleitet sie auf der Fahrt nach Norden, bei der sich die beiden langsam näher kommen. Sie unterbrechen die Reise und Reiko dankt Koji für seine Liebe und Zuneigung, teilt ihm aber mit, dass sie sich an ihren Ehemann gebunden fühlt. Sie bittet ihn, am nächsten Morgen abzureisen, worauf Koji davon stürmt, sich betrinkt und in eine Schlucht stürzt.

Naruse greift in Yearning bereits bekannte Themen auf: Die eheliche Bindung, die Abhängigkeit der Ehefrau – besonders der Witwe – von der Familie ihres Ehemanns, unerfüllbare Liebe und finanzielle Nöte (deren Ursachen dieses Mal aber mit den rapiden Veränderungen von Wirtschaft und Gesellschaft klar benannt werden). Er geht dabei allerdings noch einen Schritt weiter als in den früheren Filmen. Die Bindung Reikos an ihren Ehemann bestimmt sogar noch lange nach dessen Tod ihr Schicksal und grenzt sie in ihrer individuellen Freiheit ein, hat damit letztlich Konsequenzen über die unmittelbar Betroffenen hinaus und verursacht indirekt sogar den Tod Kojis.

Betrachtet man die Liebe Kojis als Reikos Chance auf ein neues Leben, bekommt die Schlussszene, in der Reiko völlig außer sich hinter der Bahre mit Kojis Leiche, die sich aber immer weiter entfernt, herläuft, eine zusätzliche Bedeutung: Denn Reiko vergießt keine Tränen, in ihrem Gesicht spiegeln sich nicht nur Bestürzung und Trauer, sondern auch ein bisschen Erleichterung darüber, dass ihre Treue zu ihrem Ehemann nicht weiter getestet wird. Damit sind die Grenzen für Reikos Glück letztlich auch von ihr selbst errichtet.

Die grausamste Szene des Films bleibt für mich aber, als Reiko ihrer angeheirateten Familie gegenübersitzt und den Lebensmittelladen, ihr Zuhause, alles, wofür sie gelebt und gearbeitet hat, ihren gesamten Lebensinhalt, ohne mit der Wimper zu zucken aufgibt. Und das, um Menschen zu helfen, die sich kaum für ihr Schicksal interessieren. Ein Moment, in dem Naruse seine Heldin sehr nah an Kenji Mizoguchis sich selbst aufopfernde, tragisch leidende Frauenschicksale heranrückt.

Original: Fūfu (1953), von Mikio Naruse

Kikuko (Yoko Sugi) lebt mit ihrem Mann Isaku (Ken Uehara) bei ihren Eltern, wo die beiden aber wegen der bevorstehenden Hochzeit ihres Bruders nicht bleiben können. Nach langer Suche überredet Isaku seinen Kollegen Nakamura (Rentaro Mikuni), dessen Frau kürzlich gestorben ist, ihnen einen unbewohnten Raum seines Hauses zu überlassen. Nakamura, angesichts des Todes seiner Frau ein totales Wrack, beginnt durch Kikukos Gegenwart, die Freude am Leben wieder zu entdecken.

Das gute wechselseitige Verständnis der beiden erweckt Isakus Verdacht, worauf er selbst mit einer Kollegin auszugehen beginnt. Eine Kleinigkeit führt schließlich zum offenen Streit, Kikuko fährt zu ihrer Familie und hinterfragt offen die Ehe. Schließlich kehrt sie aber überraschend gut gelaunt zu Isaku zurück. Die beiden finden kurz darauf eine andere, schönere Wohnung. Doch Kikuko wird schwanger und Isaku fordert von ihr, das Kind abzutreiben, da er mit seinem kleinen Gehalt keine Familie ernähren könne. Gemeinsam gehen sie zur gynäkologischen Klinik, aus der Kikuko sogleich weinend herausstürmt. Sie setzen sich auf eine Parkbank, zwischen ihnen hindurch sind im Hintergrund spielende Kinder zu sehen. Schließlich steht Isaku auf, umarmt Kikuko und sagt €žLass uns nach Hause gehen€œ.

Husband and Wife wird oft in einer Reihe gesehen mit dem sehr viel bekannteren Repast, in dem sich Naruse mit der Unmöglichkeit beiderseitigen Glücks in der Ehe beschäftigt. Gemeinsam ist den beiden Filme in der Tat das Thema der lebenslangen Bindung zweier Menschen aneinander, die gleichsam zu einer Fessel werden kann. Mit der positiv stimmenden Schlussszene deutet Naruse aber auch eine andere, optimistischere Option an, die über das reine Fügen in das eheliche Schicksal hinausgeht: Gegenseitiges Verständnis, Empfindsamkeit und Aufgeschlossenheit für die Bedürfnisse des Partners können verhindern, dass die aus der Bindung eine Last wird.

Dies verdeutlicht auch eine frühere Schlüsselszene, nämlich der Besuch von Kikukos Bruder und dessen Braut bei Isaku und Kikuko, kurz nachdem diese ihren Streit überwunden haben. Das ältere und streiterprobte Paar gibt darin Erfahrungen und Lehren aus sieben Jahren Eheleben weiter und demonstriert großes Verständnis füreinander. Probleme und Konflikte seien im Zusammenleben eben unumgänglich, müssten aber überwunden werden, denn eine Ehe sei wie eine Schere: Sie funktioniert nur, solange beide Klingen zusammen sind. In dieser Szene, in der die beiden Paare Tee trinkend beisammen sitzen und unabänderliche Lebensweisheiten austauschen, habe ich mich fast wie in einem Ozu gefühlt!

Der wunderbarste Moment des Films (neben der Schlussszene) war aber eine ganz kurze Einstellung, in der Naruse seine ganze Brillanz sowohl in der Charakterisierung seiner Figuren als auch im Einfangen von Stimmung demonstriert: Nakamura liegt auf dem Bauch inmitten seines chaotischen Zimmers, gammelt vor sich hin und reißt sich ein Nasenhaar aus! Die Einstellung dauerte vielleicht drei oder vier Sekunden, und hat doch die ganze Langeweile, Trübsal und Aussichtslosigkeit von Nakamuras Leben nach dem Tod seiner Frau eingefangen. Einfach großartig!

Summer Clouds

Original: Iwashigumo (1958), von Mikio Naruse

Die Witwe Yae (Chikage Awashima) berichtet dem Journalisten Okawa (Isao Kimura) vom harten Leben auf dem Land und von ihrem Bruder Wasuke (Ganjiro Nakamura), der bei Brauttauschgeschäften einen Großteil seines Vermögens verlor und nun ein ärmlicher Bauer ist. Seine Kinder aus drei Ehen wenden sich vom Landleben ab: Sein zweiter Sohn hat studiert und arbeitet und lebt in der Stadt, sein dritter Sohn will eine Mechanikerausbildung in Tokyo machen. Dabei plant Wasuke, ihn mit der Tochter eines wohlhabenden Cousins zu verheiraten, um an dessen Land zu kommen. Sein kurz vor der Hochzeit stehender ältester Sohn will als einziger den Hof fortführen.

Yae und Okawa reisen als Hochzeitsvermittler zur Familie der Braut, verbringen so einige Tage zusammen und verlieben sich ineinander. Yae blüht auf, verfolgt moderne Ideen und unterstützt die Kinder ihres Bruders bei deren Versuchen, Unabhängigkeit zu erlangen und das Landleben hinter sich zu lassen. Gemeinsam erreichen sie, dass Wasuke einwilligt, einen Teil seines Landes zu verkaufen um seinen Söhnen das erträumte Leben zu ermöglichen. Doch als Okawa nach Tokyo versetzt wird, muss Yae erkennen, dass ihrem eigenen Glück enge Grenzen gesetzt sind: Hart arbeitend bleibt sie auf ihren Feldern zurück.

Thema des Films ist die Modernisierung der Japanischen Gesellschaft nach dem Krieg, das Auseinanderdriften der Generationen: Auf der einen Seite die Elterngeneration, die in alten Denkweisen und Wertvorstellungen gefangen ist und deren Lebensinhalte von diesen abhängen, auf der anderen Seite die junge Generation, die vor allem die Chancen auf ein selbstbestimmtes Leben sieht und diese ergreifen möchte. Dabei bringt Naruse beiden Seiten großes Verständnis und Wärme entgegen und zeichnet die Charaktere mit großer Zuwendung und Liebe zum Detail.

Der Film kritisiert an Yaes Beispiel vor allem das traditionelle Familiensystem, insbesondere die Abhängigkeit einer Frau von der Familie des Ehemanns. Dies verdeutlicht vor allem Yaes Schwiegermutter, die selbstverständlich erwartet, von Yae versorgt zu werden, aber selbst nicht bereit ist, Yae oder deren Sohn zu unterstützen. Immer wieder verweist Yae in den Gesprächen mit Okawa auf die Erbschaftsregeln, die Frauen zu einer untergeordneten Rolle verdammen und ihnen keine Eigenständigkeit erlauben.

Trotz all der Kritik an überkommenen Traditionen und Yaes hartem Schicksal besticht der Film aber auch durch Szenen großen Glücks und großer Freude, etwa wenn Yae und Okawa zusammen verreisen oder als die Familie den Grundstein für das Haus der Brautleute legt, alle begeistert bei der Arbeit sind und Lieder singen.

Großartig verwebt Naruse die Handlungsstränge der verschiedenen Charaktere (drei Liebespaare, Wasuke und seine Frau sowie der jüngste Sohn) zu einem großen Ganzen. Dabei kommen auch assoziative Schnitte zum Einsatz: Als sich Yae und eine Freundin über die jugendlichen Verliebten unterhalten, schneidet Naruse aus der Konversation direkt zum Liebespaar geschnitten und anschließend wieder zurück zur Ausgangsszene, wo die Konversation unmittelbar wieder aufgegriffen wird. Das Timing ist exzellent und die Geschichte wirkt trotz der verschlungenen Familienbeziehungen zu keinem Zeitpunkt konstruiert sondern direkt aus dem Leben gegriffen.

Dabei werden Wasuke und Yae als konträre Beispiele einer dem Untergang geweihten Lebensart dargestellt: Yae würde gern einige der sich einer modernen Frau bietenden Chancen ergreifen, ist letztlich aber in der konsequenter in ihrem Traditionalismus als ihr Bruder Wasuke. Der reagiert zwar auf die Bitten seiner Familie, Felder zu verkaufen um die Mechaniker-Ausbildung seines Sohnes zu bezahlen, zunächst ablehnend (€žDas Land ist alles, was ein Bauer hat€œ). Schließlich gibt er aber nach und bleibt gebrochen zurück, während Yae ihre Bindung an das Land als die Essenz ihres Lebens sieht, und nicht bereit ist, diese aufzugeben.

In der großartigen Schlussszene beackert sie wild entschlossen und zugleich erzweifelt ihr Reisfeld mit denen sie untrennbar verbunden ist. Allein bleibt sie zurück, in den sich bis zum Horizont dehnenden Reisfeldern unter einem dräuenden Wolkenhimmel.

Vor einiger Zeit habe ich Freunden bei der Deutsch-Japanischen Gesellschaft zu Hamburg angeboten, im Rahmen ihrer Shinwakai-Treffen einen Vortrag zu Akira Kurosawa zu halten. Im kleinen Rahmen, nichts berühmtes. Wir haben uns dann auf den 1. März als Termin geeinigt und vor ein paar Tagen hat die DJG die Einladungen verschickt. Kaum geschehen, meldet sich bei mir ein Herr Teller von der Deutsch-Japanischen Gesellschaft aus Oldenburg. Und jetzt halte ich den Vortrag zwei Wochen später im April auch in Oldenburg!

Wenn das so weitergeht, moderiere ich nächstes Jahr die Oscar-Verleihung. 😉