30 Jul
In der Blogschau hab ich dieses Mal wieder einen Anime-Blog, aber ein echtes Kaliber! Bis Anfang 2006 reicht das Archiv vom Bateszi Anime Blog zurück, doch was an der Fülle von Postings beeindruckt sind nicht so sehr die ausgefeilten Reviews, brandheiße News oder coolen Trailer, sondern vielmehr der ständige Fluß an Hintergründen und Gedanken der drei Autoren. Aktuelles Beispiel: Ein Interview von Dai Sato, Drehbuchautor unter anderem bei Cowboy Bebop, Stand Alone Complex, Ergo Proxy oder Samurai Champloo, das in zwei Teilen aus unterschiedlichen Gesichtspunkten beleuchtet wurde und zu seitenlangen, spannenden Diskussionen geführt hat. Absolut lesenswert!
Tipp Nummer Zwei ist sehr viel breiter aufgestellt und genaugenommen weniger ein Blog als ein Portal, und das noch nicht mal ausschließlich für japanisches Kino: Film Business Asia. Dort findet sich ein umfangreicher News-Bereich, ein ordentlicher Bestand an Reviews und so wie es aussieht sind einige weitere Bereiche in Vorbereitung, unter anderem auch ein Filmfest-Kalender und Boxoffice-Daten. Im Moment ist das noch etwas unfertig, aber speziell wer sich nicht ausschließlich für japanische Filme interessiert und einen breiteren Blick auf Asien werfen will, sollte die Seite im Auge behalten.
Den Schluss macht für heute der neue Blog von Groschi, der sich hier bereits des öfteren in den Kommentaren kenntnisreich zu Wort gemeldet hat. Einen schönen, eingängigen Titel hat er sich für sein Blog zugelegt: Samurais und so, wobei das „und so“ durchaus wichtig ist, denn in den Wochen seit Bestehen tummeln sich im Blog hauptsächlich Yakuza. So hat Groschi kürzlich die Filme der „Nikkatsu Noir“-Box von Criterion vorgestellt. Anime scheinen ihm auch nicht ganz fremd zu sein… bin gespannt, was noch kommt und in welche Richtung es geht!
Vier Filme, einer besser als der andere. Und eine Serie, die noch weit über das hinausgeht, was in einem Film möglich wäre. Am Wochenende habe ich Paranoia Agent endlich gesehen und war komplett hin und weg. Ich bin ja eigentlich eher kein Animeserien-Gucker und ziehe normalerweise Filme vor. In diesem Fall ist aber ganz klar, dass das Serienformat Dinge möglich macht, die in einem Film niemals funktionieren würden. Dazu und zu Paranoia Agent als solches demnächst noch ausführlichere Gedanken, heute gehts mir nur um das Opening, das regelmäßig als eines der besten Openings aller Zeiten genannt wird:
Das Ding ist schlicht ein massiver Knaller und wurde und wird in Foren und Blogs hoch und runter diskutiert und interpretiert, was eigentlich schon Beleg genug wäre für die Genialität des Meisters Kon. Wenn man sich allerdings dann noch vor Augen führt, mit welch einfachen Mitteln hier beeindruckende emotionale Effekte erzielt werden (laut Aussage des Regisseurs im Audiokommentar wurden weniger als 100 Cels für das gesamte Opening benötigt!) wird einem erst so richtig klar, was ein verdammtes Genie dieser Satoshi Kon doch ist!
Zu den ganzen Debatten und Spekulationen um das Opening und dessen tiefere Bedeutung sagte er übrigens: „Je mehr man analysiert und interpretiert, ohne über die vollen Informationen zu verfügen, um so mehr entfernt man sich vom Kern der Wahrheit.“
Noch so ein Fünkchen Genialität.
18 Jul
Von einer lieben Freundin habe ich über facebook den Tipp bekommen, dass 3sat vom 20. bis 29. Juli eine Animationsfilmreihe zeigt. Neben Hayao Miyazakis Das wandelnde Schloss (24. Juli) läuft auch noch Mamoru Hosodas Das Mädchen, das durch die Zeit sprang in der deutschen Erstausstrahlung (21. Juli).
10 Jul
Original: Summer Wars (2009) von Mamoru Hosoda
Eigentlich hat Kenji schon einen Ferienjob als Systemadministrator bei dem riesigen Social Network „Oz“. Doch als die Schulschönheit Natsuki noch eine Aushilfe sucht, lässt er sich nicht zweimal bitten und begleitet sie aufs Land zu ihrer weitläufigen Familie, die den 90. Geburtstag der Oma feiert. Dort stellt sich allerdings heraus, dass sein Job darin besteht, Natsukis Freund zu spielen. Nach ein bisschen Sträuben lässt er sich natürlich breit schlagen und genießt dann auch das turbulente Familienleben.
Doch das böse Erwachen folgt am nächsten Morgen, als sich herausstellt, dass Kenjis „Oz“-Account gehackt wurde und nun Amok läuft: Reihenweise schluckt er andere Accounts und greift mit deren Rechten auf allerlei Systeme zu, von Ampelanlagen über GPS-Satelliten bis zu Herzschrittmachern. Die Welt droht, im Chaos zu versinken. Doch Kenji und seine „neue Familie“ stemmen sich mit allen Mitteln der künstlichen Intelligenz entgegen, und dabei kommen sich natürlich auch Kenji und Natsuki näher.
Summer Wars ist Unterhaltung im allerbesten Sinne: Der Film legt gleich mit der berauschenden Bilder- und Bewegungsflut von „Oz“ los, doch bevor wir von all den Eindrücken überwältigt werden, nimmt Hosoda Tempo raus und stellt uns erstmal unsere Helden vor. Dann gehts gleich wieder mit Vollgas weiter in die nächsten Temposzenen, bevor wir dann Natsukis Familie kennenlernen. Man muss diese rhythmischen Wechsel, die uns einerseits mitreißen und die Zeit wie im Fluge vergehen lassen (Laufzeit fast 2 Stunden), dazwischen aber viele Gelegenheiten zum Innehalten bieten und schon fast eine besinnliche Stimmung bieten, einfach bewundern.
Einziger Wermutstropfen für den nicht-japanischen Zuschauer ist das Finale, in dem Natsuki mit dem gehackten Monster-Account um die Zukunft der Welt spielt – und zwar eine Partie Hanafuda, ein japanisches Kartenspiel. Wer dieses Spiel nicht kennt, was wohl für die meisten westlichen Zuschauer zutrifft, dem entgeht leider ein Stück der Spannung und des Mitfieberns.
Auch wenn der Film in erster Linie unterhalten will, ist er aber alles andere als platt. Es werden eine Reihe von wichtigen, ernsten Themen angeschnitten und die fließende Verknüpfung der „realen“ Welt im Film mit einem Social Network, wie es in ein paar Jahren durchaus vorstellbar wäre, bietet reichlich Gedankenanstöße. So gibt es eine Sequenz, in der Natsukis Oma mit Hilfe ihrer weitverzweigten Familienverhältnisse sowie alter Freunde und Bekannten – also mit einem Netzwerk der alten Schule – in all das durch den Zusammenbruch des virtuellen Netzwerks verursachte Chaos etwas Ordnung zu bringen versucht.
Was mich – als jemand der in der Branche tätig ist – an der Umsetzung von „Oz“ besonders begeistert hat, war der einerseits sehr spielerische, zugleich aber absolut realistische Umgang mit dem Thema. Wie wir als Zuschauer und „neu registrierte Mitglieder“ am Anfang des Films abgeholt werden und die Funktionsweise dieser virtuellen Welt erklärt bekommen, davon könnte sich so manches real existierende Social Network eine Scheibe abschneiden! Auch wie die spielerische Nutzung, die für die meisten Menschen bei Social Networks im Vordergrund steht, mit den sehr ernsten Konsequenzen von Ereignissen in der virtuellen Welt für das reale Leben kontrastiert wird, zeugt von einem durchdachten Umgang mit diesem hochaktuellen Thema. Die Ernsthaftigkeit bleibt aber angesichts der unfassbar vielen, liebevoll-kreativen Details stets im Hintergrund.
Was im Vergleich zu Hosodas vorangegangenem Film Das Mädchen, das durch die Zeit sprang jedoch fehlt, sind die wunderbar ausgeformten Charaktere. Dafür bleibt in Summer Wars bei all dem drunter und drüber, der Faszination der virtuellen Welt in „Oz“ und der Vielzahl an zwar sympathisch-schrägen, aber doch ziemlich oberflächlichen Charaktere schlicht keine Zeit mehr. Es sind zwei völlig verschiedene Filme und beide sind auf ihre Art sehr sehr gut gemacht. Das spricht eindeutig für das Können von Mamoru Hosoda, von dem wir angesichts seines Alters von 42 Jahren noch einiges erwarten dürfen.