Archive for Mai, 2008

Original: Sukiyaki Western Django (2007), von Takashi Miike

Miike darf derzeit ja auf keinem japanischen Filmfest fehlen, letztes Jahr lief Big Bang Love auf dem Japanischen Filmfest, jetzt Sukiyaki Western Django, der reichlich Aufmerksamkeit erhielt, auch in den großen Medien. Was nicht weiter verwunderlich ist, schließlich spielt Quentin Tarantino eine kleine Rolle und alle japanischen Schauspieler sprechen englisch – so gut oder schlecht es eben geht.

Die Story ist altbekannt und folgt den Genre-Konventionen: Zwei Banden bekriegen sich in einer kleinen Stadt über einen vermuteten Goldschatz, eine Familie gerät zwischen die Fronten, der Vater wird getötet, die Mutter schließt sich gezwungenermaßen einer der Banden an, der Sohn ist traumatisiert. Da verschlägt es einen mysteriösen, unbekannten Revolverhelden in die Stadt, die Dinge kommen in Bewegung und das Blut beginnt zu fließen.

Leider gab es bei der Vorführung eine kleine Panne, der Film lief mit der falschen Tonspur an (nämlich der japanischen Synchronfassung), so dass wirklich nichts zu verstehen war, denn Untertitel gibts nicht. Nach einer halben Stunde wurde der Fehler korrigiert und wir Zuschauer kamen endlich in den Genuss, Kaori Momoi, Masanobu Ando und all die anderen japanischen Stars, die Miike um sich geschart hatte, auf Englisch radebrechen zu hören. Das und der eine oder andere Gag führten durchaus zu einigen Lachern, alles in allem ist der Film von einer echten Komödie aber weit entfernt, vielmehr ist Sukiyaki Western Django eine einzige Skurrilität.

[flash]http://www.youtube.com/v/AYUecko6Vd0&hl=en&rel=0[/flash]

Das beginnt schon beim Rückgriff auf den historischen Hintergrund, der aus den Heike Monogatari stammt, in denen der Kampf der Samurai-Clans Taira und Minamoto geschildert wird. Miike bedient sich bis zu den Namen der Hauptkontrahenten der historischen Tatsachen, nur dass Kyomori dann plötzlich zum Showdown mit einer Gatling antritt und Shakespare bewundert. Ein schizophrener Sheriff und ein durch den Verlust seiner Hoden dem Wahnsinn verfallener Samurai mit Irokesen-Schnitt sind weitere Paradebeispiele in Miikes Kuriositäten-Kabinett.

Highlight des Films ist für mich ganz klar Kaori Momoi – die ich bisher nur aus Arthaus-Filmen in anspruchsvollen Rollen kannte – die sich hier als Revolverheldin mal so richtig austoben kann und daran sichtlich Spaß hat. Ansonsten fällt mir nicht viel gutes ein, außer dass der Film handwerklich natürlich sehr gut gemacht ist und nett anzusehen ist, besonders das Finale im Schnee. Aber viele Handlungsstränge und Motive bleiben unklar, der Charakter des Films ist schwer zu bestimmen und wäre wohl am ehesten als groteske Verarsche sowohl des Westerns als auch des Samurai-Genres aufzufassen. Einen tieferen Sinn kann ich nicht erkennen: aufwändige Verpackung, nichts dahinter.

Gestern Abend war Premiere, das Japanische Filmfest Hamburg ist unterwegs! Alles lief erfreulich glatt und unaufgeregt, ich hab gerade mal die ersten Minuten des Films verpasst, weil noch Eis zu besorgen war. Das Gefühl, nach der ganzen Arbeit, den Vorbereitungen und Meetings der letzten Wochen dann endlich mit nem kühlen Bier in der zweiten Reihe zu sitzen war schon genial! Eine Mischung aus Freude und Erleichterung mit einem Spritzer Stolz kam noch zu der üblichen Festivalbegeisterung und der Vorfreude und Neugier auf den Film hinzu. Ein unbezahlbarer Moment!

Dabei war ich kurz zuvor noch etwas enttäuscht gewesen, weil das Erlebnis des Festivals aus der Perspektive des Mitwirkenden eben ganz anders ist. Der Blick hinter die Kulissen und hinein in das Chaos der Organisation raubt viel von der Faszination und dem Besonderen. Und man hat auch einfach immer den Kopf voll und macht sich Gedanken, ob dies oder das auch so klappt wie geplant. Beispielsweise war gestern Abend noch unklar, ob Tokyo Gore Police rechtzeitig geliefert werden würde – inzwischen ist der Film angekommen, yeah! Aber mit solchen Gedanken im Hinterkopf fällt es dann eben schwer, sich vorbehaltlos zu freuen und einfach nur zu genießen (jedenfalls geht das mir so).

Drunter und drüber ging es dann auch nach dem Film – zuerst wollten natürlich Berge von Sushi vernichtet werden, die dem gesammelten Appetit unserer Premierenbesucher nicht lange Stand hielten – als es um die Unterbringung der Gäste aus Japan ging. So habe ich nun nicht wie ursprünglich gedacht Hidehito Kato zu Besuch sondern Koji Toyoda, Kato wohnt jetzt zwei Straßen weiter. Zu viert mussten wir uns mit zwei Reisekoffern in einen Ford Ka zwängen, nachdem wir zuerst noch einen darin gelagerten Ersatzreifen entsorgen mussten… war ne lustige Fahrt quer durch Hamburg nachts um halb zwei 🙂

Eine ausführlichere Besprechung von Maiko Haaaan!!! werde ich übrigens demnächst nachlegen, wenn der Festival-Stress erstmal vorbei ist, jetzt gehts erstmal zu Rainmaker, wo ich meine erste Filmansage machen muss darf.

Das Sortiment von Rapid Eye Movies wird demnächst um einige japanische Perlen erweitert! Bereits diese Woche kommen Tokyo X Erotica und der vielfach ausgezeichnete Go von Isao Yukisada in den Handel. Dummerweise kann ich nicht direkt zu den Angeboten verlinken, weil der REM-Shop unfassbar schlecht gemacht ist (von einem Shop zu sprechen ist eigentlich total daneben, im Grunde ist das nur ein Kontaktformular).

Leider – aus meiner sehr subjektiven Sicht – erhält der Pink-Eiga Tokyo X Erotica scheinbar eine deutlich aufwändigere Bearbeitung inklusive deutscher Synchronfassung und DVD-Schuber (für 19,90 Euro). Da sieht man wieder, was sich hierzulande gut mit dem Japan-Etikett verkaufen lässt…

Für den Rest des Jahres sind aber schon weitere Filme aus Japan angekündigt, als da wären:

  • Ambiguous von Toshiya Ueno, Japan 2003 (August 2008)
  • Belladonna von Eichi Yamamoto, Japan 1973 (September 2008)
  • Kill von Kihachi Okamoto, Japan 1968 (Oktober 2008)
  • Dainipponjin von Hitoshi Matsumoto, Japan 2007 (November 2008)

Und rechtzeitig zu Weihnachten eine Takeshi Kitano-Box mit drei bisher nicht näher genannten Filmen aus den Jahren 1989-1993, was dann aber wohl auf Violent Cop, Boiling Point und Sonatine hinauslaufen dürfte.

Dass sich japanische DVDs ganz gut verkaufen, belegen also nicht nur die in der letzten Zeit zunehmend von Criterion oder Eureka aufgelegten Klassiker von Mizoguchi, Naruse oder Kurosawa sondern auch Neuerscheinungen von weniger bekannten Filmen. Dazu passt auch eine Meldung von twitch, dass das Label Cinema Epoch auf dem Marché in Cannes die Rechte an einer Reihe Nikkatsu-Klassiker erworben hat, die demnächst den Weg in die Regale finden sollen:

Over the past year or so Cinema Epoch have quietly built themselves into one tasty little boutique label for fans of unusual film, particularly of the Asian variety, and the menu just expanded considerably. The company picked up a fistful of classic titles at the recent Cannes Marche Du Film and will be bringing all of them to DVD in 2009 with brand new anamorphic transfers taken from new prints of the films.

Konkret handelt es sich um Bad Girl Mako, Yellow Fangs, Seijun Suzukis Hishu Monogatari sowie The Heartbreak Yakuza von Masato Harada, dessen neuestes Werk The Shadow Spirit in den nächsten Tagen auf dem Japanischen Filmfest Hamburg läuft!

Der neue Film von Kiyoshi Kurosawa, Tokyo Sonata, wurde beim Festival in Cannes mit dem Preis der Jury für die Sektion „Un certain regard“ (was immer das auch bedeuten soll, vermutlich sind damit unbekanntere Filme, die einen Blick wert sind gemeint) ausgezeichnet. Schöne Sache, der nicht mehr ganz junge Kurosawa gilt ja schon seit längerem als einer der japanischen Vorzeigeregisseure und hatte diesen Preis bereits 2001 einmal eingesackt, damals für Kōrei.

Dieser Film und die Auszeichnung hat mir schön vor Augen geführt, welche Verbindungen sich zwischen Blogs und den Bloggern entwickeln können. Jason Gray, Japan-Korrespondent für Screen International war offenbar an der Produktion von Tokyo Sonata beteiligt, und hat logischerweise dann auch als erster von dem Gewinn des Preises berichtet. Zuvor hatte schon Tom Mes eine Lobeshymne auf den Film gesungen, auf seiner Seite Midnight Eye, für die auch Jason Gray regelmäßig schreibt. Und auch Nicholas Rucka, weiterer Herausgeber von Midnight Eye, verwies in seinem Blog auf die Berichte bzw. Kritiken von Mes und Gray zu Tokyo Sonata.

Das soll jetzt nicht als Verurteilung oder dergleichen verstanden werden, ich schätze die oben erwähnten Kinoverrückten sehr. Es zeigt aber auch, wie klein die „Szene“ ist und wie schnell Interessenskonflikte entstehen können, wenn man von der berichtenden und beurteilenden Seite auf die produzierende wechselt.

Yasujiro Ozu wurde nicht zuletzt wegen seines außergewöhnlichen, unverkennbaren Stils zu einer Ikone der japanischen Filmgeschichte. Gerne genannt werden etwa die niedrig positionierte Kamera, die Beschäftigung mit der (japanischen) Familie oder die besondere Nutzung des Raums welche im Widerspruch mit Hollywood-Konventionen steht. Zu diesen Markenzeichen gehören jedoch auch ganz simple, wiederkehrende Motive, von denen ich heute ein Weiteres vorstellen möchte.

Zugfahrten spielen in fast allen Filmen Ozus eine mehr oder weniger große Rolle. In Story of Floating Weeds werden Züge und Zugfahrten zu einem sehr zentralen Element: Der Film beginnt mit der Ankunft von Kihachis Theatertruppe am Bahnhof, dort werden die wichtigen Figuren eingeführt. Am Ende steht wieder eine Zugfahrt, diesmal Kihachis Abreise und die Versöhnung mit seiner Geliebten Otaka im Zugabteil. Die Mobilität symbolisierende Zugfahrt wird so zum Ort geistig-emotionaler Mobilität. Doch mit diesem Versprechen der Mobilität sind auch Sehnsüchte und Hoffnungen verbunden, auf die in einer anderen Szene angespielt wird, nämlich als ein heimliches Liebespaar die Unmöglichkeit der Beziehung beklagt und dann sehnsüchtig einem vorbeifahrenden Zug hinterhersieht, der ihnen als einziger Ausweg erscheinen mag.

Story of floating weeds

In Tokyo Story sind Shukichi und Tomi ständig mit Zügen unterwegs und es wird dauernd über Zugfahrten geredet, man sieht die beiden aber nur einmal am Bahnhof. Erst ganz am Ende des Films, als Noriko nach Tomis Beerdigung wieder nach Tokyo zurückfährt, sieht man tatsächlich einen Zug und wie sie darin – eine Taschenuhr in den Händen – mutmaßlich über die Vergänglichkeit der Dinge nachdenkt und darüber, wie die Zeit die Menschen und ihr Leben verändert.

Tokyo Story

Verschiedene Formen der Fortbewegung und Mobilität spielen in Flavor of Green Tea over Rice eine ganz zentrale Rolle. Gleich in der Auftaktszene sehen wir die beiden Hauptdarstellerinnen gemeinsam bei einer Taxifahrt und wie die Stadt an ihnen vorbeihuscht. Gegen Ende des Films werden dann der Flughafen und ein Flug nach Uruguay zu wichtigen Handlungselementen. Dazwischen steht die Zugfahrt von Taeko, als sie aus Frustration angesichts ihrer Ehekrise Hals über Kopf aus Tokyo abreist.

Flavor of green tea

In anderen Filmen dagegen sind Zugfahrten normaler Bestandteil des alltäglichen Lebens, häufig etwa beim Pendeln zur Arbeit. Ein Beispiel dafür wäre Später Frühling, in dem Shukichi mit dem Vorortzug in die Stadt zur Arbeit fährt. Da er dabei manchmal auch von seiner Tochter begleitet wird, nutzt Ozu diese gemeinsamen Fahrten, um das innige Verhältnis der beiden zueinander zu beleuchten.

Später Frühling

Das Pendler-Szenario wird manchmal aber gar nicht durch die Zugfahrten selbst visualisiert sondern etwa mittels der Bahnhöfe, wartender Pendler oder von Gleisanlagen. Ein Beispiel dafür findet sich beispielsweise in Early Spring:

Early Spring

Züge und Zugfahrten stehen kulturhistorisch symbolhaft für vielerlei in Filmen: Das Reisefieber, die Sehnsucht nach der Ferne, Kraft und Veränderungen (man denke an Once Upon a Time in the West), Flucht oder Selbstfindung (siehe The Darjeeling Limited). Ozu machte in seinen Filmen sehr unterschiedlichen Gebrauch von Zügen und nutzte dabei all die verschiedenen Assoziationen und Hintergründe gleichermaßen, wie es nur ein Meister seines Fachs kann.

Weitere Markenzeichen Ozus:
Teil I – Sackleinen
Teil II – Trocknende Wäsche

Original: Ochazuke no aji (1952) von Yasujiro Ozu

Zwischen den „Großen Drei“ seiner Noriko-Trilogie, deren dominierendes Thema die Abkopplung der Kinder von den Eltern ist, drehte Ozu zwei Filme, die sich mit den Problemen von Ehepaaren beschäftigen. Der erste, The Munekata Sisters, ist wohl eines der am wenigsten bekannten Werke Ozus, ob zu Recht kann ich nicht beurteilen. Den zweiten, unmittelbar vor Tokyo Story gedrehten, will ich heute vorstellen.

Taeko (Michiyo Kogure) ist wohlhabend, reichlich versnobt und mit ihrer Ehe unzufrieden. Ihren Mann Mokichi (Shin Sabure) verspottet sie vor ihren Freundinnen, gibt ihm lächerliche Spitznamen und vergleicht ihn mit einem trägen, dümmlichen Karpfen. Mokichi, dem der Zustand seiner Ehe durchaus bewusst ist, ist aber viel zu gutmütig, um sie in die Schranken zu verweisen. Auch gegenüber seiner Nichte Setsuko (Keiko Tsushima) ist er sehr nachgiebig und erlaubt ihr, ihn zum Fahrradrennen zu begleiten, obwohl sie eigentlich einen potenziellen Bräutigam treffen sollte.

Flavor of green tea Screenshot 1

Für Setsuko ist die Ehe von Taeko und Mokichi ein abschreckendes Beispiel, sie will auf keinen Fall einen Mann heiraten, den ihre Familie für sie aussucht, sondern einen den sie wirklich liebt. Mit ihrem aufsässigen Verhalten sorgt sie jedoch unbewusst für eine weitere Zuspitzung in der Ehekrise der beiden, in der es schließlich wegen einer alltäglichen Kleinigkeit zum offenen Konflikt kommt: Taeko verreist für einige Tage.

Genau zu diesem Zeitpunkt erfährt Mokichi von seiner umgehenden Versetzung nach Uruguay. Taeko kehrt erst nach seinem Abflug zurück und wie sie allein in dem großen Haus sitzt, wird ihr klar, wie sehr Mokichi ihr fehlt. Da steht er plötzlich in der Tür – das Flugzeug musste wegen technischer Probleme umkehren – und die beiden essen gemeinsamen mitten in der Nacht eine schnell improvisierte Portion Reis mit grünem Tee und Taeko verliebt sich nach all den Jahren Ehe endlich in ihren Mann.

Flavor of green tea Screenshot 2

Ozu verlagert den Schwerpunkt immer wieder geschickt zwischen den beiden zentralen Konflikten des Films, der Ehekrise auf der einen und Setsukos Streben nach Selbstbestimmung auf der anderen Seite. So werden beide Varianten, die traditionelle, arrangierte Ehe und die unkonventionelle Liebesheirat beleuchtet. Lange sind dabei die Sympathien klar verteilt, bis sich Mokichi und Taeko überraschend versöhnen und in der letzten Szene mit Setsuko und ihrem „Auserwählten“ Noboru vorsichtig angedeutet wird, dass auch Liebesehen nicht vor Krisen und Streit gefeit sind.

Damit hätte Flavor of Green Tea over Rice über weite Strecken auch gut von einem Mikio Naruse sein können (wenn dieser wohl auch eher Taeko statt Mokichi in die „Opferrolle“ gesteckt hätte), aber das versöhnliche Ende und die Rehabilitation der traditionellen, arrangierten Ehe ist dann doch ganz Ozu. Besonders wie dieses inszeniert ist, ist typisch für den Meister: Zuerst sehen wir Taeko allein in dem Zimmer, in dem ihr Mokichi wenige Tage zuvor noch zu erklären versucht hatte, warum er manche Dinge ganz anders sieht als sie. So entsteht eine ausgeprägte Parallele, die ihre völlig unterschiedlichen Gemütsauffassungen und die daraus folgende Erkenntnis betonen. Im oberen Screenshot ist sie ganz die eingebildete, sture und von ihrer Überlegenheit überzeugte Frau, später fühlt sie sich einsam, allein und verunsichert.

Flavor of green tea Screenshot 3

Dass die eigentliche Versöhnung dann über einem Nachtmahl mit dem aus Tee und Reis bestehenden Armeleute-Essen Ochazuke erfolgt, das mit seinen Basiszutaten Reis und grünem Tee wie kaum ein anderes symbolhaft für die japanische Kultur und Tradition steht, betont natürlich die Sympathie, die trotz allem der traditionellen Ehe entgegengebracht wird. Zudem hatte Ozu bereits in Später Frühling sehr stark mit Symbolen gearbeitet (Noh, Teezeremonie, shintoistische Hochzeit), und damit einen Kontrapunkt zur rasanten Modernisierung nach dem Krieg gesetzt.

Man kann die symbolhafte Verwendung von Ochazuke aber auch anders deuten: Dass Ozu es nämlich auf die Parallele zum Eheleben abgesehen hat, das genauso fad und eintönig sei wie Reis mit grünem Tee, eine Aussage, die sich in ähnlicher Form immer wieder in seinen Filmen findet. Was besonders vor dem Hintergrund, dass Ozu nie verheiratet war, besonders interessant ist. Also durch und durch ein typischer Ozu, dessen Happy End aber vielleicht ein bisschen zu harmonisch und optimistisch geraten ist.

Bin gerade zurück vom letzten großen Meeting eine gute Woche vor dem Start des Japanischen Filmfests Hamburg. Irgendwie kann ich mir immer noch nicht so richtig vorstellen, dass alles wirklich klappt, bei all dem kreativen Chaos, aber muss ja! Große Themen heute waren vor allem die unmittelbaren ToDos in den letzten Tagen (Programme und Flyer verteilen, Team für die Eröffnungsfeierlichkeiten) sowie die Gästebetreuung.

Bei stolzen 6 Gästen gab es bis zuletzt Probleme, Unterkünfte aufzutreiben, und so habe ich mein Bettsofa dann auch noch zur Verfügung gestellt. Jetzt freue ich mich schon sehr auf meinen Gast, Hidehito Kato, den 23jährigen Regisseur von Depend on the deserted house und bin natürlich total gespannt, was das wohl für ein Typ ist und ob wir uns überhaupt verständigen können!

Was gibts noch zu berichten? Wir haben jetzt einen Merchandising-Shop, den ich am Wochenende schnell improvisiert habe. Von jedem T-Shirt bzw. jeder Tasse gehen ein paar Euro in die Festival-Kasse, wenn du also nicht kommen kannst, uns aber trotzdem unterstützen willst (und gerne so tun möchtest, als wärst du dabei gewesen), dann greif zu!

Außerdem haben wir kurzfristig auch noch eine Sonderaktion für den Eröffnungsfilm Maiko Haaaan!!! beschlossen: Alle Japanerinnen, die in traditioneller Kleidung (also Kimono oder Yukata) kommen, haben freien Eintritt!

Und dann bin ich endlich dazu gekommen, meinen persönlichen Fahrplan fürs Festival zusammenzubasteln. Einen Film weniger als letztes Jahr habe ich eingeplant, habe dieses Jahr ja keinen Urlaub genommen. Dafür ist am Wochenende mehr Spielraum. Falls du auch dabei bist, könnten wir uns bei den folgenden Filmen über den Weg laufen:

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Von den Animevorführungen werde ich dieses Mal keine besuchen, und die großen Splatter-Highlights wie The Machine Girl oder Tokyo Gore Police sind auch nicht so mein Ding, da fällt es mir nicht schwer, zu verzichten. Leider werde ich wohl als eines der wenigen Teammitglieder nicht beim Bondage-Themenabend mit dabei sein, aber irgendwer muss ja auch in den anderen Kinos Filmansagen machen und nach dem Rechten sehen.

Der einzige Film, bei dem mir die Entscheidung nicht hinzugehen wirklich schwer fiel war Girl Sparks. Der läuft leider nur einmal am Samstag Abend, zeitgleich mit Faces of a fig tree, und die Chance, den in der 35mm-Version auf der großen Leinwand zu sehen, kann ich mir einfach nicht entgehen lassen. Man merkt dem Spielplan schon deutlich an, dass statt 40 dieses Jahr „nur“ 31 Filme laufen. Es gibt viel weniger Überschneidungen, mehr Freiräume zum Kinowechseln und generell ist alles irgendwie entspannter. Hoffentlich lässt sich das in zwei Wochen auch vom ganzen Festival sagen!

Mal wieder bietet uns Mark Schilling einen interessanten Überblick zum Zustand der Filmindustrie (mit Schwerpunkt auf Indie-Produktionen) in Japan, das mit fast genau 2 Mrd. US-$ Umsätzen an den Kinokassen der zweitgrößte Filmmarkt der Welt ist. 163,2 Mio Kinokarten wurden dort 2007 verkauft, rein statistisch gesehen geht also jeder Einwohner 1,28 Mal im Jahr ins Kino. Doch wie war das vor einem halben Jahrhundert, in der goldenen Ära des japanischen Kinos?

Vergleichen wir den Schilling-Artikel also mit den Zahlen1 aus den späten 1950er Jahren: Damals ging der Normal-Japaner 12 Mal im Jahr im Kino, zehnmal so oft wie heute! Das Fernsehen hat unübersehbar seine Spuren hinterlassen… Nur vergleichsweise gering zurückgegangen ist dagegen die Anzahl der japanischen Filme, die in den Kinos gezeigt wurden: Stolze 407 heimische Werke liefen 2007, vor 50 Jahren schwankte dieser Wert noch um die 500.

Jedoch finden nicht alle in Japan produzierten Filme auch den Weg auf die Leinwand, besonders kleine, unabhängige Labels haben massive Schwierigkeiten, Kinos zu finden, die ihre Filme spielen. Das hängt nicht zuletzt mit den Besonderheiten des Distributionssystems in Japan zusammen. Die großen Studios, allen voran Toho, besitzen eigene Kinoketten, während kleine Studios Verträge mit unabhängigen Kinos aushandeln müssen. Das war vor einem halben Jahrhundert genauso, doch lag damals die Zahl der Kopien für die „großen“ Filme viel niedriger als heute: 50 Kopien wurden damals durchschnittlich von einem Film angefertigt, bei großen Produktionen 70 bis 100 (bei ca. 7000 Kinos im Land). Heute dagegen startet kaum noch eine größere Produktion mit weniger als 100 Kopien, die „Blockbuster“ kommen locker auf 300 bis 400. Dementsprechend weniger Slots in den Kinos bleiben für die kleinen Fische.

Die Bedeutung ausländischer Filme nahm zudem in den letzten Jahrzehnten deutlich zu, auch wenn diese im internationalen Vergleich noch immer bemerkenswert gering ist. Fast genau die Hälfte der in japanischen Kinos gezeigten Streifen kommt heute aus dem Ausland (und das entspricht auch in etwa ihrem Umsatzanteil), in den guten alten Zeiten war es nur ein Viertel. Dennoch ist der japanische Filmmarkt in guter Verfassung, Studios sind nicht auf Export ihrer Filme angewiesen und können die Finanzierung ihrer Projekte ganz aus heimischen Mitteln decken, meist über verschiedene Partner wie TV-Sender, Verlage oder Sponsoring.

Die Industrie kann es sich also leisten, sich ganz auf ihr heimisches Publikum zu konzentrieren, daran hat sich in den letzten Jahrzehnten trotz der dramatisch gesunkenen Zuschauerzahlen wenig geändert. Das soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass unmittelbar nach der goldenen Ära, etwa ab Mitte der 1960er Jahre, der durch die Verbreitung des Fernsehens verursachte Rückgang der Zuschauerzahlen die Filmindustrie schwer traf und diese in eine tiefe Krise schickte. Aber diese Geschichte erzähle ich ein andermal.

1 Die Angaben stammen aus Joseph L. Anderson/Donald Richie: The Japanese Film. Art and Industry