Yasujiro Ozu wurde nicht zuletzt wegen seines außergewöhnlichen, unverkennbaren Stils zu einer Ikone der japanischen Filmgeschichte. Gerne genannt werden etwa die niedrig positionierte Kamera, die Beschäftigung mit der (japanischen) Familie oder die besondere Nutzung des Raums welche im Widerspruch mit Hollywood-Konventionen steht. Zu diesen Markenzeichen gehören jedoch auch ganz simple, wiederkehrende Motive, und eines davon möchte ich heute vorstellen.

So gut wie jeder Film Ozus enthält eine Ansicht von zum Trocknen aufgehängter Wäsche. Bereits in seinen frühen Filmen der 30er Jahre, wie etwa in A Story of floating Weeds aus dem Jahr 1934, taucht die trocknende Wäsche auf, hier noch eingebunden in den Kontext der Handlung (die Schauspieltruppe hat Waschtag und plaudert nebenbei über Glück und Unglück):

Story of floating weeds

Auch in Record of a tenement gentleman von 1947 besteht noch ein Bezug des im Wind trocknenden Futons zur Handlung, in der ein bettnässender Junge von einer älteren Frau aufgenommen wird.

Tenement Gentleman

In den späteren Filmen dienen die Ansichten der trocknenden Wäsche dann ausschließlich als überleitende, Kontext etablierende sowie Stimmung und Atmosphäre vermittelnde Einschübe. Beispiele wären…

Tokyo Story (1953):

Tokyo Story

Early Spring (1956):

Early Spring

An Autumn Afternoon (1962):

Autumn Afternoon

Wie diese Abfolge an Screenshots zeigt, nutzt Ozu dieses wiederkehrende Element seiner Filme, um auf den Wandel Japans hinzuweisen und die Veränderungen im Leben der Menschen anzudeuten bzw. zu unterstreichen. In den frühen Filmen, vor dem japanischen Wirtschaftswunder, werden fast immer auf hölzernen Gerüsten hängende, einfache weiße Unterwäsche oder Yukatas in diesen Ansichten gezeigt. Diese werden zum Ausdruck der einfachen Lebensweise der Charaktere und der Zuschauer gleichermaßen.

In seinen späteren Filmen dagegen greift er den gewachsenen Wohlstand auf (beispielsweise auch, indem seine Charaktere plötzlich Golf spielen). Entsprechend verlagert Ozu in An Autumn Afternoon, dem letzten Film vor seinem Tod, die Wäsche auf Hochhausbalkone. Sie hängt jetzt auch nicht mehr auf Holzgerüsten sondern auf Plastikstangen und bildet ein buntes Durcheinander aus allerlei Tüchern, Hemden, Unterwäsche.

Es handelt sich also nicht nur um eine witzige Marotte (wie etwa die kurzen Auftritte Hitchcocks in seinen eigenen Filmen), die keinen tieferen Zweck verfolgt, sondern um ein Motiv, das sich im Lauf der Zeit mit den Filmen verändert und damit auch die Entwicklung der Gesellschaft und ganz Japans aufgreift und transportiert.

Weitere Markenzeichen Ozus:
Teil I – Sackleinen
Teil III – Zugfahrten