Namen wie Hayao Miyazaki, Satoshi Kon, Mamoru Oshii, Mamoru Hosoda oder Katsuhiro Otomo lassen die Herzen von Anime-Fans schneller schlagen. Alles Regisseure, die mit ihren Werken oft neue Dimensionen erschlossen haben und entscheidend zur Entwicklung von Anime zu dem, was uns so begeistert, beigetragen haben. Aber auch diese Meister ihres Fachs haben ihre Filme nicht allein gedreht, oft waren herausragende Szenen und Bilder gar nicht auf ihrem Mist gewachsen, sondern auf dem ihrer Key Animators, japanisch: Sakuga. Den Sakuga war auf der Anime Central vor wenigen Wochen ein Vortrag gewidmet, der – in 9 Teilen zwar aber dennoch in voller Länge – auf Youtube zu sehen ist.
Der Vortrag mit dem Titel „That Scene was Awesome: Japan’s Iron Animators (Sakuga Anime)“ wurde präsentiert von Colin Groesbeck, Neil Clingerman und Sean Bires und zeigt zum einen auf, wie sich Anime gerade durch den Einfluss der Sakuga von der Nachahmung Disneys entfernten und ästhetisch immer eigenständiger wurden. Zum anderen werden einige der bekanntesten Sakuga vorgestellt und erläutert, wie sie mit ihren typischen Stilen und Techniken zur Evolution der Anime beitrugen. Der Vortrag ist mit vielen Ausschnitten aus Filmen und Serien ausgestattet und präsentiert die wichtigen Punkte daher sehr anschaulich und verständlich. Hochinteressant und ein Must-see für jeden, der sich ernsthaft für Anime interessiert!
Via Wildgrounds – Merci beaucoup!
21 Jun
Nach längerer Durstphase können wir japanophile Cineasten uns derzeit wieder über fette Monate freuen, was Neuveröffentlichungen von DVDs und Blurays angeht. Also legt schonmal ein paar Scheine beiseite:
Sehr schön, so könnte das direkt weitergehen 🙂
17 Jun
Original: Jūsan nin no shikaku (2010) von Takashi Miike
Wir schreiben das Jahr 1844, als das Oberhaupt einer anerkannten Samuraifamilie rituellen Selbstmord begeht. Er hinterlässt eine Schrift, in der er Fürst Naritsugu (Goro Inagaki), Halbbruder des Shoguns, grausamer Verbrechen anklagt. Dies ist nicht der einzige Skandal, für den Naritsugu verantwortlich ist, doch eine Bestrafung des Fürsten wäre ein nicht akzeptabler Gesichtsverlust für den Shogun. So erhält Shinzaemon Shimada (Koji Yakusho) den Auftrag, eine schlagkräftige Truppe von Samurai um sich zu versammeln und den Fürsten auf der Rückreise von Edo zu ermorden.
Wer sich nur ein ganz winzig kleines bisschen mit Jidaigeki auskennt, wird in diesem Film an allen Ecken und Enden Zitate und Hommagen finden. Am auffallendsten sind natürlich die Parallelen zu Die Sieben Samurai: Die Rekrutierung der Kämpfer für Recht und Ordnung; der Ausbau des Dorfes zur Festung, die für Naritsugu und seinen Tross zum Grab werden soll; die Begegnung mit dem draufgängerischen Jäger Koyata, der sich den Samurai anschließt; und natürlich die nicht enden wollende Schlacht am Ende des Films.
Aber hier wurde nicht nur abgeguckt, an vielen Stellen hatte ich den Eindruck dass Miike ganz gezielt dem großen, unerreichten Meisterwerk Kurosawas seine Ehre erweist. So finden sich in 13 Assassins gleich mehrere Szenen, in denen Shimada seinen Samurai (und damit auch uns Zuschauern) anhand einer Karte seine Pläne erläutert oder mit der Karte in der Hand die Arbeiten im Dorf dirigiert, genau wie dereinst Kanbei. Und was passiert in genau dem Moment, als die Samurai zu dem Dorf aufbrechen? Es beginnt zu regnen.
Darüber hinaus finden sich auch deutliche Parallelen zu Filmen Masaki Kobayashis, allen voran Samurai Rebellion und Harakiri. Nicht nur, dass sich Miike bei der visuellen Gestaltung seines Films an einigen Stellen offenbar von deren strenger Bildsprache inspirieren ließ. Auch die Thematisierung unmenschlicher Machtstrukturen, die es selbstgerechten und selbstverliebten Herrschern erlauben, auf dem Rücken der Menschen jede Laune auszuleben und unendliches Leid zu verursachen ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden, stammt ganz offensichtlich aus diesen Filmen und der Atmosphäre der rebellischen 60er Jahre.
Auch hier knüpft 13 Assassins an die Vorbilder an, indem der bis zur Karikatur des grausamen Despoten überzeichnete Fürst nicht die widerstreitenden Moralvorstellungen und Verpflichtungen der Samurai in den Hintergrund drängt. Vielmehr befeuert er den Konflikt, in dem sich sein General Hanbei (Masachika Ichimura) wiederfindet. Als aufrechter, loyaler Samurai sowie alter Bekannter Shimadas fühlt sich Hanbei ganz den alten Traditionen und Werten von bedingungsloser Treue und Aufopferung gegenüber dem Fürsten verpflichtet, ist aber gleichzeitig entsetzt angesichts der Grausamkeit und der Verbrechen seines Herrn.
So opfern die 13 Samurai ihr Leben nicht, um Rache zu nehmen oder um ihre Ehre oder die ihres Clans zu schützen, was letztlich selbstbezogenes Handeln wäre und der Bewahrung der bestehenden Traditionen und Strukturen entspräche. Vielmehr kämpfen sie, um großes Leid vom ganzen Land und allen Menschen abzuwenden und scheren sich dabei wenig um Konventionen.
Dafür steht vor allem der Ronin Hirayama, eine wahre Kampfmaschine, der seinen Schützlingen einbläut: „Wenn ihr kein Schwert habt, tötet mit einem Stein. Wenn ihr keinen Stein habt, tötet mit euren Händen“. Aber auch das finale Duell zwischen dem konservativen Hanbei, der seinen Fürsten bis zuletzt verteidigt, und Shimada macht deutlich, dass die 13 Samurai den Bruch mit den Traditionen und die bevorstehende Moderne repräsentieren. Kein Wunder, dass der Film am Ende auf den bevorstehenden Untergang des Shogunats verweist.
Diese Elemente prägen vor allem die erste Hälfte des Films, in denen die Machenschaften des Fürsten, die politischen Ränkespiele, die Rekrutierung der Samurai und die Vorbereitungen des Angriffs im Zentrum stehen. In der zweiten Hälfte geht es dann recht schnell zur Sache: Nachdem die Samurai im Dorf eintreffen beginnt eine Schlacht, wie es sie in einem japanischen Film wohl noch nie zu sehen gab. Allein die Länge von fast 45 Minuten ununterbrochener Kämpfe dürfte absoluter Rekord sein, dazu kommt ein großer Einfallsreichtum, der Sprengsätze ebenso einbezieht wie Stiere mit Brennsätzen auf dem Rücken.
Trotz der Länge zeichnet sich die Schlacht doch durch eine große Realitätsnähe aus. Damit hebt sich der Film wohltuend ab sowohl von den Gewaltexzessen, die Miike in der Vergangenheit schon abgeliefert hat, als auch von völlig überdrehten Stunts mit scheinbar schwerelos durch die Lüfte fliegenden Helden und aus dem Boden auftauchenden Ninjas. Dass ausgerechnet Miike einen solchen im besten Sinne klassischen Samuraifilm drehen und damit nahtlos an die Hochphase des Genres anknüpfen würde, das hat mich dann doch überrascht.
13 Assassins ist einfach großartig anzusehen, ein geradezu monumentaler Film der so ziemlich alles enthält, was zum Genre gehört, und davon so viel wie nur möglich. Seine einzige Schwäche ist die mangelnde Identifikation mit den Samurai, weil uns Zuschauern einfach nicht genug Zeit bleibt, um zu mehr als vier oder fünf von Ihnen eine Bindung und Sympathie aufzubauen. Möglicherweise macht sich hier auch die um 15 Minuten gekürzte internationale Fassung bemerkbar, die ich gesehen habe. Angeblich fehlt in dieser nämlich eine längere Bordell-Szene, in der einige der Samurai vor dem Aufbruch in die Schlacht nochmal Dampf ablassen. Aber auch so ist Takashi Miike hier so ziemlich der beste Schwertkampffilm seit Jahrzehnten gelungen.
13 Jun
Das Japanische Filmfest Hamburg hatte auch 2011 wieder jede Menge Highlights zu bieten, sowohl filmischer wie kultureller Natur. Zur letzteren Kategorie gehörten das Filmfrühstück und die Tegami-Ausstellung, über die ich bereits an anderer Stelle geschrieben habe. Als ein besonders gelungenes Beispiel der Erweiterung des Filmerlebnisses zum Event – wodurch sich ein Filmfestival ja originär auszeichnen sollte – muss ich außerdem noch die Vorführung von Amachoro hervorheben.
Sweet silly Lovesong – Amachoro, so der volle Titel, war nicht nur ein guter Film, der sämtliche Klippen des Band-Genres umschiffte indem er sich aus einer ganz anderen Richtung näherte. Nach dem Film folgte dann zunächst eine Gesprächsrunde mit Regisseur Miyata und Hauptdarstellerin Naomi Oroji, einer Musikerin die selbst die Songs zum Film beigesteuert hatte. Abschließend griff Oroji dann im ausverkauften 3001-Saal noch selbst zur Gitarre und gab eine kleine Live-Performance, unter anderem mit dem titelgebenden „sweet silly lovesong“. Eine wirklich schöne, rundum gelungene Veranstaltung! Genau solche Angebote machen ein Festival aus und verleihen ihm diesen besonderen, einzigartigen Charakter, den auch die beste Heimkino-Anlage niemals ersetzen kann.
Nun zu den Filmen. Aus dem umfangreichsten Festivalprogramm, das es beim JFFH je gab, habe ich mir 12 Filme angeschaut und nach den ersten drei Tagen hatte ich ein ähnliches Gefühl wie nach der NipponConnection, als es mir sehr schwer fiel, eine Hitliste zusammenzustellen. Das hat sich dann mit den Filmen vom Wochenende geändert, besonders die beiden letzten vom Sonntag haben mich schwer beeindruckt und finden sich an der Spitze meines Rankings:
1. Heaven’s Story
2. 13 Assassins
3. Wandering Home
4. Lost Paradise in Tokyo
Arrietty wäre normalerweise wohl auf Platz 2, aber der lief gewissermaßen außer Konkurrenz, weil ich ihn ja schon von der NC kannte. Und Groschi, falls du das hier lesen solltest: Ich hab auf Grund deines Verrisses von Heaven’s Story überlegt, ihn auszulassen, und nach etwa 90 Minuten war ich sogar kurz davon, das Kino zu verlassen. Aber als dann der Abspann lief, war ich von der emotionalen Intensität fix und fertig und hatte Tränen in den Augen! Irgendwann kommt da auf jeden Fall noch eine Filmbesprechung.
Aus persönlicher Sicht war es für mich ein sehr schönes und ziemlich entspanntes Filmfest, bei dem ich nach meinem Abschied aus dem Organisationsteam endlich wieder ganz die Filme ins Zentrum stellen konnte. Genauso hat es aber auch Spaß gemacht, am Sonntag beim Filmfrühstück mit zuzupacken, ich würde also nicht ausschließen, dass ich rückfällig werde 😉
12 Jun
Original: Yoi ga sametara, uchi ni kaero (2010) von Yoichi Higashi
Als Kriegsberichterstatter in Südostasien hat der Fotograf Tsukahara (Tadanobu Asano) einen Blick in die Abgründe der menschlichen Seele geworfen, als er aus dem kambodschanischen Bürgerkrieg berichtete. Nun ist er dem Alkohol verfallen, lebt bei seiner Mutter und getrennt von seiner geschiedenen Frau (Hiromi Nagasaku) und den beiden gemeinsamen Kindern. Als er eines Tages große Mengen Blut spuckt und die Ärzte ihm bei weiterem Alkoholmissbrauch den Tod voraussagen, unterwirft er sich einer Entziehungskur in einer Spezialklinik.
Seine Begegnungen dort mit verschiedenen anderen Patienten, die langsame Normalisierung seines Bezugs zur Realität und die Übernahme von Verantwortung in der Patientengruppe lassen ihn trotz einiger Rückschläge Schritt für Schritt wieder auf die Beine kommen. Dazu tragen auch die Besuche seiner Kinder bei und dass die Beziehung zu seiner Ex-Frau wieder an Vertrauen und Intimität gewinnt.
Wandering Home geht sehr clevere und effektive Wege dabei, den Zuschauer an den alkoholbedingten Aussetzern und der verwirrten Gefühlswelt und Realitätswahrnehmung des Trinkers teilhaben zu lassen. Manchmal ist der Ton plötzlich weg, oder er brüllt in der Gegend herum während andere davon nichts mitbekommen. Dabei zeigt Asano wieder mal, dass er nicht umsonst einer der Superstars in Japan ist: Seine Darstellung des Alkoholkranken kommt ohne große Effekthascherei aus, ist wohltuend undramatisch, ehrlich und glaubwürdig.
Trotz der zahlreichen anrührenden Szenen driftet der Film auch zu keinem Zeitpunkt in Kitsch ab. Die Ereignisse und Begegnungen in der Klinik sowohl mit anderen Patienten als auch der behandelnden Ärztin, zu der Tsukahara bald Vertrauen fasst, werden sehr ruhig, fast ein bisschen distanziert dargestellt. Vieles bleibt unausgesprochen oder wird vor allem in den leisen Zwischentönen vermittelt.
Sehr schön wird besonders der langsame Weg der Besserung vermittelt, auf den er sich in der Klinik begibt. Ein zentrales Element spielt dabei das dienstägliche Curry-Menü, das Tsukahara auf Grund seines stark angegriffenen Magens lange verwehrt bleibt und um das er seine Mit-Patienten heftigst beneidet. Der Moment, in dem er endlich wieder Curry serviert bekommt, wird zu einem Triumph, zunächst mit fröhlicher Musik, die ganz plötzlich aussetzt so dass die ganze Konzentration auf Asano liegt, der mit unglaublichem Hochgenuss das Curry isst. Ich könnte mir vorstellen, dass eine Entziehungskur tatsächlich so abläuft, wie hier gezeigt.
Beeindruckt hat mich an diesem Film besonders, wie die sympathisch-lustig-beschönigenden Darstellung von Alkoholismus, die sich oft in Filmen findet, hier entzaubert wird: Tsukahara torkelt herum, spricht wirres Zeug, hat Aussetzer und fehlenden Realitätsbezug, was durchaus komisch wirkt und in vielen Filmen als Aufhänger für Lacher dient. Er beugt sich über die Toilette, spuckt dann allerdings riesige Mengen Blut. Was bis eben noch schräg, witzig oder peinlich wirkte, wird so von einer Sekunde zur nächsten lebensbedrohlich. Für ungläubiges Staunen sorgte da auch der Moment, in dem ein Arzt wie im Nebensatz enthüllt, dass Tsukahara an Leberkrebs leidet und nur noch wenige Monate zu leben hat.
Für mich war Wandering Home eines der Highlights beim JFFH2011. Ein ruhiger, unaufdringlicher Film mit einem Hauptcharakter, der beim Kampf gegen seine inneren Dämonen nicht aufgibt, sich seinen Weg zurück in die Gesellschaft erkämpft, seine Selbstachtung wiederfindet und sich die Zuneigung und Liebe seiner Familie verdient. Gerade dieses Thema greift auch der Song während des Abspanns auf mit seinem Refrain „let me live my life with pride“.
Wie derzeit wohl jede Veranstaltung mit Japanbezug stand natürlich auch das JFFH unter dem Eindruck der Erdbebenkatastrophe mit zehntausenden Toten. In Zusammenarbeit mit der in Hamburg lebenden Künstlerin Nobuko Watabiki gab es während des Festivals im Metropolis und in der Festival-Lounge eine sehr berührende und beeindruckende Auseinandersetzung mit den tragischen Ereignissen des März zu bestaunen: Hunderte Künstler aus Japan hatten ihre Gedanken und Gefühle auf Postkarten verewigt und nach Hamburg geschickt.
Das Ergebnis war hochgradig beeindruckend! Von todtraurigen über nachdenkliche bis zu total lebensfrohen, quietschbunten Postkarten war so ziemlich alles dabei. Einige waren von persönlichen Botschaften und Berichten begleitet, wie etwa dieses Beispiel, das mit einer Postkarte bunter Blumen kam:
Wer sich für die unter dem Namen „Tegami“ laufende Kunstaktion interessiert, kann sich auf der Website informieren und einige gescannte Exemplare ansehen. Die Initiatoren berichten von großem Interesse an der Ausstellung und wollen sie wenn es irgendwie möglich ist auch auf die Reise schicken.
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Obwohl ich in diesem Jahr nicht mehr in die Organisation des Festivals involviert war, konnte ich dann doch nicht fünf Tage lang untätig zugucken, während sich die alten Freunde und Mithelfer bis tief in die Nacht hinein im Schweiße ihres Angesichts die Allerwertesten aufreißen. Und das mit „Schweiß“ meine ich absolut wörtlich, denn bei so einem Filmfest zu helfen heißt nicht nur, Tickets abzureißen und Gästen die touristischen Highlights von Hamburg zu zeigen. Da muss auch mal eine Wagenladung 35mm-Filme in den Vorführraum hochgeschleppt werden, und je nach Film wiegt so ein Paket schlanke 20-40 Kilo!
So sieht dann beispielsweise ein 13 Assassins auf der Treppe zum Vorführraum des Metropolis aus. (Übrigens einer der Knallerfilme des diesjährigen Festivals, Rezension kommt noch in den nächsten Tagen)
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Deutlich leichter und mit sehr viel mehr Spaß verbunden als Filme zu schleppen ist da die Vorbereitung des Filmfrühstücks. Wenn man nur nicht so verdammt früh aufstehen müsste dafür! 🙁
Aber es hat sich auch dieses Jahr wieder gelohnt und Riesenspaß gemacht. Die Onigiri waren superlecker, Jans japanischer Kartoffelsalat ein Gedicht und Saschas Miso-Suppe einfach göttlich! So langsam scheint sich das bei den Gästen wirklich herumzusprechen, und so war der Andrang trotz typisch Hamburger Wetter wieder ziemlich groß.
Schön war’s! Und lecker 🙂