Archive for Juni, 2013

Gerade rechtzeitig zum Sommerbeginn auch hier in Hamburg ist das Manuskript für mein Buch über Leben und Werk des großen Akira Kurosawa fertig geworden! Im Moment ist das gute Stück noch in der finalen Redaktion des Verlages, anschließend bekomme ich es zu sehen und dann, wahrscheinlich Mitte Juli, dürfte das Machwerk – erstmal in Ebook-Form – den Weg zu den Buchhändlern finden. Ich bin extremst gespannt, sozusagen bis zum Zerreißen 🙂

Sobald ich mehr Details (Preis!) kenne, werde ich ordentlich die Werbe-Trommel rühren halte ich euch natürlich auf dem Laufenden. Eine Aufgabe hat mir der Verlag noch aufgetragen, ich soll eine Autoren-Vita verfassen fürs Marketing. Was gibt es schöneres zu tun an einem lauen Sommerabend mit einem Gläschen Weißwein?

😉

Original: Gumo ebian! (2012) von Toru Yamamoto

Die Teenagerin Hatsuki (Ayaka Miyoshi) und ihre Mutter Aki (Kumiko Aso) sind vor Freude ganz aus dem Häuschen, als Akis Freund Yagu (Yo Oizumi), der für Hatsuki eine Art Ersatzvater ist, von einer langen Reise zurückkehrt. Wie ein Wirbelwind bricht der hochgradig unkonventionelle, in den Tag hineinlebende und scheinbar in seiner Teenagerzeit steckengebliebene Hobby-Punkrocker über die heile Welt der beiden herein und sorgt für mächtig Betrieb und Spaß.

Doch es dauert nicht lange, bis die ungewöhnliche Patchwork-Familienidylle erste Risse bekommt. Hatsuki muss sich entscheiden, wie ihre Schullaufbahn weitergehen soll und fühlt sich dabei von ihrer mit Yagu bis spät in die Nacht trinkenden und in alten Zeiten schwelgenden Mutter alleingelassen. Mehr und mehr bekommt sie das Gefühl, dass sie als einzige in der Familie an die Zukunft denkt, und sehnt sich nach einer normalen Familie.

Auf eines ist wirklich Verlass beim JFFH: Es gibt immer eine sympathisch-überdrehte, ungewöhnliche und auch etwas nachdenkliche Familienkomödie im Programm. In diesem Jahr wurde diese Kategorie erfolgreich und sehr ansehnlich von G’mor evian! besetzt, der mich in mancher Hinsicht an Café Isobe von vor ein paar Jahren erinnerte, nicht nur weil dort ebenfalls Kumiko Aso mitspielte. Die soll während der Dreharbeiten übrigens im 5. Monat schwanger gewesen sein, mir ist nichts aufgefallen.

Dieser Typ Film steht und fällt üblicherweise mit den Leistungen der Schauspieler und der Chemie zwischen ihnen. Und da hat mich G’mor evian! wirklich überzeugt. Yo Oizumi ist einfach umwerfend als punkrockender Slapstick-Duracellhase mit dem großen Herz und Aso und Miyoshi geben ein sehr gutes Mutter-Tochter Gespann ab. Dazu kommt noch die exzellente Musikauswahl, so dass der Film richtig Laune und Spaß macht, sich aber nicht allein darauf beschränkt sondern sich auch damit beschäftigt, wie Menschen trotz all ihrer charakterlichen Unterschiede und verschiedenen Vorstellungen vom Leben als Familie gemeinsam glücklich werden können.

Eine Schwachstelle ist jedoch die Nebenhandlung um Hatsukis beste Freundin, in die der Film in den ersten beiden Dritteln ziemlich viel investiert, die dann aber urplötzlich sang- und klanglos verschwindet und sich somit als reiner Plot-Device herausstellt. Schade, ändert aber nichts daran, dass G’mor evian! einer der rar gesäten guten Filme auf dem JFFH2013 war. Der merkwürdige Titel des Films ist übrigens eine japanisch verballhornte Version von Good morning everyone, die Yagu als Lebensmotto aus Australien mitbrachte.

Original: Rurōni Kenshin: Meiji kenkaku roman tan (2012) von Keishi Ohtomo

In den Kämpfen zwischen Gegnern und Anhängern des Kaisers im Jahre 1868 gelangt ein junger Assassine wegen seiner fast übermenschlichen Schnelligkeit und einer Spezialtechnik im gleichzeitigen Kampf gegen mehrere Gegner unter dem Namen Battosai zu Berühmtheit. Doch er findet sich auf der Seite der Verlierer und schwört angesichts des Blutvergießens, sein Schwert nie wieder einzusetzen um andere zu töten.

Zehn Jahre später zieht er als Ronin unter dem Namen Kenshin Himura (Takeru Sato) durch die Lande und begegnet der jungen Kaoru (Emi Takei), die den Ruf der Kampfschule ihres Vaters bewahren will. Denn unter deren Namen begeht ein Mann, der sich Battosai nennt, eine Serie blutiger Morde. Als auch noch die Medizinerin Megumi (Yu Aoi) sich vor dem Opiumhändler und seiner Gang, für die sie Drogen entwickeln soll, in Kaorus Schule flüchtet, wird es für Kenshin immer schwerer, seinen Schwur einzuhalten.

Als Abschluss des JFFH2013 lieferte Samurai X nochmal solide Unterhaltung. Handwerklich ist der Film sehr gut gemacht, die Kämpfe sind rasant geschnitten, gut choreografiert und absolut auf der Höhe der Zeit. Was jedoch auffällt im Unterschied zu Hollywood-Blockbustern ist das Fehlen des seit dem Erfolg der Bourne-Trilogie zu beachtenden Realismus-Trends, und das obwohl der Film sich klar in der historischen Realität verortet. Ganz im Gegenteil sind Charaktere und teilweise auch Handlung stark überzeichnet, was den Ursprung in einer Manga-Serie eindeutig erkennen lässt.

Mit den manga-esken Charakteren geht leider auch einher, dass diese doch sehr schablonenhaft sind und ihnen teils jegliche nachvollziehbare Motivation fehlt. Überrascht hat mich in dieser Hinsicht lediglich die von Yu Aoi gespielte Megumi, die zwar auch einige Inkonsistenzen aufweist, die aber zumindest undurchsichtig und unberechenbar ist. Fast etwas nervig fand ich – vor allem im ziemlich konstruierten Finale – den ständigen Verweis auf Kenshins friedliebende, Gewalt ablehnende Lebenseinstellung.

In Japan war diese Adaption des Mangas von Nobuhiro Watsuki letztes Jahr einer der erfolgreichsten heimischen Filme. Auch auf dem JFFH herrschte großer Andrang und als Popcorn-Unterhaltung ist der Film ganz gut anzusehen und macht durchaus Spaß, vor allem weil er sich selbst nicht so bierernst nimmt. Unter dem Strich kann er mich aber nicht wirklich überzeugen: Er ist zu vorhersehbar als dass wirklich Spannung aufkommen könnte, die Charaktere sind wenig interessant und sooo bombastisch sind die Kämpfe dann doch nicht, dass sie den Film allein tragen könnten.

Die NipponConnection findet dieses Jahr erstmals nicht an der Frankfurter Uni statt, sondern weicht auf andere Locations wie den Mousonturm und die Naxoshalle aus. Und sie findet rund zwei Monate später statt, im Juni statt im April. Diese Neuerungen organisatorischer Natur ändern aber nichts daran, dass die NC das absolute Mekka für Liebhaber des japanischen Films ist – inzwischen weltweit.

Unbeeindruckt von Terminverschiebung und neuen Locations haben die Macher ein beeindruckendes Programm (pdf Download) zusammengestellt. Leider bin ich dieses Jahr nicht mit dabei, aber wenn ich dort wäre, würde ich mir diese 10 Filme auf keinen Fall entgehen lassen:

  • Outrage Beyond: Die (unerwartete) Fortsetzung zu Takeshi Kitanos unterkühlter Abrechnung mit und zugleich Neubelebung des Yakuza-Genres.
  • For Love’s sake: Zu Takashi Miike muss ich wohl nicht mehr viel sagen, hier mixt er mal wieder einen abenteuerlichen Genre-Cocktail, dieses Mal aus Musical, Highschool-Komödie und Gangsterfilm.
  • A Story of Yonosuke: Regisseur Shuichi Okita kann man mit Mitte 30 grade noch so zu den Nachwuchstalenten zählen, er wurde letztes Jahr erstmals einem größeren Publikum bekannt mit der Komödie The Woodsman and the Rain. Auch hier handelt es sich wieder um eine Komödie.
  • The Land of Hope: Nach Himizu widmet sich Shion Sono nochmal des Umgangs mit der Katastrophe von Fukushima, dieses Mal anhand eines fiktiven Szenarios, oder sollte ich besser sagen, Gedankenexperiments?
  • I’m Flash: Toshiyaki Toyoda ist inzwischen ebenfalls einer der großen Namen und seit seinem Debut 1998 mit Pornostar für unkonventionelles, stylisches Independent Kino bekannt. Hier verbindet er einen klassischen Thriller mit Fragen nach der eigenen Existenz.
  • The Drudgery Train: Es gibt wohl keinen zweiten der es so wie Nobuhiro Yamashita versteht, sich augenzwinkernd und verständnisvoll gesellschaftlicher Außenseiter und Loser anzunehmen. Spätestens seit Linda Linda Linda ist er auch einem größeren internationalen Publikum bekannt.
  • Isn’t anyone alive: Der neueste Film von Sogo Ishii, dem die diesjährige NipponRetro gewidmet ist. Hier bringt er ein Theaterstück auf die Leinwand, in dem sich eine Gruppe Studenten angesichts des bevorstehenden Weltuntergangs mit der Banalität ihrer eigenen Existenz konfrontiert sehen.
  • Wolf Children: Mamoru Hosoda hat in den letzten Jahren mit Das Mädchen das durch die Zeit sprang und Summer Wars einen kometenhaften Aufstieg genommen und ist zu einem der erfolgreichsten und bekanntesten Anime-Regisseure geworden. Für Wolf Children gründete er sein eigenes Produktionsstudio und landete letztes Jahr damit direkt in den Top5 der erfolgreichsten japanischen Filme.
  • Bad Film: Nochmal Shion Sono, aber ganz anders, denn das Material für dieses Werk entstand bereits 1995 auf Hi8-Video. Das Projekt konnte er damals aber nicht zu Ende bringen und schnitt daraus jetzt diese halbdokumentarische, nicht-lineare und offenbar nur bedingt logische Momentaufnahme vom Ende eines Jahrhunderts.
  • Thermae Romae: Die Erfolgskomödie des letzten Jahres mit Hiroshi Abe, die auf einer denkbar beknackten Idee basiert, aber vielleicht gerade deshalb so gut ankam.

Das sind schon ne ganze Menge an must-see-Filmen, aber wer noch etwas – oder besser, reichlich – Zeit hat sollte sich unbedingt auch noch Kiyoshi Kurosawas Penance ansehen. Diese exzellent besetzte (Yu Aoi! Sakura Ando! Eiko Koike! Kyoko Koizumi!), sechsstündige (!!!) Miniserie dreht sich um den Mord an einer Grundschülerin und die Rachegelüste ihrer Mutter – wer sich jetzt ein wenig an Confessions erinnert fühlt, liegt goldrichtig, denn beide Filme basieren auf Romanen derselben Autorin.

Egal, ob ihr euch diese oder andere Filme anschaut, viel Spaß allen Besuchern der NipponConnection! 🙂