Archive for Dezember, 2011

Da ich nach wie vor stressbedingt selbst nichts auf die Reihe bringe hier im Blog, schicke ich mal wieder die anderen vor:

  • Micha ist von A certain Killer sehr angetan: Plot, Bilder, Darsteller, Gesellschaftskritik, alles scheint hier zu passen, wozu wahrscheinlich auch das Drehbuch von Yasuzo Masumura beigetragen haben dürfte. Ich bin auf jeden Fall neugierig geworden und werde mich mal nach einer DVD umschauen.
  • David Bordwell ist ja bereits hinlänglich als großer Verehrer von Yasujiro Ozu bekannt, man denke nur an sein – leider vergriffenes – Standardwerk „Ozu and the Poetics of Cinema“. Jetzt hat er einen ursprünglich 2003 im Rahmen des Hong Kong International Film Festival erschienenen Essay in seinem Blog veröffentlicht: A modest extravagance – 4 looks at Ozu
  • Jamie schreibt bei Criterion Confessions über eine Bluray, die auch ohne seine begeisternde Kritik ganz weit oben auf meinem Einkaufszettel steht: Branded to kill.
  • Und zu guter letzt noch ein „Neuling“, denn Ad Blankestijns Japan Navigator-Blog war mir bisher vor allem für seine detailliert, liebevoll und kenntnisreich geschriebenen Reiseberichte und -tipps bekannt. Seit kurzem schreibt er offenbar auch über Filme und da fiel mir besonders sein Beitrag über Teinosuke Kinugasas A Page of Madness auf – denn der Film selbst scheint Ad gar nicht mal so sehr zu überzeugen, trotzdem hat er einiges an wissenswerten Hintergrundinfos dazu zusammengetragen.

So, und nächstes Jahr komme ich dann hoffentlich auch mal wieder selbst zum Schreiben!

Madadayo

Original: Madadayo (1993) von Akira Kurosawa

Madadayo war die letzte Regiearbeit Kurosawas, in welcher der 1998 verstorbene Großmeister des japanischen Kinos die Schlachtfelder früherer Filme wie Ran, Kagemusha oder Die Sieben Samurai hinter sich lässt. Statt dessen widmet er sich der Geschichte des Deutschprofessors Uchida und seiner ihn verehrenden Schüler. Eine Handlung im eigentlichen Sinne fehlt dem Film, vielmehr setzt er sich aus Episoden und Anekdoten zusammen, die den Professor und seine Schüler vom Anfang der 1940er bis in die 1960er Jahre hinein verbinden.

Madadayo Screenshot 1

Zu Beginn des Films zieht Uchida (Tatsuo Matsumara) sich überraschend aus der Lehrtätigkeit zurück, um sich ganz seinem literarischen Schaffen widmen zu können. Wir sehen die ersten ausgelassenen Besuche bei ihm, Saufgelage und das Schwelgen in alten Geschichten. Dann wird das Haus Uchidas von Bomben zerstört, er und seine Frau erleben das Ende des Krieges und die amerikanische Besatzung in einer kleinen Hütte.

Doch den Frohsinn und die Lebensfreude kann das nicht beeinträchtigen, und kaum ist der Krieg vorüber, helfen die Schüler ihnen beim Wiederaufbau. Außerdem wird jedes Jahr der Geburtstag des Professors gebührend gefeiert, mit einem zentralen Ritual bei dem ihn die Schüler fragen „Mahda-kai?“ („Fertig?“) und er antwortet: „Mahda-dayo!“ („Noch nicht!“).

Madadayo Screenshot 2

Mit Madadayo schuf Kurosawa ein einfühlsames Porträt eines lebensfrohen, aufgeweckten und liebenswerten Menschen, der sich seine positive Haltung zum Leben und zu anderen Menschen auch angesichts von Verlusten im Krieg und zunehmender Beschwernisse des Alterns bewahrt. Durch sein kindlich-sympathisches Wesen, seine Aufgeschlossenheit und seine unterhaltsamen Weisheiten bereichert er auch das Leben der Menschen um ihn herum, insbesondere seiner Ehefrau und seiner Schüler. Und die zahlen es ihm mit viel Liebe, Zuwendung und Unterstützung zurück.

Die Dialoge sind dabei oft durch eine gewisse oberflächliche Komik geprägt und bewegen sich teilweise am Rande der Belanglosigkeit. Die eigentlich entscheidenden Hinweise auf die Beziehungen der Charaktere zueinander und die unendliche Wertschätzung, die dem Professor vor allem von seinen Schülern aber auch von vielen anderen Menschen entgegengebracht wird, werden oft ohne Worte und statt dessen durch Gesten und Handeln zum Ausdruck gebracht – wie es der japanischen Sitte entspricht.

Madadayo Screenshot 3

Kurosawa wurde seinem Ruf des Perfektionisten einmal mehr gerecht und legte bei den Dreharbeiten größten Wert auf Details, um die für die Aussage des Films und die Darstellung der Charaktere so wichtigen Stimmungen einfangen zu können. Für die Dreharbeiten an der wunderbare Szene, in der Uchida und seine Frau in ihrer kleinen Hütte den Gang der Jahreszeiten verfolgen, wurde beispielsweise keineswegs Kunstschnee verwendet. Vielmehr entstanden die Aufnahmen tatsächlich im Abstand von mehreren Monaten unter realen Witterungsbedingungen – ein enormer Aufwand angesichts der paar Sekunden im fertigen Film.

Der Titel „Madadayo“ stammt von den Rufen japanischer Kinder beim Versteckspiel: Die Suchenden rufen „Mahda-kai“ und das sich versteckende Kind „Mahda-dayo“, bis es ein gutes Versteck gefunden hat. Dies wird auch in der letzten Szene zum Höhepunkt des Films, als der alte Uchida erschöpft von einer weiteren Feier mit seinen Schülern im Schlaf von den Spielen der Kindheit träumt – ein Ende von geradezu betörender Schönheit!

Madadayo Screenshot 4

Madadayo wird damit zum Ausdruck des unbedingten Lebenswillens, des Sich-versteckens vor dem – letztlich unausweichlichen – Tod. Doch mehr als das zeigt der Film vor allem, wie einfach ein schönes Leben sein kann: Gemütliche Gespräche und ausgelassene Saufgelage mit Freunden, besinnliches Betrachten des Mondes, Freude an Tier und Natur, eine harmonische und liebevolle Ehe – da wird selbst ein Weltkrieg zur Nebensache, und die größte Katastrophe ist das Verschwinden der geliebten Hauskatze.

Verglichen mit den mitreißenden, atemlosen und teils verstörenden tour-de-force Filmen, die wir aus Kurosawas Werk sonst kennen, ist Madadayo ein ganz schöner Langweiler. Die meiste Zeit sitzen ein paar Leute einfach nur herum und hören einem alten Mann zu. Andererseits ist es aber wahrscheinlich der „japanischste“ Film, den er je gedreht hat – ein würdiges Alterswerk eines Regisseurs, dem von seinen Landsleuten oft vorgeworfen worden war, ein „westlicher“ Regisseur zu sein.

Dies ist die überarbeitete und erweiterte Fassung eines Artikels, der ursprünglich am 26. September 2006 veröffentlicht wurde.

Puh, die letzten Wochen waren ganz schön stressig! Und zumindest bis zum Weihnachtsurlaub wird das noch so bleiben… Also falls sich jemand wundert: Es gibt mich noch, ich hab nur derzeit ziemlich wenig Zeit zum Posten. Für den Start der Kurosawa-Retrospektive in Hamburg am Sonntag muss ich noch meine Einführung vorbereiten, was zum job-bedingten Stress noch dazu kommt. Daher heute nur ganz kurz Verweise auf zwei Blogs, die ich (mehr oder weniger) neu entdeckt habe:

  • Endlich noch ein Blog, der ein ausgeprägtes Faible für die Klassiker hat: Ozu Teapot. Wobei es sich allerdings um einen Fotoblog handelt, der Screenshots, Stills, Poster und allerlei anderes Bildmaterial zusammenträgt. Namensgeber des Blogs ist zwar Ozu, und japanische Klassiker machen auch den Großteil des Materials aus (wie etwa diese wunderschöne Montage), aber daneben finden sich auch Bilder von Filmen aus aller Welt. Und zwar inzwischen mehr als 1000!
  • Viele kennen Helen McCarthy wahrscheinlich als Autorin des Standardwerks Hayao Miyazaki: Master of Japanese Animation, aber sie bloggt auch über Themen rund um Anime, die Anime-Industrie, Manga, das Internet und vieles mehr unter dem herrlich selbstironischen Titel A Face Made for Radio. Highly recommended!

So, das war’s für heute schon wieder. Vielleicht schaffe ich am Wochenende mal wieder eine Rezension, mich juckt es auch so langsam ganz schön in den Fingern! 🙂