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Original: Fried Dragon Fish (1993) von Shunji Iwai

Ein kleiner Privatdetektiv erhält den Auftrag, einen verlorengegangenen Arowana wiederaufzutreiben, ein seltener Zierfisch der möglicherweise Millionen wert ist. Der Besitzer ist jedoch ein einziges großes Mysterium, an dem Poo (Miyoko Yoshimoto) einen Narren frisst. Sie sollte eigentlich nur ein Computersystem in der Detektei installieren, findet aber schon bald die ersten Indizien, die auf den Wohnort des Fischsammlers hindeuten. Als auf der Suche ihrer Vespa der Sprit ausgeht, bietet ihr ein junger Mann, der ihr Missgeschick von seinem Fenster beobachtet hatte, seine Hilfe an.

Kaum in seiner Wohnung, erkennt Poo an den ganzen Aquarien natürlich sofort, dass sie es mit dem Gesuchten zu tun hat. Der stellt sich als sehr netter, hilfsbereiter Zeitgenosse heraus. Doch Natsuro (Tadanobu Asano) ist nicht nur Fischliebhaber, sondern auch Killer in Diensten eines Waffenhändlers. Das verkompliziert die Angelegenheit etwas, besonders, als die beiden sich ineinander verlieben.

Fürs Fernsehen im 1,33-Format gedreht ist Fried Dragon Fish mit einer guten Dreiviertelstunde Laufzeit noch weniger ein „vollwertiger“ Spielfilm als der von Iwai einige Jahre später gedrejte April Story. Einerseits merkt man das an der sehr gerafften Handlung und den in groben Strichen gezeichneten Charakteren. Vieles ist rauh und roh, wird angefangen aber nicht schlüssig in ein großes Ganzen eingebettet.

In Fried Dragon Fish sehen wir die Anfänge sowohl von Regisseur und Autor Shunji Iwai als auch von Tadanobu Asano. Dem gerade mal 20jährigen – und äußerlich noch fast kindlich wirkenden – Asano ist hier schon die typische mysteriös-sphinxhafte Aura eigen, die ihn in vielen seiner später folgenden Filme umgibt. Seine Partnerin Yoshimoto dagegen gibt eine naiv-draufgängerische junge Frau, beide wirken aber schematisch, was wohl nicht zuletzt dem Format des Films geschuldet sein dürfte.

Alles andere als schematisch ist dagegen die Regiearbeit. Regisseur Iwai spielt mit allerlei Varianten, erprobt und testet. Eine ganzheitliche Stimmung, eine dichte Atmosphäre, die seine späteren Filme so auszeichnen und herausheben, kann dabei natürlich gar nicht erst entstehen. Ähnlich wie bei dem späteren Star Asano sind aber auch bei ihm gewisse Eigenheiten schon in diesem Frühwerk erkennbar.

Ein unübersehbares Beispiel ist, wie er sich die Kraft der Farben zur Erzeugung von bestimmten Stimmungen zu eigen macht. Viele Szenen sind in dominanten Farbtönen gehalten, mal blau, mal gelb, mal rot und sehr häufig weiss. Dazu kommen noch sehr durchstilisierte und komponierte Bildarrangements, die schon andeuten, wie sehr seine späteren Filme auf „look & feel“ und „style“ getrimmt sein würden.

Fried Dragon Fish ist weniger als eigenständiges Werk interessant – er ist letztlich ein ganz ordentlicher, unterhaltsamer Fernsehfilm. Als frühes Sprungbrett für zwei große Künstlerkarrieren ist er aber wertvolles Dokument, das man sich nicht entgehen lassen sollte, wenn man sich für mindestens einen der beiden näher interessiert. Achja, und eine nette Pointe gibts am Ende auch noch.

April Story

Original: Shigatsu monogatari (1998) von Shunji Iwai

Aus dem noch verschneiten Hokkaido kommt die junge Uzuki (Takako Matsu) zum Studium nach Tokyo, wo gerade die Kirschbäume blühen. Der Gegensatz zwischen der Winterlandschaft und den im Frühlingswind treibenden Kirschblüten könnte kaum größer sein und verkörpert für Uzuki den Beginn eines neuen Lebens und die Erkundung einer fremden Welt.

Schüchtern und verunsichert macht sie die ersten Schritte an der Uni in der großen Stadt, muss sich zurecht finden, ihre kleine Wohnung einrichten, Kurse belegen, neugierige Fragen ihrer Kommilitonen beantworten. Langsam fasst sie Fuß, tritt einem Fliegenfischer-Club an der Uni bei, lernt eine Nachbarin kennen, erkundet die Umgebung auf der Suche nach einem Buchladen. Einem ganz bestimmten Buchladen.

Betrachtet man die Laufzeit von nur 67 Minuten, fällt es auf den ersten Blick etwas schwer, April Story als Spielfilm ernst zu nehmen. In der Tat bietet der Film auch kaum Plot, vielmehr ist er ganz und gar den Gefühlen von Uzuki gewidmet. Dass uns Iwai mit diesem Film regelrecht in sie hineinversetzen will, macht  die Auftaktszene deutlich, in der Uzuki im abfahrbereiten Bus stehend von ihrer Familie Abschied nimmt und in der die Kamera uns durch ihre Augen blicken lässt.

Dieses ebenso einfache wie effektive Mittel ist typisch für diesen sehr reduzierten, auf eine sympathische Art schlichten Film. Es gibt keine nennenswerten Charaktere, auch wenn Uzuki immer wieder Menschen begegnet, die ihr helfen, Stabilität und einen Bezugsrahmen aufzubauen: Eine Nachbarin, die mal zum Essen vorbei kommt, eine schräge Kommilitonin, ein Mann der ihr einen Regenschirm leiht. Aber sie sind nur Schemen am Rande.

Uzuki erreicht ihr Ziel letztlich aus eigener Kraft, so wie sie es völlig überraschend auch schaffte, die Aufnahmeprüfung für die Uni zu bestehen. Und genau darum geht es in diesem Film: Mit ganzer Kraft nach etwas zu streben, etwas erreichen zu wollen nach dem man sich sehnt; bereit zu sein, dafür alles aufzugeben und komplett loszulassen. Was könnte das sein? Die Liebe natürlich!

Das Ende des Films kommt zwar abrupt, aber genau zu dem Zeitpunkt, als Uzuki am Ziel ihrer Träume ist. Insofern passt es irgendwie, alles ist stimmig, rund. Das ist überhaupt das, was mich an diesem  unspektakulären, unaufdringlichen Film am meisten beeindruckt: Wie alles passt. Der Soundtrack mit seiner einfachen Klaviermusik, die melancholische Stimmung der meist in hellen Tönen gehaltenen Bilder, der langsame Rhythmus. In diesen Film kann man eintauchen wie in ein warmes Entspannungsbad und sich sicher sein, dass man sich hinterher gut fühlt.