Archive for the ‘Jidaigeki Filme’ Category

Original: Rurōni Kenshin: Meiji kenkaku roman tan (2012) von Keishi Ohtomo

In den Kämpfen zwischen Gegnern und Anhängern des Kaisers im Jahre 1868 gelangt ein junger Assassine wegen seiner fast übermenschlichen Schnelligkeit und einer Spezialtechnik im gleichzeitigen Kampf gegen mehrere Gegner unter dem Namen Battosai zu Berühmtheit. Doch er findet sich auf der Seite der Verlierer und schwört angesichts des Blutvergießens, sein Schwert nie wieder einzusetzen um andere zu töten.

Zehn Jahre später zieht er als Ronin unter dem Namen Kenshin Himura (Takeru Sato) durch die Lande und begegnet der jungen Kaoru (Emi Takei), die den Ruf der Kampfschule ihres Vaters bewahren will. Denn unter deren Namen begeht ein Mann, der sich Battosai nennt, eine Serie blutiger Morde. Als auch noch die Medizinerin Megumi (Yu Aoi) sich vor dem Opiumhändler und seiner Gang, für die sie Drogen entwickeln soll, in Kaorus Schule flüchtet, wird es für Kenshin immer schwerer, seinen Schwur einzuhalten.

Als Abschluss des JFFH2013 lieferte Samurai X nochmal solide Unterhaltung. Handwerklich ist der Film sehr gut gemacht, die Kämpfe sind rasant geschnitten, gut choreografiert und absolut auf der Höhe der Zeit. Was jedoch auffällt im Unterschied zu Hollywood-Blockbustern ist das Fehlen des seit dem Erfolg der Bourne-Trilogie zu beachtenden Realismus-Trends, und das obwohl der Film sich klar in der historischen Realität verortet. Ganz im Gegenteil sind Charaktere und teilweise auch Handlung stark überzeichnet, was den Ursprung in einer Manga-Serie eindeutig erkennen lässt.

Mit den manga-esken Charakteren geht leider auch einher, dass diese doch sehr schablonenhaft sind und ihnen teils jegliche nachvollziehbare Motivation fehlt. Überrascht hat mich in dieser Hinsicht lediglich die von Yu Aoi gespielte Megumi, die zwar auch einige Inkonsistenzen aufweist, die aber zumindest undurchsichtig und unberechenbar ist. Fast etwas nervig fand ich – vor allem im ziemlich konstruierten Finale – den ständigen Verweis auf Kenshins friedliebende, Gewalt ablehnende Lebenseinstellung.

In Japan war diese Adaption des Mangas von Nobuhiro Watsuki letztes Jahr einer der erfolgreichsten heimischen Filme. Auch auf dem JFFH herrschte großer Andrang und als Popcorn-Unterhaltung ist der Film ganz gut anzusehen und macht durchaus Spaß, vor allem weil er sich selbst nicht so bierernst nimmt. Unter dem Strich kann er mich aber nicht wirklich überzeugen: Er ist zu vorhersehbar als dass wirklich Spannung aufkommen könnte, die Charaktere sind wenig interessant und sooo bombastisch sind die Kämpfe dann doch nicht, dass sie den Film allein tragen könnten.

Original: Zoku Sugata Sanshiro (1945) von Akira Kurosawa

Fünf Jahre sind vergangen, in denen nicht nur Sanshiro (Susumu Fujita) zu einem der bekanntesten Judo-Kämpfer Japans wurde, sondern die auch die Ablösung von Jujitsu durch Judo als führenden Kampfsport gesehen haben. Als Sanshiro einen Rikscha-Jungen vor einem aggressiven, prügelnden amerikanischen Matrosen beschützt, wird er von dem Jungen erkannt und um Aufnahme in die Judo-Schule gebeten. Doch der Vorfall hat auch die Aufmerksamkeit eines Boxers erregt, der nun gegen Sanshiro antreten will. Als Sanshiro, angewidert von der tierischen Aggressivität des westlichen Sports und seines Publikums, dies ablehnt, hält an seiner Stelle ein heruntergekommener Jujitsu-Kämpfer den Kopf hin und wird übel aufgemischt.

So ist es nun an Sanshiro, die Ehre der japanischen Kampfkunst – und damit die Ehre Japans – wiederherzustellen und den Amerikaner in einem weiteren Kampf zu besiegen. Doch eine viel gefährlichere Auseinandersetzung bahnt sich an, weil Sanshiro von seiner Vergangenheit eingeholt wird: Die Brüder seines Opponenten aus dem ersten Film sind auf Rache aus und fordern Sanshiro zum Duell.

Sanshiro Sugata Pt2 Screenshot 1

Oberflächlich betrachtet knüpft Kurosawa mit der Fortsetzung unmittelbar an seinen überaus erfolgreichen Debutfilm an, es finden sich in Sanshiro Sugata II zahlreiche visuelle Anspielungen und Parallelen zum Vorgänger. Gleich zu Beginn etwa die Szene, in der sich Sanshiro des prügelnden Matrosen entledigt, indem er ihn ins Hafenbecken befördert, fast eine Kopie der ersten Begegnung Sanshiros mit Meister Yano im ersten Teil. Nur dass nun Sanshiro an die Stelle des Meisters getreten ist, ein häufiges Motiv bei Kurosawa. Auch der finale Endkampf erinnert in seiner Inszenierung stark an den im ersten Teil.

Bei den visuellen Parallelen bleibt es dann aber auch, denn Kurosawa hat diesen Film offensichtlich mit wenig Begeisterung und Herzblut gedreht, war er doch eine reine Auftragsarbeit, die auch der Kriegspropaganda des in den letzten Zügen liegenden Militärregimes dienen sollte. Und das fällt gerade in den Szenen wie oben auf, die den Vergleich mit dem Original haushoch verlieren, uninspiriert und wenig dynamisch daherkommen.

Sanshiro Sugata Pt2 Screenshot 2

Der Film hat jedoch auch einige starke Momente – er ist immerhin ein Kurosawa – zu denen vor allem die Boxszenen gehören. Hier scheint Kurosawa tatsächlich Spaß und Ehrgeiz gehabt zu haben: Dynamik, schnelle Schnitte, unkonventionelle Perspektiven und am Ende, als Sanshiros Gegner besiegt zu Boden stürzt und das Publikum ungläubig erstarrt, sogar einige an Eisenstein gemahnende Standbilder. Hier gelingt es Kurosawa nochmals an die besten Momente aus dem Original anzuknüpfen.

Zugleich sind dies allerdings auch die Szenen, in denen der propagandistische Charakter des Films am stärksten hervortritt. Die Konfrontation des aufrechten, edlen Kämpfers Sanshiro mit dem blutrünstigen, wilden Amerikaner ist von Klischees geprägt, die Figuren werden zu grotesken Karikaturen verzerrt. Beispielhaft dafür kann der japanische Übersetzer stehen, der Sanshiro zu dem Kampf überredet. In seiner westlichen Kleidung und mit seinem eitlen, überdrehten Gehabe wird dieser zur reinen Witzfigur – die ideologische Botschaft an das Publikum könnte kaum platter sein.

Sanshiro Sugata Pt2 Screenshot 4

Unter dieser propagandistischen Simplifizierung leiden natürlich die Charaktere ganz massiv, eine Entwicklung findet nicht statt. Sanshiro ist in seiner naiven Gutmütigkeit und Loyalität erstarrt, mit der er Messias-ähnlich die bösen amerikanischen Eindringlinge auf ihren Platz verweist und seine japanischen Kontrahenten auf den Pfad der Tugend zurückführt.

Das Fehlen der sonst für Kurosawa so wichtigen konfliktbehafteten, mit sich selbst ringenden Heldenfigur und die für seine Werke höchst untypische, an simplen „gut und böse“-Schemata orientierte Anlage der Charaktere, sind bei all den anderen Schwächen von Sanshiro Sugata II das eindeutigste Zeichen für das mangelnde Interesse Kurosawas an dem Projekt. Was aber auch einen interessanten Einblick in seine Arbeits- und Denkweise zulässt, ist, dass er trotzdem großen Wert auf eine perfekte Inszenierung legte und seine Darsteller für das finale Duell tatsächlich barfuß auf einem eingeschneiten Berg kämpfen ließ, was ihm sein Hauptdarsteller Susumu Fujita bei jeder späteren Begegnung der beiden wieder aufs Brot schmierte.

Sanshiro Sugata Pt2 Screenshot 3

In seiner Biographie spricht Kurosawa davon, dass er sich zwingen musste, diesen Film überhaupt zu machen, der rein kommerziell durch den großen Erfolg des Vorgängers motiviert war. Nicht verwunderlich, bedenkt man noch die anti-amerikanischen Anforderungen der Kriegspropaganda. Verglichen mit anderen propagandistischen Machwerken jener Zeit ist Sanshiro Sugata II zwar immer noch ein ordentlicher Film, aber angesichts von Kurosawas Fähigkeiten so schlecht, dass es schwer fällt, hier überhaupt von einem richtigen Kurosawa zu sprechen.

Original: Mibu gishi den (2003) von Yojirō Takita

Nach der erzwungenen Öffnung Japans durch die Amerikaner wankt das ohnehin geschwächte Shogunat unter dem Druck der kaisertreuen und ausländerfeindlichen Sonno-joi Bewegung. Um der bürgerkriegsähnlichen Situation Herr zu werden, gründet der Shogun die Shinsengumi-Miliz. Dieser Miliz schließt sich auch der Samurai Yoshimura (Kiichi Nakai) an, wobei es ihm allerdings weniger um den Machterhalt des Shogun geht. Vielmehr ist Yoshimura auf den Sold angewiesen, den er zu seiner verarmten Familie nach Hause schickt und so bei seinen Kampfgefährten schnell einen Ruf als knauseriger, aber sympathischer Querkopf hat.

Der Film erzählt in einer verschachtelten Struktur aus Rückblicken die finale Phase bis zum Untergang der Shinsengumi aus Yoshimuras Perspektive. Wir sehen, wie sich die Spaltung des Landes in Anhänger des Shoguns auf der einen Seite und Befürworter des Kaisers auf der anderen auch auf die Shinsengumi überträgt und Misstrauen und Verrat Einzug halten. Und wie ihre letzten verbliebenen, aufrechten Kämpfer schließlich den hochgerüsteten Truppen des Kaisers entgegen treten.

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Dieser Teil des Films, der in der Person des „family guy“ Yoshimura einen sehr menschlichen Zugang zu den historischen Ereignissen bietet und damit stark an Yoji Yamadas Twilight Samurai erinnert, funktioniert wirklich gut und ist interessant und unterhaltsam anzusehen. Aus mir nicht nachvollziehbaren Gründen haben die Macher dann aber versucht, die zu Beginn eigentlich fast etwas lächerliche Figur des Yoshimura zu einem von Familie und Freunden beinahe religiös verehrten Helden zu stilisieren, was den Film völlig aus dem Gleichgewicht bringt.

Die Probleme beginnen, als Yoshimura ein Angebot ausschlägt, ins Lager des Kaisers zu wechseln und so seinen Sold zu verdoppeln. Seine gesamte Loyalität und Motivation galt bisher dem Überleben seiner Familie, der zuliebe er sogar seinen Clan verließ und den Shinsengumi beitrat. Nun bekommt dieser definierende Zug seines Charakters Risse. Er, dessen einziger Antrieb es immer war, am Leben zu bleiben um das Überleben seiner über alles geliebten Frau und Kinder zu sichern, soll plötzlich die Loyalität zum Shogun über seine Familie stellen? Dieser Wandel führt zwar in die angesprochene semi-religiöse Verehrung, lässt seinen Charakter aber sehr unglaubwürdig erscheinen.

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Völlig aus den Fugen gerät der Film nach dem aussichtslosen Angriff auf die kaiserlichen Truppen – eigentlich dem natürlichen Filmende. Doch es folgen noch gute 30 Minuten, in denen zunächst Yoshimura in einer nicht enden wollenden Sterbeszene Abschied vom Leben nimmt, er dann von Freunden und Familie betrauert wird und schließlich auch noch sein Sohn in den aussichtslosen Kampf zieht. Der Regisseur türmt hier einen Berg an Sentimentalität auf und drückt derart auf die Tränendrüse, dass es wirklich jenseits von gut und böse ist – und leider den ansonsten ordentlichen Film ruiniert. Hier hätte der beherzte Griff zur Schneidemaschine Not getan.

Wer sich für Schwertkampffilme interessiert und kein Problem mit dem komplexen historischen Hintergrund hat, wird hier sicherlich auf seine Kosten kommen. Der Film ist handwerklich gut gemacht und die schauspielerischen Leistungen sind aller Ehren wert – mit Miki Nakatani als lebensfroher Geliebter einer der Shinsengumi-Anführer als Highlight. Ich würde allerdings dringend empfehlen, den DVD-Player abzuschalten, sobald der Screenshot oben erreicht ist, und sich den quälenden Rest zu ersparen.

Nachtasyl

Original: Donzoko (1957) von Akira Kurosawa

In einem Armenviertel von Edo findet unter dem Dach der tyrannischen Vermieterin Osugi (Isuzu Yamada) eine Mischung aus Träumern und Zynikern zusammen: Ein ehemaliger Schauspieler, der sich dank exzessiven Alkoholkonsums kaum noch an sein früheres Leben erinnern kann. Ein misanthropischer Handwerker, der mit dem ständigen Geklapper seiner Werkzeuge die andren nervt und der nur auf den Tod seiner Frau wartet. Ein ehemaliger Lehrer, der die anderen beim Kartenspiel ausnimmt. Eine Prostituierte, die ihrer großen Jugendliebe nachtrauert.

Sie alle sind hoffnungslose Fälle, die allein Alkohol, Zynismus und Träumereien am Leben halten. Einzig der Dieb Sutekichi (Toshiro Mifune) hat noch einen Funken Energie in sich, aber auch Ärger mit Osugi, mit der er ein Verhältnis hatte. Inzwischen will er aber nichts mehr von ihr wissen, denn er hat sich in ihre jüngere Schwester Okayo (Kyoko Kagawa) verliebt. Auch ein gutmütiger Pilger (Bokuzen Hidari) auf der Durchreise kann mit seinen süßen Lügen das Leid und die Verzweiflung nur punktuell lindern. Seine gutgemeinten Apelle an Sutekichi, sich ein Herz zu fassen und zusammen mit Okayo durchzubrennen, wirken letztlich wie Brandbeschleuniger und führen direkt in die Katastrophe.

Nachtasyl Screenshot 1

Wieder mal machte sich Kurosawa an die Verfilmung einer literarischen Vorlage, nämlich des Theaterstücks Na dne von Maxim Gorki. Er folgte der Vorlage dabei sehr getreu und übernahm alle wichtigen Charaktere und Handlungsstränge. Auch das Setting hat viel von einem Bühnenstück, denn fast der gesamte Film spielt im Wohn- und Schlafraum des Asyls.

Was ziemlich schnell auffällt sind die immer wieder eingestreuten witzigen, fast albernen Szenen, mit denen Kurosawa die düstere, drückende Stimmung auflockert. Das können mal Lieder und Tänze sein, oder Scherze auf Kosten der Vermieter. Besonders Bokuzen Hidari trägt in der Rolle des gutmütigen Pilgers dazu bei, Gorkis niederschmetterndes Drama in eine Tragikomödie zu verwandeln: Mit spitzer Zunge spricht er sowohl schmerzhafte Wahrheiten wie aufmunternde Lügen aus und verkörpert die einzige Stimme der Vernunft und Menschlichkeit im Chaos von Verzweiflung, Trauer, Neid und Hass. Diese herausragende Charakterisierung dürfte zu den absoluten Höhepunkten in der mehr als 100 Filme umfassenden Karriere Hidaris gehören.

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Doch nicht nur Hidari brilliert in seiner Rolle. Isuzu Yamada gibt mal wieder eine herrlich biestig-tyrannische Femme fatale und auch die kleineren Rollen sind exzellent besetzt, wie beispielsweise der sonst eher in unbedeutenden Nebenrollen auftauchende Koji Mitsui als zynischer Lehrer, bei dessen Sprüchen es einem schon mal kalt den Rücken runterlaufen kann. Die gesamte Riege liefert in Nachtasyl eine fantastische Ensemble-Leistung ab, ohne die dieser kammerspielartige Film niemals funktionieren könnte.

Aber nicht nur die Schauspieler tragen den Film, Kurosawa holt mit ständigen Perspektivwechseln, multiplen Kameras und visuellen Ebenen unglaublich viel aus dem beschränkten Raum heraus. Zudem verfügt Nachtasyl über exzellenten Rhythmus und Timing: Die im Zentrum des Films stehenden Konflikte um das Trio Sutekichi-Osugi-Okayo sind eng verwoben mit den Ereignissen um die Nebencharaktere, immer wieder wird unsere Aufmerksamkeit vom einen zum anderen geleitet. Zusammen mit den oft durch den Pilger angestoßenen Stimmungswechseln lässt dies den Film deutlich kürzer als seine 130 Minuten erscheinen.

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Religion, Liebe, Gewalt, Alkohol, Träumereien – nichts kann die Bewohner des Asyls aus der Sinnlosigkeit ihrer verpfuschten Leben herausreißen. Vielmehr führt jeder Versuch, aus ihrem Elend auszubrechen, zu einer weiteren Verschlechterung der Situation. Am erschreckendsten ist jedoch, dass die Ausweglosigkeit zu keiner wirklichen Verbrüderung unter den Bewohnern führt. Vielmehr scheint jeder die jeweils anderen auszunutzen, zu belauern und jeden Ausbruchversuch argwöhnisch zu beobachten, aus Angst, allein zurückzubleiben. So ist es eigentlich nur logisch, dass am Ende der Selbstmord als einziger Ausweg bleibt, und selbst dieser von den Lebenden noch zynisch kommentiert wird.

Mir fiel der Zugang zu diesem Film wahrlich nicht leicht, wir haben es hier mit ganz schön starkem Tobak zu tun. Die bedrückenden Schicksale der Protagonisten, das Elend und die Ausweglosigkeit ihrer Situation und der allgegenwärtige, beißende Zynismus drücken ganz schön auf die Stimmung und müssen in ihrer massiven Negativität erst einmal verdaut werden. Aber mit jeder weiteren Sichtung stieg mein Respekt und meine Wertschätzung des Films. Nachtasyl ist einfach eines jener Werke, die man sich langsam erarbeiten muss, die dann aber einen umso tieferen Eindruck hinterlassen.

Original: Yojimbo (1961), von Akira Kurosawa

Im Japan des Jahres 1860 kommt ein Ronin (Toshiro Mifune), der sich selbst nur Sanjuro nennt, in eine Stadt, in der sich die rivalisierende Banden eines Bordellbesitzers und eines Wirts um die Vorherrschaft streiten. Er beginnt, die beiden Banden gegeneinander auszuspielen, in der Hoffnung, dass sie sich gegenseitig auslöschen. Dazu bietet er sich mal dem einen, mal dem anderen als Leibwächter (japanisch: Yojimbo) an und befeuert auf jede nur mögliche Art die Rivalität zwischen den beiden.

In die Quere kommt ihm bei seinen Plänen Unosuke (Tatsuya Nakadai), der misstrauische und verschlagene jüngere Bruder des Wirts, der obendrein auch noch mit der überlegenen Kampfkraft einer Pistole ausgestattet ist. Er ist ein ebenbürtiger Gegner für Sanjuro, durchschaut dessen Streiche und überwältigt ihn. Auch wenn er und seine Sippe schon wie die sicheren Sieger aussehen, Sanjuro gibt sich noch nicht geschlagen.

Yojimbo Screenshot 01

Yojimbo enthält viele Elemente des klassischen Westerns, sowohl inhaltlich als auch stilistisch. Kurosawa reichert diese noch mit einem großen Maß an Grausamkeit und moralisch zwiespältigen Gestalten an, allen voran der Yojimbo selbst, sowie einem ständig ins Groteske abdriftenden schwarzen Humor. Diese Mischung machte den Film nicht nur sehr erfolgreich, er leitete damit auch eine grundlegende Wandlung des traditionellen Jidaigeki-Genres ein, das sich seit Ende der 1950er Jahre in einer tiefen Krise befand.

Die offene Darstellung von Gewalt, abgehackten Gliedmaßen und Blutlachen in Yojimbo und der inoffiziellen Fortsetzung Sanjuro zwei Jahre später ließen die traditionellen tanzartigen Chanbara-Schwertkämpfe sehr alt aussehen. So wurden diese innerhalb kürzester Zeit durch die Gemetzel ersetzt, die man heute mit den trashigen Martial-Arts-Filmen in Verbindung bringt. Kurosawa selbst bedauerte diese, durch seine Filme maßgeblich mit angestoßene Entwicklung später ausdrücklich.

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Doch Kurosawa wurde nicht nur durch den amerikanischen Western inspiriert, sein Film wurde schnell selbst zu einer zentralen Inspirationsquelle für Hollywood und erlangte große Bedeutung. Die karikierende, überzogene Darstellung der Charaktere und die Demontage des Helden fanden schon kurz darauf Eingang in das im Entstehen begriffene Genre der Italo-Western. Sergio Leone griff für sein Remake Für eine Handvoll Dollar den allgegenwärtigen Zynismus, die Gewalt und den undurchsichtigen Rächer auf und stellte damit den US-Western auf den Kopf.

Eigentlich handelte es sich dabei allerdings weniger um ein Remake als ein Plagiat, da die italienische Produktionsfirma weder von Toho noch von Kurosawa die Rechte dazu erhalten hatte. Szenen wie der obige Screenshot mit mehreren verschachtelten Bildebenen, von denen eine visuell dominiert und die anderen in den Hintergrund drängt, gehörten später zu den Markenzeichen Leones. Nach langjährigem Rechtsstreit (der unter anderem dazu führte, dass Für eine Handvoll Dollar erst mit mehrjähriger Verspätung in die US-Kinos kam) wurde Kurosawa schließlich eine Beteiligung am Einspielergebnis zugesprochen. Kurosawa selbst wiederum soll durch den Roman „Red Harvest“ von Dashiell Hammett zu seinem Film inspiriert worden sein, was er selbst jedoch in Interviews bestritt.

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Auffallend ist besonders Kurosawas Umgang mit seiner Heldenfigur. Bereits in der Eingangssequenz wird der Mythos des aufrechten Helden im wahrsten Sinne des Wortes angekratzt: Die Kamera zeigt in Großaufnahme den Rücken des ziellos durch die Lande ziehenden und sich – vermutlich wegen Flöhen – immerzu kratzenden Sanjuro. Im Verlauf der Handlung werden dann die guten Seiten des Ronin wie Großzügigkeit, Hilfsbereitschaft, Gerechtigkeitsempfinden immer wieder mit seinen negativen (Zynismus, Gewaltbereitschaft) kontrastiert.

So massakriert er mal eben ein paar Menschen, um die Banden gegeneinander aufzuhetzen, und lehnt sich dann vergnügt zurück um mit großem Spaß die Kämpfe der Banditen untereinander zu verfolgen. In diesen Szenen erinnert er an einen kleinen Jungen, der einem hilflosen Insekt die Flügel ausreißt: Man ist angewidert, aber zugleich kann man dem Rabauken nicht böse sein und ist irgendwie auch von der naiven Blutrünstigkeit fasziniert. Damit stellt er den idealen „Helden“ für eine aus den Fugen geratene Welt dar, in der der Mensch zum Tier wird. Für diese Weltsicht steht besonders auch eine Szene, in der Sanjuro am Anfang des Films aus dem Dorf ein Hund entgegen kommt, eine abgehackte menschliche Hand im Maul. Zusammen mit der begleitenden Musik stellt diese Szene einen Höhepunkt des Grotesken dar und gilt bis heute als eine der Ikonen in Kurosawas Werk.

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Überhaupt ist Yojimbo schon fast so etwas wie ein destilliertes Extrakt aus Kurosawas Werk, mit allem was typischerweise dazu gehört, und davon reichlich. Zum einen ließ er hier erstmals Mifune und Nakadai aufeinander treffen, deren Duell die zweite Hälfte des Films bestimmt und die danach noch in Sanjuro und Zwischen Himmel und Hölle gemeinsam für Kurosawa vor der Kamera standen – und die jeweils stellvertretend für Kurosawas Frühwerk (Mifune) bzw. Spätwerk (Nakadai) stehen.

Zum anderen enthält der Film so ziemlich alle typischen Stilelemente des Regisseurs, seien es die stimmungsprägenden Wetterphänomene, die den Raum komprimierenden Aufnahmen mit extrem langen Brennweiten oder die besonders in den Innenszenen ständig wiederkehrende Strukturierung des Raums. Nur wenige seiner Filme warten mit einer vergleichbaren Dosis und Bandbreite auf, weshalb Yojimbo in meinen Augen zusammen mit Rashomon der Vorzeige-Kurosawa schlechthin ist.

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Klassische Westernelemente und innovative Ansätze; eine geradezu archetypische Story mit einem Duell zweier ungleicher und doch wesensverwandter Männer; ein undurchsichtiger, widersprüchlicher Anti-Held; fantastische Bildkompositionen und ein kongenialer Soundtrack –  Yojimbo ist ohne Zweifel und völlig zu Recht eines der bekanntesten und einflussreichsten Werke Kurosawas. Wer diesen herausragenden Film noch nicht gesehen hat, sollte dies schnellstens nachholen!

[Hinweis: Dies ist die stark erweiterte und überarbeitete Fassung eines ursprünglich am 23. September 2006 veröffentlichten Posts.]

13 Assassins

Original: Jūsan nin no shikaku (2010) von Takashi Miike

Wir schreiben das Jahr 1844, als das Oberhaupt einer anerkannten Samuraifamilie rituellen Selbstmord begeht. Er hinterlässt eine Schrift, in der er Fürst Naritsugu (Goro Inagaki), Halbbruder des Shoguns, grausamer Verbrechen anklagt. Dies ist nicht der einzige Skandal, für den Naritsugu verantwortlich ist, doch eine Bestrafung des Fürsten wäre ein nicht akzeptabler Gesichtsverlust für den Shogun. So erhält Shinzaemon Shimada (Koji Yakusho) den Auftrag, eine schlagkräftige Truppe von Samurai um sich zu versammeln und den Fürsten auf der Rückreise von Edo zu ermorden.

13 Assassins Screenshot 1

Wer sich nur ein ganz winzig kleines bisschen mit Jidaigeki auskennt, wird in diesem Film an allen Ecken und Enden Zitate und Hommagen finden. Am auffallendsten sind natürlich die Parallelen zu Die Sieben Samurai: Die Rekrutierung der Kämpfer für Recht und Ordnung; der Ausbau des Dorfes zur Festung, die für Naritsugu und seinen Tross zum Grab werden soll; die Begegnung mit dem draufgängerischen Jäger Koyata, der sich den Samurai anschließt; und natürlich die nicht enden wollende Schlacht am Ende des Films.

Aber hier wurde nicht nur abgeguckt, an vielen Stellen hatte ich den Eindruck dass Miike ganz gezielt dem großen, unerreichten Meisterwerk Kurosawas seine Ehre erweist. So finden sich in 13 Assassins gleich mehrere Szenen, in denen Shimada seinen Samurai (und damit auch uns Zuschauern) anhand einer Karte seine Pläne erläutert oder mit der Karte in der Hand die Arbeiten im Dorf dirigiert, genau wie dereinst Kanbei. Und was passiert in genau dem Moment, als die Samurai zu dem Dorf aufbrechen? Es beginnt zu regnen.

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Darüber hinaus finden sich auch deutliche Parallelen zu Filmen Masaki Kobayashis, allen voran Samurai Rebellion und Harakiri. Nicht nur, dass sich Miike bei der visuellen Gestaltung seines Films an einigen Stellen offenbar von deren strenger Bildsprache inspirieren ließ. Auch die Thematisierung unmenschlicher Machtstrukturen, die es selbstgerechten und selbstverliebten Herrschern erlauben, auf dem Rücken der Menschen jede Laune auszuleben und unendliches Leid zu verursachen ohne dafür zur Rechenschaft gezogen zu werden, stammt ganz offensichtlich aus diesen Filmen und der Atmosphäre der rebellischen 60er Jahre.

Auch hier knüpft 13 Assassins an die Vorbilder an, indem der bis zur Karikatur des grausamen Despoten überzeichnete Fürst nicht die widerstreitenden Moralvorstellungen und Verpflichtungen der Samurai in den Hintergrund drängt. Vielmehr befeuert er den Konflikt, in dem sich sein General Hanbei  (Masachika Ichimura) wiederfindet. Als aufrechter, loyaler Samurai sowie alter Bekannter Shimadas fühlt sich Hanbei ganz den alten Traditionen und Werten von bedingungsloser Treue und Aufopferung gegenüber dem Fürsten verpflichtet, ist aber gleichzeitig entsetzt angesichts der Grausamkeit und der Verbrechen seines Herrn.

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So opfern die 13 Samurai ihr Leben nicht, um Rache zu nehmen oder um ihre Ehre oder die ihres Clans zu schützen, was letztlich selbstbezogenes Handeln wäre und der Bewahrung der bestehenden Traditionen und Strukturen entspräche. Vielmehr kämpfen sie, um großes Leid vom ganzen Land und allen Menschen abzuwenden und scheren sich dabei wenig um Konventionen.

Dafür steht vor allem der Ronin Hirayama, eine wahre Kampfmaschine, der seinen Schützlingen einbläut: „Wenn ihr kein Schwert habt, tötet mit einem Stein. Wenn ihr keinen Stein habt, tötet mit euren Händen“. Aber auch das finale Duell zwischen dem konservativen Hanbei, der seinen Fürsten bis zuletzt verteidigt, und Shimada macht deutlich, dass die 13 Samurai den Bruch mit den Traditionen und die bevorstehende Moderne repräsentieren. Kein Wunder, dass der Film am Ende auf den bevorstehenden Untergang des Shogunats verweist.

13 Assassins Screenshot 04

Diese Elemente prägen vor allem die erste Hälfte des Films, in denen die Machenschaften des Fürsten, die politischen Ränkespiele, die Rekrutierung der Samurai und die Vorbereitungen des Angriffs im Zentrum stehen. In der zweiten Hälfte geht es dann recht schnell zur Sache: Nachdem die Samurai im Dorf eintreffen beginnt eine Schlacht, wie es sie in einem japanischen Film wohl noch nie zu sehen gab. Allein die Länge von fast 45 Minuten ununterbrochener Kämpfe dürfte absoluter Rekord sein, dazu kommt ein großer Einfallsreichtum, der Sprengsätze ebenso einbezieht wie Stiere mit Brennsätzen auf dem Rücken.

Trotz der Länge zeichnet sich die Schlacht doch durch eine große Realitätsnähe aus. Damit hebt sich der Film wohltuend ab sowohl von den Gewaltexzessen, die Miike in der Vergangenheit schon abgeliefert hat, als auch von völlig überdrehten Stunts mit scheinbar schwerelos durch die Lüfte fliegenden Helden und aus dem Boden auftauchenden Ninjas. Dass ausgerechnet Miike einen solchen im besten Sinne klassischen Samuraifilm drehen und damit nahtlos an die Hochphase des Genres anknüpfen würde, das hat mich dann doch überrascht.

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13 Assassins ist einfach großartig anzusehen, ein geradezu monumentaler Film der so ziemlich alles enthält, was zum Genre gehört, und davon so viel wie nur möglich. Seine einzige Schwäche ist die mangelnde Identifikation mit den Samurai, weil uns Zuschauern einfach nicht genug Zeit bleibt, um zu mehr als vier oder fünf von Ihnen eine Bindung und Sympathie aufzubauen. Möglicherweise macht sich hier auch die um 15 Minuten gekürzte internationale Fassung bemerkbar, die ich gesehen habe. Angeblich fehlt in dieser nämlich eine längere Bordell-Szene, in der einige der Samurai vor dem Aufbruch in die Schlacht nochmal Dampf ablassen. Aber auch so ist Takashi Miike hier so ziemlich der beste Schwertkampffilm seit Jahrzehnten gelungen.

Originaltitel: Kakushi-toride no san akunin (1958), von Akira Kurosawa

Japan zur Zeit der Bürgerkriege: Die beiden Bauern Matakishi (Kamatari Fujiwara) und Tahei (Minoru Chiaki) haben sich in der Hoffnung auf schnellen Reichtum den Truppen angeschlossen, fanden sich aber auf der Verliererseite wieder. Doch als sie dem Gefangenenlager entkommen, entdecken sie Reste des Goldschatzes des besiegten Akizuki-Klans. Mit Hilfe dieses Schatzes wollen General Rokurota Makabe (Toshiro Mifune) und die überlebende Prinzessin Yuki (Misa Uehara) die Regentschaft ihres Klans wiederherstellen. Rokurota macht sich die beiden Bauern durch Zwang und die Förderung ihrer Gier als Lastträger zunutze, denn es gilt, erst das Feindesland unentdeckt zu durchqueren.

Doch die beiden Tolpatsche versuchen ständig, dem charismatischen General ein Schnippchen zu schlagen und bringen dadurch wiederholt die gesamte Gruppe in Gefahr, entdeckt zu werden. Nur durch Rokurotas Ideenreichtum, Wagemut und Kampfkraft, verbunden mit einer gehörigen Portion Glück, gelingt es der Gruppe, in diversen scheinbar ausweglosen Situationen doch noch ein Hintertürchen zu finden. Doch als sie kurz vor der Grenze zu einem befreundeten Fürstentum in Gefangenschaft geraten, scheint es keinen Ausweg mehr zu geben.

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Kurosawa erzählt die Geschichte vom entgegengesetzten Ende der sozialen Pyramide, womit er auch die Konventionen des Chanbara-Genres auf den Kopf stellt. Anstatt die Zuschauer in die Perspektive der Prinzessin oder eines aufrechtes Samurais zu versetzen, verfolgen wir die Geschehnisse aus der Perspektive der beiden Bauern, die sich ähnlich wie Laurel und Hardy permanent zanken und kabbeln, aber eigentlich dicke Freunde sind. Ständig jammernd, feige und auf ihren eigenen Vorteil bedacht stellen diese beiden so ziemlich das genaue Gegenteil des traditionellen Helden dar. Damit knüpft Kurosawa an seine  in Die Sieben Samurai begonnene Dekonstruktion des Samurai-Genres an und führt diese noch einen Schritt weiter.

Außerdem fügt er mit diesem Kniff der traditionellen Abenteuer- und Actiongeschichte auch Elemente einer Buddy-Komödie hinzu. Eine sehr moderne Mischung, die in den letzten Jahrzehnten in allen erdenklichen Kombinationen ausprobiert wurde und die hier sehr gut funktioniert, nicht zuletzt durch den Kontrast mit Mifunes General. Der liefert sich ein psychologisches Dauerduell mit den beiden, die er mit allerlei Kniffen kontrollieren muss, über die er gleichzeitig aber auch schmunzelt.

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Für Mifune ist der aufrechte, unbezwingbare Samurai-General eine Paraderolle. Wie eine Naturgewalt fegt er alles hinweg, was sich seinem Ziel, der Wiedereinsetzung der Prinzessin, entgegenstellt. Zugleich bringt er aber auch persönliche Opfer und liefert seine eigene Schwester als Doppelgängerin an die Gegner aus. Aber dieses Ziel hat er sich nicht selbst gesetzt, es wurde ihm durch seine sozialen Verpflichtungen, seine Loyalität gegenüber dem Haus Akizuki, auferlegt. Insofern unterscheidet sich Roturoka von anderen Helden Kurosawas, da er sich den sozialen Strukturen unterordnet.

Doch der Film erzählt auch die Geschichte einer willensstarken, aber verwöhnten und verzogenen jungen Prinzessin, die ihren General Rokurota auch mal vor ihren Beratern zusammenstaucht. Auf der gefahrvollen, heimlichen Reise durch das Feindesland macht sie ihre ersten Erfahrungen außerhalb des Hofes und lernt viel über die Menschen, das Leben und dessen Wert. Dieser unübersehbare charakterliche Reifeprozess ist es letztlich, der sie vor dem sicheren Tod rettet und es ihr erst ermöglicht, die Mission zu Ende zu führen und ihrem Haus wieder zu Ansehen zu verhelfen.

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Für Die verborgene Festung nutzte Kurosawa zum ersten Mal das Breitbild-Format und es zeigt sich, dass seine Ästhetik der langen Tele-Aufnahmen, der Einbeziehung grandioser Landschaften und seine Bildkomposition davon sehr profitierten. Schön zu sehen ist dies beispielsweise in den monumentalen Kampfszenen (die mit ihren Massenszenen auf der Treppe einer zerstörten Burg wie eine Hommage an Sergej Eisenstein wirken), bei Arrangements der Charaktere auf verschiedenen Bildebenen oder der Eröffnungssequenz mit den beiden sich in der Wüste zankenden Bauern.

Die Mischung aus Abenteuer, Action und den beiden tolpatschigen Streithähnen kam beim Publikum sehr gut an und wurde der kommerziell erfolgreichste Film Kurosawas. Aber Die verborgene Festung war auch darüber hinaus eines seiner einflussreichsten Werke: Die Geschichte war später maßgebliche Inspiration für Krieg der Sterne, Matakishi und Tahei wurden zu Vorbildern für R2D2 und C3PO und mehrere Szenen finden sich in George Lucas‘ Blockbuster wieder.

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Kurosawas Erwartung an sich selbst war es immer, mit einer unterhaltsamen aber zugleich tiefgründigen Geschichte Zuschauer mit den unterschiedlichsten Ansprüchen gleichermaßen in seinen Bann zu ziehen. Meiner Meinung nach ist ihm dies hier so gut gelungen wie in kaum einem anderen seiner Filme.

(Dies ist die überarbeitete und ergänzte Version eines Beitrags, den ich ursprünglich am 30. Oktober 2006 veröffentlicht habe.)

Original: Jōiuchi: Hairyō tsuma shimatsu (1967) von Masaki Kobayashi

Fünf Jahre nach dem grandiosen Harakiri wandte sich Regisseur Kobayashi wieder dem Chambara-Genre zu und machte direkt dort weiter, wo er aufgehört hatte: Wieder eine Geschichte aus der Tokugawa-Zeit, wieder ein Vater der von einem barbarischen System zum Einsatz von Gewalt getrieben wird, wieder spielt Architektur eine zentrale Rolle bei der Vermittlung der Botschafts des Films. Trotz all dieser Parallelen fügte Kobayashi doch ein zentrales, neues Element hinzu, das Samurai Rebellion eine ganz andere Note gibt als Harakiri: Eine starke Frau.

Screenshot Samurai Rebellion 1

1725, der Fürst Matsudaira verstößt seine Konkubine Ichi (Yoko Tsukasa), die ihm widerwillig einen Sohn geboren hatte, und zwingt sie in eine Ehe mit dem Samurai Yogoro (Go Kato). Dessen Vater Isaburo (Toshiro Mifune) ist zwar Aufseher der Wache und bester Schwertkämpfer des Clans, stand aber sein ganzes Leben unter der Fuchtel seiner Frau und hat nie aufgemuckt. Doch nun fürchtet er, dass seinem Sohn dasselbe Schicksal einer lieblosen Ehe droht und lehnt die Hochzeit ab. Unter dem Druck des Hofes ist es schließlich Yogoro, der in die Hochzeit einwilligt. Tatsächlich erweist sich Ichi als perfekte Ehefrau und zwischen den beiden erwächst eine innige Liebe. Überglücklich überlässt Isaburo die Führung der Familie Yogoro, um sich ganz seiner ersten Enkeltochter zu widmen.

Doch die Freude dauert nicht lange: Der erstgeborene Sohn des Fürsten stirbt, Ichis Sohn aus der Beziehung mit dem Fürsten ist plötzlich legitimer Nachfolger. Da die Mutter des Thronfolgers unmöglich mit einem normalen Samurai verheiratet sein kann, erfordert das Protokoll die Rückkehr Ichis an den Hof und ihre Scheidung von Yogoro. Die beiden weigern sich jedoch, ihr Glück wegen protokollarischer Erfordernisse und dem Dünkel des Fürsten aufzugeben und bekommen von Isaburo volle Rückendeckung. Als Yogoros eigener Bruder seine Schwägerin Ichi mit einem Trick an den Hof und damit in die Gefangenschaft lockt, greift Isaburo zu den Waffen.

Screenshot Samurai Rebellion 2

Ganz wie in Harakiri unterlegt Kobayashi die Opening Titles wieder mit beeindruckenden Ansichten großartiger Architektur, diesmal der Burg des Fürsten. Diese starren, symmetrischen und abweisenden Formen stehen bildhaft für die menschenverachtenden, absoluten Gehorsam einfordernden Machtstrukturen und die Logik des Protokolls, derer sich der Fürst nach Lust und Laune bedient: Zunächst, um die junge Ichi zu seiner Konkubine zu machen und sie dann wieder loszuwerden, als sie nach der Geburt seines Sohnes unbequem wird. Später, um sie als Mutter des Thronfolgers zurück an den Hof zu holen, damit er sein Gesicht wahren kann.

Bei all diesen Parallelen entsteht jedoch eine völlig andere Atmosphäre. Wo Harakiri über weite Strecken ein Duell zweier Männer ist, bei dem erst nach und nach die Grausamkeit des Systems ans Licht kommt und das fast überwiegend mit Worten und erst ganz am Ende mit dem Schwert geführt wird, ist in Samurai Rebellion schnell klar, dass hier drei aufrechte Menschen einen aussichtslosen Kampf gegen ein unmenschliches System führen. Diese Klarheit nutzt Kobayashi, um das traditionelle, tyrannische Wertesystem gnadenlos und bis ins Kleinste zu sezieren. So baut sich mit jedem neuen, skrupellosen Akt der Unterdrückung und der willenlosen, kriecherischen Zustimmung aus den Reihen der Verwandtschaft eine Welle der Empörung auf, die Isaburo schließlich stellvertretend für den Zuschauer in Aktion umwandelt.

Screenshot Samurai Rebellion 3

Dieses Finale hat wenig mit der recht kurzen Eruption der Gewalt am Ende von Harakiri gemein. Wie von Tatewaki (Tatsuya Nakadai), Isaburos einzig ebenbürtigem Gegner und guten Freund angekündigt, veranstaltet der Meisterschwertkämpfer Isaburo ein regelrechtes Massaker unter den Truppen des Fürsten. Über gut 20 Minuten zieht sich das Gemetzel hin, unterbrochen von der Begegnung und dem Duell mit Tatewaki, der aber erkennen muss, dass auch er machtlos ist gegen Isaburos gerechten Zorn.

Dieses Duell auf freiem Feld unter offenem Himmel greift die erste Szene des Films auf, in der die beiden im Auftrag des Fürsten ein Schwert an einer Strohpuppe testen: Ausdruck des Hochmuts und der Selbstüberschätzung der Beamten und ihres Machtapparats. Dieses Duell symbolisiert aber auch das Ausbrechen aus dem Machtgefüge, denn praktisch der gesamte Film zwischen diesen beiden Szenen am Anfang und ganz am Ende spielt in  einengenden, klar strukturierten Räumlichkeiten.

Screenshot Samurai Rebellion 4

Die Gespräche zwischen Vater und Sohn, zwischen Mann und Ehefrau sowie zwischen der Familie und den Abgesandten des Hofes werden in streng komponierten Einstellungen gezeigt, eingerahmt von Wänden  und Schiebetüren. Immer wieder ragen Balken ins Bild oder trennen die Menschen visuell. Der nach schlichten aber strengen geometrischen Prinzipien angelegte, das Haus umgebende Steingarten, verstärkt diesen Eindruck des Gefangenseins in Strukturen noch.

Eine eigentlich unscheinbare, aber sehr aufschlussreiche Szene voller Symbolkraft findet in diesem Steingarten statt: Ichi steht allein im Garten, während die Familie drinnen über den Umgang mit ihrer Weigerung, an den Hof zurückzukehren, debattiert. Dann tritt Isaburo zu ihr hinzu, doch er folgt nicht den vorgegebenen Wegen, er zerstört die mühsam aufgebaute Struktur des Gartens und läuft über den säuberlich hergerichteten Kies. Als Yogoro und Isaburo ihr Haus in Vorbereitung der Kämpfe schließlich in seine Einzelteile zerlegen, ist dies ein symbolischer Akt der Befreiung von den rigiden, ihnen aufgezwungenen Strukturen.

Screenshot Samurai Rebellion 5

In den anschließenden Kämpfen gegen immer größer werdende Scharen von Gegnern steigert sich Isaburos Wut und Siegeswille ins Übermenschliche, nicht einmal Gewehrkugeln scheinen ihn stoppen zu können. Kobayashi deutet in den letzten Minuten von Samurai Rebellion an, in welche Richtung sich Chambara in den folgenden Jahren entwickeln würde: Immer überdrehtere Gewaltexzesse, in denen comichaft verzerrte, unbesiegbare Helden die Grenzen der Realität hinter sich lassen.

Samurai Rebellion wird wohl für immer und ewig im Schatten des berühmteren Harakiri stehen, muss den Vergleich mit seinem Vorgänger aber keineswegs scheuen. Das zentrale Element des familiären Glücks sowie die gegenüber Harakiri weniger verschachtelte und damit leichter nachvollziehbare Struktur des Films machen ihn eingänglicher und für ein größeres Publikum interessant – weshalb ich ihn Einsteigern in die Materie sogar eher empfehlen würde. Jedenfalls wieder mal ganz ganz großes Kino von Masaki Kobayashi!