Original: Tsubaki Sanjuro (1962) von Akira Kurosawa

Zum zweiten Mal nach Sanshiro Sugata II versuchte sich Kurosawa an einer Fortsetzung. Diesmal ist es die Geschichte um Sanjuro, den namenlosen Ronin aus dem Vorjahresfilm Yojimbo, die in die zweite Runde geht, und der Kurosawa dabei einen ganz anderen Touch mitgibt als dem Vorgänger.

Wieder gerät Sanjuro (Toshiro Mifune) zwischen die Fronten zweier sich bekämpfender Gruppen in einer Stadt, doch diesmal sind seine Sympathien klar verteilt: Er schließt sich einer kleinen Gruppe junger Samurai an, um die kriminellen Machenschaften des Hofaufsehers Kikui (Masao Shimizu) und dessen rechter Hand Muroto (Tatsuya Nakadai) aufzudecken und um die Samurai vor sich selbst, ihrem Leichtsinn und ihrer Dummheit zu bewahren.

Neben der actionreichen und mit einer ordentlichen Portion – häufig aus der Dummheit der Samurai resultierenden – Komik gewürtzten Handlung gewinnt zunehmend das Verhältnis zwischen Sanjuro und Muroto an Bedeutung. Als Sanjuro in bewährter Manier dem gegnerischen Lager seine Dienste anbietet, zeigt Muroto sich von Sanjuros Kampfkünsten und seiner Intelligenz beeindruckt und fasst schnell Vertrauen zu dem Ronin, in dem er einen Artverwandten erkennt. Umso härter trifft ihn dann Sanjuros Verrat, der im dramatischen Showdown des Films nur mit Blut gesühnt werden kann.

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Die Konfrontation dieser beiden Charaktere ist es dann auch, die den Film letztlich interessant macht und Sanjuros Figur am Ende eine Tiefe gibt, die in der ersten Hälfte des Films fehlt. Denn im Gegensatz zu Yojimbo, als der gewissenlose Ronin sich auf zynische Art und Weise geradezu an den sich gegenseitig massakrierenden Banditen ergötzte, und sein gutes Herz nur in wenigen Szenen vage angedeutet wurde, wandelt er sich in Sanjuro regelrecht zum Gutmenschen. Lediglich seine grantige, ungehobelte Art lässt hier noch den Charakter aus Yojimbo erahnen.

Die düsteren Aspekte Sanjuros kommen dann gegen Ende des Films zum Vorschein. Wenn seine Gegner wie die Fliegen fallen, er sich Murotos Vertrauen erschleicht, dieses Vertrauen ausnutzt und ihn hintergeht, neigen sich die Sympathien fast ein wenig dem Schurken zu. Besonders das von dem in seinem Stolz getroffenen Muroto ersehnte Duell, das Sanjuro in Sekundenbruchteilen mit einem wahren Blutbad für sich entscheidet, zeigt dessen monsterhafte Züge.

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Und so setzt Sanjuro die lange Reihe von Filmen fort, in denen Kurosawa auf die Relativität von Gut und Böse abhebt indem er zwei Kontrahenten in einen Konflikt steuern lässt, an dessen Ende die Unterschiede zwischen ihnen verschwimmen und die Gemeinsamkeiten betont werden. „Er war genau wie ich, ein nacktes Schwert, das nicht in seiner Scheide bleiben konnte.“ Diese letzten Worte Sanjuros über seinen besiegten Gegner könnten es klarer nicht ausdrücken.

Mit diesem bahnbrechenden, blutigen finalen Duell ließ Kurosawa nicht nur eine Vorahnung auf ähnlich drastische Kampfszenen in Rotbart und ganz besonders Ran zu, sondern revolutionierte nebenbei auch das Samurai-Genre. Das setzte von nun an nämlich verstärkt auf drastische Szenen voller Gewalt, und Blutfontänen wurden zu einem allgegenwärtigen Wesensmerkmal billig produzierter Schwertkampffilme.

Einen interessanten Aspekt hebt Donald Richie hervor, nämlich den himmelweiten Unterschied zwischen Sanjuro und Muroto auf der einen und den naiven Samurai auf der anderen. Kurosawa zeige uns mit diesem krassen Gegensatz den Unterschied zwischen dem, was es bedeutet, wirklich ein Krieger zu sein, und der idealisierten, klischeehaften Vorstellung des Samurai. Dass dabei die Ideale verspottet und die realen Krieger als blutrünstig, ungehobelt und zynisch dargestellt werden, und dies auch noch auf so erfolgreiche Art und Weise, sei ein Schlag ins Genick der klassischen Schwertkampffilme gewesen.

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So sehr er damit auch Recht haben mag, mich hat die einseitige Darstellung der Samurai, die Sanjuro nie für voll nimmt und wie kleine Kinder behandelt, doch etwas enttäuscht. Gleiches gilt für die – mit Ausnahme der Schlussphase des Films – fehlende Vielschichtigkeit und Undurchschaubarkeit Sanjuros, die diesen Charakter in Yojimbo noch so spannend und prickelnd gemacht hatte. Dafür bietet Sanjuro eine feine, offene Komik, die Kurosawa erst 30 Jahre später in Madadayo wiederfinden sollte.