29 Jan
Eine bitterböse Abrechnung mit aktuellen Tendenzen der Filmkritik hat neulich Thomas in sein Filmtagebuch gehackt. Abgesehen davon, dass darin sogenannte Filmkritiker, die letztlich nur weichgespülte PR für die gerade angesagten Blockbuster machen, in die Pfanne gehauen werden, finden sich auch wichtige Gedanken zur Bedeutung von Filmkritik:
Filmkritik kann vieles sein. Zuallererst eine Dokumentation von Erfahrung. Dann Speicher für Beobachtungen, Festhalten von Eindrücken und Auffälligkeiten. Nicht zuletzt wird der einzelne Film mit seinen ephemeren Qualitäten verankert in einem Netz aus Bedeutungen, Ansichten, Geschichten, Traditionen. Filmkritik ist Reden über einen Film – mit dem Vorteil einer dokumentierenden Speicherung der Auseinandersetzung.
Wo er Recht hat, hat er Recht! Reden über einen Film – am besten in vertrauter Runde – bringt immer noch die besten Gedanken hervor, hilft dabei, das Erlebnis Film zu verarbeiten und sich zu vergegenwärtigen, was der Film in einem selbst bewegt und ausgelöst hat.
Diese Chance bietet ein Stück weit auch eine Filmkritik, denn der Autor setzt sich natürlich mit einem Film, über den er schreibt, zwangsweise ganz anders auseinander. Was einer klassischen Filmkritik aber immer abgeht, ist das Einbeziehen und die Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Sichtweisen. Der Kritiker schreibt eben aus seiner Perspektive, und man kann sich dann seinen Teil dazu denken.
Das Großartige an Kritiken in Blogs ist dagegen, dass sich durch Kommentare das Reden über den Film gewissermaßen simulieren lässt. Das war eben auch die Hoffnung, die ich mit dem Bloggen hier verbunden habe: Diskutieren über die genialen – und natürlich auch weniger genialen – Filme, Eindrücke austauschen und Stimmen sammeln. Da mir natürlich bewusst ist, dass ich mir dafür eine ziemlich abstruse Nische ausgesucht habe, ist mir auch klar, dass ich einen langen Atem brauche. Aber ich bin zuversichtlich, denn da draußen gibt’s genug Verrückte wie mich. 😉
24 Jan
Eigentlich gebe ich ja nicht allzu viel auf die Oscars, die sind ja eher ein Marketinginstrument als eine wirkliche künstlerische Auszeichnung – Ausnahmen bestätigen die Regel. Allerdings wurde in die letzte Nacht bekannt gegebenen Nominierungen auch eine junge japanische Schauspielerin aufgenommen: Rinko Kikuchi als beste Nebendarstellerin in Babel.
Durchaus erwähnenswert wie ich finde und ein Grund mehr, mir auch mal wieder einen nicht-japanischen Film anzuschauen.
Der Japaner an sich liebt Listen und Klassifizierungen. Beides kombiniert und auf die Filmwelt angewendet, ergibt eben jene ewig lange, unglaublich ausdifferenzierten Listen von Genres, in die das japanische Kino unterteilt wurde (und zum Teil noch wird).
Da gibt es einerseits die temporale Klassifizierung in jidaigeki und gendaigeki, welche die Modernisierung Japans als Trennlinie heranzieht und bis heute Bestand hat. Dann gibt es Unterscheidungen nach dem sozialen Milieu, das im Film dargestellt und behandelt wird, etwa die shomingeki. Wenn wir noch weiter in die Tiefe gehen stoßen wir auf solche spaßig klingenden Genres wie den haha-mono und den tsuma-mono, Ehefrauen- und Tochterfilme, in denen die familiäre Stellung der Hauptcharaktere als das Definitionskriterium herangezogen wird.
Sehr viel bekannter ist dagegen die Gruppe der Pinku eiga, Filme die sich irgendwo zwischen Sexstreifen und anspruchsvollem Autorenkino tummeln und – wie könnte es anders sein – wieder in verschiedene Subgenres unterschieden werden.
Ich habe bisher davor zurückgescheut, mich weiter in diese Untiefen des japanischen Films vorzuwagen. Ich selbst bin nämlich kein großer Freund solcher Kategorieschemata, ich sehe so etwas eher als einengend. Andererseits kann man es sich in einem solchen Genreraster natürlich sehr bequem einrichten und auch ganz toll über die Stränge schlagen und ein Genre mal im Vorbeigehen neu definieren, wie es Akira Kurosawa mit Yojimbo getan hat.
Ich werde die Herausforderung also annehmen und mich mit dem Medusenhaupt der japanischen Film-Genres etwas näher beschäftigen. Meine Erfahrungen mit diesem Labyrinth sind dann hier zu verfolgen.
Das Jahr 2006 liegt hinter uns, jetzt wird abgerechnet. Eine erste Aufstellung der erfolgreichsten Filme des letzten Jahres an den japanischen Kinokassen zeigt, dass sich die US-Blockbuster tatsächlich den einheimischen Produktionen geschlagen geben mussten, aber die endgültigen Zahlen fehlen noch die einen Marktanteil von 53% erreichten.
Top 10 Hollywood-Filme:
Diese zehn Filme spielten insgesamt 57,22 Mrd. Yen (370 Mio. Euro) ein. Auffallend dabei das starke Gefälle: Die beiden erfolgreichsten Filme spielten mehr als viermal soviel ein wie die Nummern 9 und 10. Meine Vermutung: Harry Potter und Pirates of the Caribbean haben überdurchschnittlich von der Bekanntheit der jeweiligen Serien profitiert und dadurch die Statistik verzerrt.
Top 10 Japanische Filme:
Die in 2006 erfolgreichsten japanischen Filme spielten 49,53 Mrd. Yen (321 Mio. Euro) ein, und lagen damit fast gleichauf mit ihren Konkurrenten aus Übersee. Dabei war der Erfolg zwischen den Top 10-Filmen sehr viel gleichmäßiger verteilt: Die beiden erfolgreichsten Filme spielten jeweils nur gut doppelt so viel ein wie Nada Soso und Meitantei Konan, ganz im Gegensatz zu 2005, als Hayao Miyazakis Überflieger Das wandelnde Schloß an den Kinokassen dominierte. Mit Tales from Earthsea liegt zwar wieder eine Anime eines Miyazaki vorn, diesmal ist es aber Hayaos Sohn Goro. Der Erfolg scheint in der Familie zu liegen!
Das Metropolis-Kino in Hamburg zeigt ab heute bis zum 31. Januar sechs der bekanntesten Meisterwerke des großen japanischen Regisseurs Mikio Naruse, der zu den Meistern des shomingeki-Genres gehörte. Die Filme laufen im japanischen Original mit englischen Untertiteln.
Der Schwerpunkt liegt – verständlicherweise – auf Filmen aus der Nachkriegszeit, was aber leider bedeutet, dass sein vielleicht bester Film Wife, Be Like a Rose von 1935 nicht zu sehen ist. Trotzdem: Auf keinen Fall entgehen lassen!