Archive for August, 2007

Seinen 75. Geburtstag feiert der Gigant unter den japanischen Filmstudios dieses Jahr. Marc Schilling nimmt dies zum Anlass, in einer vierteiligen Serie einen Überblick über Geschichte, Struktur und Strategie von Toho zu geben und einen Ausblick auf die Zukuft zu wagen. Ich habe mir erlaubt, jeden Teil kurz zusammenzufassen:

Teil 1: Toho remains a giant in Japanese biz
Als Teil eines gewaltigen Konzerns verfügt Toho über eigene Kinos sowie privilegierte Distributions- und Marketingkanäle und kann so seine Dominanz auf dem japanischen Markt sichern. Dabei kam der Firma auch ihr vorsichtiges, langfristiges Denken in der Boomphase der 1980er Jahre zu Gute, als Konkurrenten zu große Risiken eingingen und nach dem Platzen der Blase in Schieflage gerieten.

Teil 2: Toho sees no challengers in distribution game
Wichtiger Erfolgsfaktor ist das projektgebundene, auf production committees beruhende Produktionssystem von Toho. Dieses folgte auf das bis in die 1960er und 70er Jahre vorherrschende Studiosystem, das untrennbar mit fest an die Studios gebundenen Namen wie Kurosawa oder Naruse verbunden ist. Ziel der production committees dagegen ist es, externe Talente und Experten zusammenzubringen und diesen den gewaltigen PR- und Marketingapparat von Toho zur Verfügung zu stellen.

Teil 3: „Godzilla“ not the only gem in Toho’s back catalogue
Die alten Toho-Klassiker wie Die Sieben Samurai oder Godzilla werden von Toho nicht selbst international (Schilling meint damit vor allem den US-Markt) vertrieben, sondern in einer Kooperation mit Janus, dem Herausgeber der Criterion Collection. Für den Erfolg auf dem US-Markt waren dabei vor allem die Kurosawa-Filme und ihre Remakes entscheidend, obwohl das Studio so seine Probleme mit AK hatte.

Teil 4: Exhibition business in Toho’s favor
Zur zukünftigen Strategie gehört vor allem eine Diversifizierung der Publikumsattraktionen über das reine Kinoerlebnis hinaus. Dazu gehört die Verbindung mit Shopping-Centers, aber auch, dass man im Multiplex von Roppongi für 25$ direkt im Kino ein vollwertiges Abendessen genießen kann. Außerdem soll die Kinotechnik kräftig aufgerüstet werden, um dem Heimkino Konkurrenz zu machen.

Sakuran

Original: Sakuran (2006) von Mika Ninagawa

Mein Fazit zum Debutfilm der früheren Fotografin Ninagawa, der ab heute, 28. August, in einer sehr überschaubaren Zahl deutscher Kinos zu sehen ist: Schade, dass ihn wahrscheinlich nur so wenige Filmfans sehen werden. Sakuran ist sicherlich kein Meisterwerk für die Ewigkeit, aber ein richtig guter Film, dem ich es wünschen würde, dass er einen umfangreicheren Release bekommen hätte.

Das Mädchen Tomeki wird an ein Bordell in Edos berühmtem Rotlichtbezirk Yoshiwara verkauft. Das widerspenstige kleine Ding gerät schnell mit seiner Ziehmutter, einer Oiran – der ranghöchsten Kurtisane – aneinander, ist zugleich aber von deren Ausstrahlung, Selbstbewusstein und Souveränität beeindruckt. Im Lauf der Jahre wird aus Tomeki unter dem Namen Kiyoha (Anna Tsuchiya) selbst eine Prostituierte, die durch ihr Flair und ihr besonderes Händchen im Umgang mit den Freiern schnell in der Hierarchie des Bordells emporsteigt, deren Drang nach einem freien, selbstbestimmten Leben aber ungebrochen bleibt.

Sakuran Screenshot2

Ihr Aufstieg wird begleitet von einer tragischen Affäre mit einem Kunden, in den sich Kiyoha hoffnungslos verliebt. Doch für Gefühle ist in Yoshiwara kein Platz, sie wird zum Ziel einer Intrige und muss erfahren, dass ihr Geliebter sie lediglich ausnutzte. Aber Kiyoha lässt sich nicht unterkriegen und wird schließlich selbst Oiran. Als ein reicher Adliger ihr einen Heiratsantrag macht, scheint sich endlich die Möglichkeit aufzutun, aus Yoshiwara zu entkommen, doch dann wird Kiyoha schwanger – und weiß natürlich nicht, von wem.

Sakuran ist ein überaus farbenprächtiger Film, der die beschwingte und lebensfrohe, zugleich aber hektische Atmosphäre des Bordells wunderbar zum Leben erweckt. Nahezu allgegenwärtig ist dabei die Farbe, die wie keine andere für das Leben an sich steht: Rote Lippen, rote Gewänder, rote Blumen, rote Sonnenuntergänge, rotes Blut, rote Lampen, rote Goldfische und natürlich dürfen auch die berühmten japanischen Ahorne in ihrem rotleuchtenden Herbstlaub nicht fehlen.

Sakuran Screenshot2

Das zweite immer wieder auftauchende Element neben der Farbe Rot ist das des Gefangenseins und der Sehnsucht nach Freiheit. Bereits zu Beginn des Films schwört sich die kleine Tomeki unter einem blütenlosen Kirschbaum, eines Tages aus Yoshiwara, über dessen Tor ein riesiges Aquarium mit Goldfischen prangt, herauszukommen. So werden die Kirschblüten, die dem Film auch seinen Titel geben, zum Symbol für die Freiheit, und die Goldfische repräsentieren die im goldenen Käfig gefangene Kurtisane.

Als solche wird Kiyoha immer wieder halb verborgen durch Schiebetüren oder Blumen oder hinter den Gittern der Fenster gezeigt. Die umgekehrte Perspektive durch die Gitter ist zugleich diejenige der Freier, welche die zur Schau gestellten Prostituierten begutachten oder schlicht begaffen.

Sakuran Screenshot3

Neben der konsequenten, lebensfrohen Ästhetik des Films sind es außerdem die Musik und die Modernität der Hauptcharakterin, welche die Schwächen des eher konventionellen Scripts ausgleichen. Der Soundtrack bietet einen stimmungsvollen Mix aus allerlei Musikrichtungen – von Elektropop über Gitarrenriffs und Jazz bis hin zu Geigensolos reicht das Spektrum – der exzellent die Wirkung der Bilder unterstreicht.

Ein Detail, das dem deutschen Kinogänger wohl verborgen bleiben dürfte, ist der besondere Gebrauch der Sprache. Wie mir eine des Japanischen mächtige Freundin (danke Sandra!) verriet, wird in Sakuran das alte Japanisch der Edo-Zeit mit seinen vielfältigen Höflichkeitsformen gesprochen – nur Kiyoha bedient sich des modernen Japanischen und das in einer reichlich mit Kraftausdrücken und Slang angereicherten Version, was ihre hervorgehobene Stellung und ihre moderne, individualistische und freiheitsliebende Lebenssicht nochmal betont.

Definitiv also ein Film, der einiges zu bieten hat. Nicht zuletzt übrigens auch für einen japanischen Film erstaunlich viel nackte Haut, so dass trotz der eher für einen Frauenfilm typischen Geschichte auch Männer auf ihre Kosten kommen dürften… 😉

Und das ganz legal! Das Internet Archive bietet die beiden Klassiker aus der frühen Phase von Akira Kurosawas Schaffen in mehreren Versionen zum Download an. Alternativ kann man sie auch direkt im Browser in voller Länge ansehen. Rashomon liegt bereits seit längerem in einer 1 GB und einer 4 GB (!) Version bereit, Sanshiro Sugata gibt es immerhin in einer 760 MB großen Divx-Version.

Außerdem scheinen Ikiru und Stray Dog ebenfalls in Vorbereitung zu sein!

via Akira Kurosawa News and Info

Einen Leckerbissen im wahrsten Sinne des Wortes habe ich diesmal in der Blogschau: Chopstick Cinema. Wie der Name schon verrät, begeistert sich die Autorin offensichtlich gleichermaßen für asiatische Küche und Filme (scheinbar mit einem Schwerpunkt auf Südostasien, Japan ist nach meinem Eindruck nicht besonders stark vertreten), was zu einer sehr delikaten Mischung führt. Für Puristen ist der Blog aber freundlicherweise in Themenbereiche aufgegliedert, man kann sich also entweder die sehr lecker klingenden und wunderbar bebilderten Rezepte oder die Filmberichte ansehen.

Mein zweiter Tipp für heute ist eigentlich schon viel mehr als ein Blog. Cinema Strikes Back bietet neben aktuellen News und Infos viele Hintergrundberichte, Reviews, Interviews nicht nur zu japanischen und asiatischen Filmen, aber eben auch dazu. Sehr praktisch finde ich insbesondere den Bereich People, vielleicht sollte ich mir so ein Verzeichnis auch irgendwann mal zulegen.

Und das war’s für heute schon.

Vor ein paar Tagen hatte mir eine studentische Mitarbeiterin einer PR-Agentur eine nette – wenn auch größtenteils wohl standardisierte – E-Mail geschrieben, um mir einen japanischen Film, der demnächst in die Kinos kommt, schmackhaft zu machen. Nun werde ich im Gegensatz zu so manchen Schwergewichten der Blogosphäre mit derartigen Ansinnen nicht gerade täglich bombardiert und habe mich sogar darüber gefreut. Denn Kern der Mail war das Angebot, mir eine Screener-DVD des besagten Films zuzusenden, ganz unverbindlich. Klar, immer her damit!

Und heute war das gute Stück dann in der Post, meine erste Screener-DVD, schön handbeschriftet:

Screener DVD Sakuran

Es geht übrigens um den Film Sakuran, der bereits auf der Berlinale lief. Werde mir das Machwerk am Wochenende zu Gemüte führen und dann meine Meinung kundtun, ob sich der Gang ins Kino lohnt, ab 28. August tourt er durch ausgewählte Kinos zahlreicher deutscher Großstädte:

BERLIN – Festival „Ausgezeichneter Sommer 2007“ in der BAR 25: 28.08.
BERLIN – Babylon Berlin-Mitte: 30.08.-03.09.
BOCHUM – Endstation Kino: 04.10.-10.10.
DRESDEN – KiD-Kino im Dach: 27.09.-3.10.
DÜSSELDORF – Bambi: 27.09.-3.10.
FRANKFURT – mal sehn Kino: 30.08.-12.09.
HAMBURG – 3001 Kino: 13-09.-26.09.
KÖLN – Filmhaus (Open Air), bei Regen im Kino: 05.09.
KÖLN – Filmhaus: 08.09. + 14.09.-19.09.
LEIPZIG – Passage Kinos: 11.09.
MANNHEIM – Cinema Quadrat: 01.11.-03.11.
MÜNCHEN – Neues Arena: 30.08.-12.09.
NÜRNBERG – Filmhaus 13.09.-25.09.
OBERHAUSEN – Kino im Walzenlager: 18.10.-31.10.
REGENSBURG – Filmgalerie: 18.10.-31.10.
WIESBADEN – Caligari: 26.10.-31.10.

Viel habe ich über diese Anime-Serie nachgedacht, zweimal habe ich sie mir angesehen, und doch ist es unglaublich schwer, sie zusammenzufassen, auf ihre wesentlichen Bestandteile und die Kernaussagen herunterzubrechen. Genau das war ja auch der Grund, warum ich mich gleich in einer fünfteiligen Artikelreihe dem Phänomen Neon Genesis Evangelion gewidmet habe. Und das ist noch keineswegs der Schlusspunkt, denn es gibt da ja noch einen Film, und weitere sind im Anmarsch.

Fünf Artikel, in denen ich mich mit den wichtigsten Charakteren beschäftigt habe. Ganz außen vor blieben dabei (offensichtlich für jeden, der die Serie kennt) nicht nur eine Reihe von Nebenfiguren, die in einzelnen Episoden durchaus von zentraler Bedeutung sind, wie etwa Misatos Liebhaber Kaji oder Shinjis Schulkameraden.

Vor allem aber habe ich die eigentliche Handlung komplett links liegen lassen: Kein Wort zu den Engeln, die der Prophezeiung eines sagenumwobenen antiken Dokuments zufolge die Vernichtung der Menschheit herbeiführen und dem verzweifelten Kampf, den Shinji und die anderen gegen diese Bedrohung führen. Auch die aus der Prophezeiung erwachsenden mythologischen Aspekte sowie die Science-Fiction-Elemente blieben unerwähnt. Ebenso die Verschwörungen und Rivalitäten zwischen den verschiedenen Organisationen, welche den Kampf gegen die Engel vorantreiben und organisieren (neben den fiktiven SEELE und NERV wären da vor allem die Vereinten Nationen zu erwähnen).

Mir ging es hier ausschließlich um die Charaktere, ihre Probleme und Ängste, ihre Vergangenheit und ihre Beziehungen zueinander. Denn um diese geht es eigentlich in Neon Genesis Evangelion. Die Kampfszenen, die immer wieder an die biblische Symbolik angelehnte Bildsprache und Mythologie (sowie die daran anknüpfenden wilden Interpretationsversuche) und all das ganze Ballyhoo außenrum, ist zwar wunderbar anzusehen, immer wieder spannend, manchmal (sehr) verwirrend, aber letztlich nur der Honig, der die Fans auf den Leim führen soll. Im eigentlichen Zentrum der Serie stehen so Langweiler-Themen wie die Familie, das Erwachsenwerden und wie sich beide gegenseitig beeinflussen.

Vier Zusammenhänge weisen auf die zentrale Bedeutung der Familie hin:

  1. Alle Hauptcharaktere stammen aus schwierigen familiären Verhältnissen und haben – unter teilweise hochgradig traumatischen Umständen – Eltern verloren.
  2. Shinji als die Hauptperson, deren Schicksal die Serie folgt, wird zu einem großen Teil über die zerstörte Beziehung zu seinem Vater definiert.
  3. Die Entstehung einer Art Ersatzfamilie mit Shinji und Misato als Kern und Asuka als Kontrastpunkt, die es allen dreien zumindest phasenweise ermöglicht, besser mit ihren Problemen umzugehen, die aber letztlich an der Unfähigkeit aller scheitert, echte menschliche Bindungen einzugehen.
  4. Die direkte Verbindung, die immer wieder zwischen den psychischen Problemen der Akteure und ihren schwierigen Familienverhältnissen hergestellt wird.

Besonders der letzte Punkt rückt nun die Verbindung zum Erwachsenwerden in den Vordergrund. Denn die traumatischen familiären Erlebnisse (sei es der Selbstmord der Mutter bei Asuka, das Verlassenwerden durch den Vater bei Shinji) liegen in der frühen Kindheit, die Piloten selbst stehen mit 14 Jahren nun am Übergang zum Erwachsenwerden. An den in der Serie präsenten Erwachsenen wird aber deutlich gezeigt, wie sehr diese unter ihren eigenen, ähnlich gelagerten Kindheits- und Jugenderlebnissen leiden und durch diese geprägt werden.

Die zentrale Frage, die über den Kindern schwebt, ist also: Können sie ihre familiären Altlasten im Zuge des eigenen Erwachsenwerdens so verarbeiten, dass es ihnen gelingt, die daraus resultierenden Komplexe, Ängste und die Unfähigkeit zu zwischenmenschlichen Beziehungen zu überwinden? Oder bleibt es bei einer reinen Verdrängung (besonders von Asuka praktiziert), die letztlich aber dazu führen muss, dass ihre Persönlichkeitsentwicklung leidet, ihr Charakter sich verbiegt, und am Ende doch alles wieder hervor bricht (wie bei Misato)? Besonders die bereits im Erwachsenen-Post besprochenen Parallelen von Asuka und Misato lassen diesen Zusammenhang klar hervortreten.

Wie diese Frage zu beantworten ist, bleibt – wie eigentlich alles in NGE – ein Stück weit offen. Die Original-Serie endet zwar mit einem Shinji, der scheinbar den Schlüssel zur Überwindung seiner Probleme und den Weg zum Glücklichsein gefunden hat: Die Erkenntnis, dass zwischen Realität und Wahrheit die Selbstperzeption steht, die letztlich darüber entscheidet, welches Bild von sich selbst als wahr empfunden wird. Ob aber allein diese Erkenntnis schon die Lösung aller Probleme sein kann?

Symbole der Beschwernis des Wegs zum Erwachsensein und zur Entwicklung einer gesunden Persönlichkeit sind in NGE, und hier kommen wir zum wahrscheinlich gewagtesten Teil meiner Interpretation, die EVAs selbst. Für mich stehen diese oft unverständlichen, von Geheimnissen umgebenen, zugleich aber mit großer Macht ausgestatteten Monstren für den sich in der Pubertät verändernden, voller Geheimnisse steckenden Körper, der sich manchmal nur schwer beherrschen lässt (siehe die wiederholten Andeutungen in der Serie auf so rätselhafte Vorgänge wie Menstruation und Erektion), zugleich aber fantastische neue Möglichkeiten bietet.

Im Mittelpunkt des Umgangs der Kinder mit diesen fremdartigen Körpern, in die sie im wahrsten Sinne des Wortes hineingesteckt werden, steht denn auch die „Synchronisierung“. In einem mehr oder weniger langwierigen Lernprozess müssen sie ihre Gedanken und Gefühle mit den EVAs synchronisieren, sie auf die neue Umgebung abstimmen. Damit schließt sich dann der Kreis zur oben erwähnten Überwindung von Ängsten und Unsicherheit mittels einer veränderten Selbstwahrnehmung: Denn sind Denken und Gefühlswelt erst einmal mit den neuartigen körperlichen Gegebenheiten „synchronisiert“, ergibt sich die neue Perspektive auf die eigene Person ganz von selbst. Und die alten Probleme werden auf einmal unbedeutend und obsolet.

Damit komme ich zum Ende meiner persönlichen Verarbeitung dieser außergewöhnlichen Serie, die gerade deshalb so außergewöhnlich ist, weil sie so viel unserer Fantasie überlässt und dadurch Auslegungen und Interpretationen Tür und Tor öffnet. Weshalb ich mich natürlich auch gern mit anderslautenden Ansichten in den Kommentaren auseinandersetze. In diesem Sinne:

Thankyou to my father
Goodbye to my mother
And to all the readers…
Congratulations!

Die weiteren Artikel meiner NGE-Reihe:

Umfragen und die daraus resultierenden Listen geben ja immer wieder wunderbare Anlässe für Blogposts, und so greife ich diese Nachricht nur zu gern auf: Ein japanisches Meinungsforschungsinstititut ging der Frage nach, welche Anime-Serien der 90er Jahre die Japaner gern noch einmal sehen möchten. Heraus kam eine Liste mit 30 Titeln, von denen ich die meisten nicht einmal dem Namen nach kenne. Aber trotzdem kann man auf Grund des zeitlichen Abstands wohl davon ausgehen, dass die genannten Serien (zumindest die in der oberen Hälfte der Liste) das Potenzial zu Klassikern haben:

  1. The Laughing Salesman
  2. Dragonball Z
  3. Slam Dunk
  4. City Hunter ’91
  5. Young Kindaichi’s Casebook
  6. Poltergeist Report: Yu Yu Hakusho
  7. Neon Genesis Evangelion
  8. Rurouni Kenshin
  9. Famous dog Lassie
  10. Cooking Papa
  11. Heisei Tensai Bakabon
  12. Nadia: The Secret of Blue Water
  13. Shonen ashibe
  14. Master Keaton
  15. Sailor Moon

Dass Master Keaton in dieser Liste auftaucht, wundert mich etwas, der ist doch nicht aus den 90ern? Auf den weiteren Plätzen tummeln sich noch ein paar sehr bekannte Serien wie Cardcaptor Sakura oder Cowboy Bebop (letztere sehe ich mir derzeit an und das mit sehr viel Spaß)! Die ins Englische übersetzte komplette Liste inklusive der transkribierten japanischen Original-Titel und Verlinkungen aller Serien zu Seiten mit mehr Infos hat Ken.

Neben den drei jugendlichen Piloten gibt es noch drei spiegelbildlich aufgestellte erwachsene Charaktere, die eine wichtige Rolle in Neon Genesis Evangelion spielen: Shinjis Vater Gendo Ikari sowie Misato Katsuragi und Ritsuko Akagi, die genau wie Asuka und Rei so etwas wie gegensätzliche Pole darstellen. Von diesen drei nimmt Misato mit Abstand den größten Raum in der Serie ein, Ritsuko und Gendo spielen zwar wichtige Nebenrollen, aber eben doch nur Nebenrollen, so dass man vergleichsweise wenig über sie erfährt. Ich werde alle drei kurz (Misato ausführlicher) vorstellen und dann auf einige Gemeinsamkeiten untereinander eingehen und einen Vergleich mit den Piloten ziehen.

Misato Katsuragi:
Als taktische Offizierin kommandiert sie die Kampfeinsätze der EVAs und ist somit die direkte Vorgesetzte der drei Piloten. Da sie Shinji und Asuka nach deren Ankunft in ihrer Wohnung unterbringt, entwickelt sie sich speziell für Shinji zudem zu einer Art großer Schwester oder fast Ersatzmutter. Sie ist sehr attraktiv, verhält sich aber häufig wenig damenhaft, was Shinji öfters peinlich ist. Sie selbst ist davon gänzlich unberührt und wirkt überhaupt äußerst selbstbewusst, sowohl was ihre Arbeit bei NERV angeht als auch in ihrem Privatleben.

Dieses Selbstvertrauen wird jedoch in den späten Folgen der Serie mehrfach erschüttert, als sie zunächst eine alte Affäre mit dem undurchsichtigen Kaji wiederbelebt und dann versucht – teilweise auf Hinweis Kajis – hinter die Geheimnisse der EVAs zu kommen. Zudem erfahren wir Zuschauer, dass Misato ebenso wie die Piloten einen Elternteil (bei ihr den Vater) verloren hat und in der Folge eine schwere Kindheit verbrachte. Vor diesem Hintergrund macht sie sich selbst Vorwürfe, hinterfragt die Beziehung zu Kaji und das Bild von sich selbst, das sie anderen gegenüber geschaffen hat.

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Dass Misato ihre „dunkle“ Seite, und damit sind wohl vor allem die Aspekte ihrer Persönlichkeit gemeint, die ihr Sexualleben bestimmen, Shinji gegenüber unterdrücken will, untermauert die Mutterrolle, in der sie sich selbst ihm gegenüber sieht. Aus diesem Gegensatz erwachsen jedoch ein Rechtfertigungsdruck und große Selbstzweifel.

Damit bildet Misato gewissermaßen das erwachsene Gegenstück zu Asuka. Beide treten nach außen hin sehr selbstbewusst auf, lassen ihrer Emotionalität freien Lauf und sind nicht zuletzt attraktiv, sie unterdrücken jedoch Aspekte ihrer Persönlichkeit, die diesem Bild widersprechen könnten. Außerdem haben beide mit einem traumatischen Verlust in ihrer Kindheit zu kämpfen, dem jeweils große Strahlkraft auf die Charakterentwicklung zugeschrieben werden.

Ritsuko Akagi:
So wie Rei der Gegenpol zu Asuka ist, so verhält sich Dr. Ritsuko Akagi, die wissenschaftliche Leiterin des EVA-Projekts, zu Misato, wenn auch nicht in vergleichbar extremer Ausprägung. Generell erfährt der Zuschauer relativ wenig über Ritsuko, sie tritt zumeist nur als distanzierte, kühl berechnende und weitgehend emotionslose Wissenschaftlerin auf. Doch auch sie hatte eine schwierige Beziehung zu ihrer (verstorbenen) Mutter, in deren Fußstapfen sie gleich in mehrerer Hinsicht trat.

Zum einen setzt sie die Arbeit ihrer Mutter fort, die an den Grundlagen des EVA-Projekts arbeitete und dabei auch die gigantischen Computergehirne entwickelte und programmierte, die alles in Neo-Tokyo 3 kontrollieren. Zum anderen liebt sie den gleichen Mann wie ihre Mutter: Gendo Ikari, und das schon seit ihrer Jugend. Dass sie wie ihre Mutter ein Verhältnis mit ihm hat und diese zu deren Lebzeiten sogar um die Beziehung beneidete, macht Ritsuko zur reinsten Verkörperung des Elektrakomplexes unter all den komplexbehafteten Charakteren der Serie.

Gendo Ikari:
Shinjis hartherziger Vater ist so etwas wie die Spinne im Netz der NGE-Geheimnisse: Er ist der Leiter des gesamten EVA-Projekts und Verbindungsperson zur Geheimorganisation SEELE, zugleich verfolgt er aber im Verborgenen eigene Pläne, die nie näher umrissen werden. Es lässt sich nur vage erahnen, dass diese irgendwie mit Rei und einer geplanten evolutionären Weiterentwicklung der Menschheit zu tun haben. Zur Umsetzung seiner Pläne ist Gendo zu allem bereit und geht eiskalt vor, was ihm besonders von seinem vernachlässigten Sohn Shinji angekreidet wird.

Über Gendos Persönlichkeit erfährt der Zuschauer kaum etwas, und das wenige, das wir erfahren, stammt überwiegend aus den Erzählungen anderer Personen, insbesondere von Shinji und Rei. Als die einzige zentrale starke männliche Person in der Serie (Kaji spielt eher eine untergeordnete Nebenrolle) ist er somit für die Deutung der Serie sehr wichtig, die vielen Unbekannten machen dabei aber zugleich viele verschiedene Ansätze möglich.

Mir scheint jedoch klar, dass die Charakterisierung Gendos und seine zentrale (und mit Macht ausgestattete) Rolle in der Serie auf eine Symbolisierung der Figur des Vaters und Familienoberhaupts hinauslaufen. Er wird dieser Rolle und den damit verbundenen Anforderungen jedoch in keiner Weise gerecht, ist nur auf seine eigenen Ziele aus und ordnet diesen auch rücksichtslos die Bedürfnisse anderer Menschen, sogar die seines eigenen Sohnes, unter. Die von Gendo ausgehende Kälte und Ablehnung gegenüber Shinji ist zu einem großen Teil für dessen emotionale Probleme und psychische Instabilität verantwortlich.

Fazit:
Die Erwachsenen, zumindest die beiden Frauen, sind genauso komplexbehaftete Persönlichkeiten wie die drei Kinder, es wird sogar wiederholt deutlich, dass es familien- und erziehungsbezogene Vorkommnisse wie Verlust eines Elternteils oder Vernachlässigung waren, die für die Probleme der Erwachsenen (mit)verantwortlich sind. Dass sich diese Probleme bei Misato und Ritsuko in einer explizit sexuellen bzw. ihre Beziehungen beeinflussenden Weise äußern, ist ein bei den Kindern nur vage angedeuteter Aspekt der Probleme.

Besonders Misato und Ritsuko, die zu Beginn der Serie mit ihrem Selbstbewusstsein, ihrer Professionalität und ihrer Kompetenz wie potenzielle Vorbilder präsentiert werden, erfahren zum Ende ein komplette Dekonstruktion. Von diesen nach außen präsentierten Rollen bleibt kaum etwas erhalten, sie zerfallen komplett. Darin steckt eine heftige Kritik an der nur allzu menschlichen Taktik, sich im Laufe der Zeit bestimmte Images zurechtzulegen um entweder vor sich selbst oder anderen besser dazustehen und unangenehme Aspekte der eigenen Persönlichkeit auszublenden.

Dass diese Persönlichkeitsprobleme immer mit Erziehung und kaputten Familienverhältnissen zusammenhängen, und Gendo gewissermaßen eine idealtypische – wenn auch übersteigerte – Verkörperung des schlechten Vaters darstellt, impliziert nicht nur, dass die geschilderten Probleme der Kinder sich auf dem Weg zum Erwachsensein verfestigen. Es wird auch eine klare kausale Verbindung hergestellt und eine Wertung vorgenommen, die meiner Meinung nach der eigentliche Kern der ganzen Serie ist. Mehr dazu im letzten Teil der NGE-Reihe!

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