Archive for Februar, 2009

Wildgrounds ist nicht nur ein sehr vielseitiger sondern auch sehr produktiver Blog über japanisches Kino. Von einer Szenenanalyse zu Kobayashis Harakiri über das Interview mit Tom Mes bis hin zu polnischen Kinoplakaten japanischer Filme gibts ein buntes, interessantes Allerlei. Der Blog scheint noch relativ jung zu sein (den URLs nach stammen die ältesten Artikel aus dem vergangenen Sommer), da darf man sich also wohl noch auf einiges freuen!

Ein sehr schöner Filmblog, der allerdings mit Japan eher wenig am Hut hat, wäre Parallel Film von Christoph Hochhäusler. Der Blog hat schon ein paar Jahre auf dem Buckel, so dass das Stöbern in den Archiven richtig Spaß macht und einige Perlen am Rande zur Poesie zu Tage fördert, wie die Parade oder Reife. Generell stehen weniger die Filme selbst im Vordergrund (also keine großen Rezensionen erwarten) sondern das Erlebnis Film sowie Auseinandersetzung und Umgang mit Film.

Oscars und so

Da ist es also tatsächlich passiert! Okuribito hat wirklich und wahrhaftig letzte Nacht den Oscar als bester fremdsprachiger Film gewonnen, nachdem er bereits zuvor bei den Japanischen Academy Awards abgeräumt hatte. Damit findet das für die japanische Filmindustrie grandiose Jahr 2008 einen glanzvollen Abschluss!

Weniger glanzvoll ist dagegen, was Die Zeit aus diesem Triumph machte. Der Artikel der Online-Ausgabe befasst sich zwar ausdrücklich mit der großen Aufmerksamkeit, die den internationalen Filmschaffenden aktuell in Hollywood gewidmet wird, was sich in den Erfolgen von Slumdog Millionaire und verschiedener ausländischer Filmschaffender wiederspiegele. Leider hat man aber offensichtlich selbst nicht besonders viel Aufmerksamkeit walten lassen, denn abgesehen von einigen peinlichen Vertippern („Kate Winselt“ – hihi), die wirklich jedem passieren können, wurde Okuribitos internationaler Titel auch noch kurzerhand von „Departures“ in „Departed“ abgeändert:

Da hat wohl jemand nach geschätzt 9 Stunden non-stop vor der Glotze mitverfolgten Oscarfeierlichkeiten die Verleihungen der letzten Jahre etwas durcheinander gebracht… Und was die Sache mit dem ersten Oscar für einen japanischen Film angeht, wäre ich mir auch nicht so sicher. Technisch mag das zwar richtig sein, inhaltlich ist es aber falsch, weil 1956 bereits Miyamoto Musashi die Auszeichnung erhielt. Nur gab es die Kategorie „fremdsprachiger Film“ damals wohl offiziell noch nicht, so dass es dann ein Ehren-Oscar war, was für Otto-Normal-Leser aber kaum einen Unterschied machen dürfte.

Soviel zum Thema Qualität im Kulturjournalismus.

Es war ziemlich ruhig die letzte Zeit hier im Blog, was daran liegt, dass die Vorbereitungen fürs JFFH langsam aber sicher in die entscheidende Phase gehen. Da ich dieses Jahr sehr viel tiefer in der Organisation drinstecke und außer der Webseite auch noch die Pressearbeit betreue (wir haben sonst niemanden gefunden), bleibt mir jetzt leider nicht mehr so viel Zeit fürs Bloggen.

Zum Glück mache ich die Festival-Webseite dieses Jahr wenigstens nicht allein, sondern habe in Sascha einen sehr tatkräftigen Unterstützer. Aktuell bereiten wir gerade die japanische Version der Webseite vor, die demnächst live gehen dürfte. Das Thema Online-Kauf von Kinokarten haben wir allerdings erstmal in die Schublade gelegt, weil der organisatorische und technische Aufwand doch ziemlich groß ist und sich für uns derzeit wohl nicht lohnen dürfte.

Auch an anderen Fronten sind einige wichtige Entscheidungen gefallen, so sind wir gerade dabei, ein Team zusammenzustellen, das sich um das Rahmenprogramm des Festivals kümmern wird. Zum 10-jährigen Jubiläum wollen wir unseren Besuchern nämlich jenseits cooler Filme noch einiges mehr bieten als im letzten Jahr. Von der Filmfestparty über Taiko-Workshops bis hin zum Japanisch-Crashkurs haben wir eine ganze Menge Ideen, was wir alles interessantes machen könnten. In den nächsten Wochen gilt es, dafür Zuständige im Team und mögliche externe Partner zu finden, mit denen wir das alles gewuppt bekommen.

Parallel dazu laufen natürlich die Filmplanungen, die mit dem Besuch unseres zweiköpfigen Filmorga-Teams auf der Berlinale einen großen Schritt voran gekommen sind. Olli und Keiko konnten in Berlin wichtige Kontakte herstellen und sind jetzt gerade dabei, die Deals abzuschließen und für einige Filme haben wir schon Zusagen. Im Moment suchen wir noch nach einen Knaller für den Eröffnungsfilm, und dabei merke ich, dass die Ansprüche und Vorstellungen im Team manchmal doch etwas auseinander gehen. Ich vertrete beispielsweise in der causa Eröffnungsfilm mehr den Ansatz, dass wir für die Eröffnung einen Film brauchen, der vor allem massenkompatibel und gut an die Presse zu verkaufen sein sollte.  Meiner Meinung nach ist es schon okay, dafür auch mal von unseren ansonsten recht hohen Festival-Ansprüchen abzurücken und ein Auge zuzudrücken. Olli sieht das etwas anders und will für den Eröffnungsfilm was möglichst exklusives. Mal sehen, was am Ende bei rauskommt 🙂

In ein paar Wochen wissen wir mehr!

Etwas spät bin ich dran, aber besser spät als nie! So habe ich immerhin die Möglichkeit, alles Wichtige in einem Artikel zusammenzufassen. Ist das Leserfreundlichkeit oder was? 😉

2008 war das erfolgreichste Jahr für die japanische Filmindustrie seit fast 40 Jahren mit einem Marktanteil von 59,5 Prozent! 1969 konnten japanische Produktionen zuletzt einen höheren Marktanteil erreichen, damals waren es 64,1 Prozent. Die Umsätze sind jedoch leicht gesunken, ebenso wie die Anzahl der Kinobesuche, die bei 160 Mio lag (was aber immer noch deutlich besser ist als die Zahlen in den 1980/90ern).

Besonders erfreulich ist die Zahl der gezeigten japanischen Filme, die sich nun schon das dritte Jahr in Folge bei über 400 hält – ein Niveau, das es zuletzt ebenfalls Anfang der 1970er gab. Das zeigt, dass hinter den guten Zahlen nicht nur ein paar Großprojekte stehen (die natürlich den Löwenanteil der Umsätze generieren, gleich mehr dazu), sondern eine große Vielfalt und Bandbreite, was meines Erachtens der beste Indikator für die Kraft des gegenwärtigen japanischen Films ist. Bedenklich für die Industrie dürfte jedoch die weiter steigende Zahl der Leinwände sein, deren Anzahl sich seit Mitte der 90er fast verdoppelt hat. Bei nur geringfügig gestiegenen Besucherzahlen bedeutet das eine immer geringere Auslastung, was langfristig zu einem üblen Kinosterben führen dürfte. Wer sich noch weiter in die Statistiken vertiefen möchte, findet diese bei der eiren.

Ein eindrucksvoller Beleg für die Stärke der einheimischen Filme in 2008 (und des Marktführers Toho) ist auch die Liste der erfolgreichsten Filme, bei denen sich nur 3 ausländische Produktionen unter den Top10 befinden:

  1. Ponyo on the cliff by the sea (Toho)
  2. Hana yori dango (Toho)
  3. Indiana Jones IV (Paramount)
  4. Red Cliff (Toho-Towa)
  5. Suspect X (Toho)
  6. Pokemon (Toho)
  7. Partners: The Movie (Toei)
  8. I am Legend (Warner)
  9. 20th Century Boys – Chapter 1 (Toho)
  10. The Magic Hour (Toho)

Wer jetzt allerdings meine persönlichen Top10-Filme des letzten Jahres erwartet, den muss ich leider enttäuschen, mein Fokus liegt dann doch (noch) zu sehr auf den Klassikern. Empfehlen kann ich aber die Bestenlisten der Autoren von Midnight Eye.

Original: Uwasa no onna (1954) von Kenji Mizoguchi

Hatsuko (Kinuyo Tanaka) betreibt ein Geisha-Haus in Kyoto – hinter dessen gut gehenden Geschäften sich Prostitution verbirgt – und führt eine recht undurchsichtige Beziehung mit dem deutlich jüngeren Arzt Matoba (Tomoemon Otani). Als sie ihre Tochter Yukiko (Yoshiko Kuga), die wegen einer gescheiterten Beziehung einen Selbstmordversuch unternommen hat, wieder nach Hause holt, erscheinen schnell Risse in ihrer scheinbar so respektablen Fassade.

Denn Yukiko verabscheut nicht nur das Geschäft, an dem ihre Mutter so gut verdient, sie erweckt auch das Interesse Matobas. Dessen Sympathien für Hatsuko beschränkten sich offenbar auf ihre Absicht, ihm eine Praxis zu finanzieren. Zunehmend verzweifelt versucht Hatsuko, Matoba an sich zu binden, während  Yukiko sich von ihrem traumatischen Selbstmordversuch erholt und sich langsam gegenüber den Frauen des Hauses öffnet und deren Vertrauen gewinnt. Als sie jedoch erfährt, dass Matoba ihr sein Verhältnis zu ihrer Mutter verheimlichte und diese hintergangen hat, bricht ihr altes Trauma wieder hervor.

Was mich an The Woman in the Rumour von der ersten Minute an fesselte, war die unglaubliche Präsenz von Kinuyo Tanaka, die ich bisher vor allem aus Filmen wie Das Leben der Frau Oharu, Die Mutter oder Equinox Flower kannte, in denen sie typischerweise still leidende, passive Frauenrollen gegeben hatte. Hier dagegen ist sie als eine unabhängige, quirlige, vor Leben und Aktivität geradezu übersprudelnde Geschäftsfrau kaum wiederzuerkennen. Erst im Laufe des Films, mit der aufkeimenden Verzweiflung, kommt die von ihren anderen Rollen bekannte Leidensfähigkeit hervor, die hier aber mit großem Widerstandswillen verbunden ist und sich keineswegs auf eine passiv-leidende Rolle beschränkt.

Dennoch ist unübersehbar, dass sie und ihre Tochter Yukiko nach und nach die Rollen tauschen: Yukiko steht anfangs noch ganz unter dem Eindruck ihres Selbstmordversuchs, sondert sich ab, zeigt offen ihre Verachtung für das Geschäft des Hauses und dessen Bewohnerinnen. Auch den aufrecht besorgten Matoba hält sie zunächst auf Distanz und isoliert sich bewusst.

Eine schwere Erkrankung bei einer der „Geishas“ um die sie sich rührend kümmert, bricht dann jedoch das Eis, ihre Stimmung hellt sich merklich auf, sie öffnet sich für andere Menschen und nicht zuletzt für Matoba, wodurch sie unbewusst bei ihrer Mutter eine genau gegenteilige Entwicklung in Gang setzt.

Manifestationspunkt dieses Rollentauschs ist der gemeinsame Besuch eines Noh-Stücks, in dem eine alte Frau veralbert wird, die sich in einen jungen Mann verliebt hat. Während Yukiko und Matoba sich köstlich amüsieren, erkennt Hatsuko natürlich die Parallelität und zieht sich verwirrt und niedergeschlagen allein zurück. Erst als der Auslöser und Angelpunkt dieser Entwicklung, die Unaufrichtigkeit und Heuchelei des Arztes Matoba, den beiden Frauen klar wird, Yukiko mit einer Schere auf ihn losgeht und dadurch das Konkurrenzverhältnis hinfällig wird, ergibt sich wieder ein emotionales Gleichgewicht.

The Woman in the Rumour, ein Jahr nach Gion Bayashi und zwei vor Street of Shame (Mizoguchis letzter Film) entstanden, stellt in mancher Hinsicht so etwas wie das verbindende Glied zwischen diesen beiden Filmen dar. Alle drei beschäftigen sich mit den Lebensverhältnissen von Geishas und dem schmalen Grad zur Prostitution, wobei Gion Bayashi sich noch am stärksten mit dem klassischen Ideal auseinandersetzt, das bei Woman in the Rumour nur noch Fassade ist und in Street of Shame völlig abhanden gekommen ist.

Auch wenn Yukiko – und damit ein Stück weit auch wir als Zuschauer – ihre Abneigung gegen die menschenverachtende Ausbeutung der Frauen hinter sich lässt, ruft Mizoguchi ähnlich wie in den beiden anderen erwähnten Filmen mittels eines jungen Mädchens, das aus materieller Not in die Prostitution gerät, den wahren Charakter am Ende wieder in Erinnerung. Mit Mizoguchis vorherigen Meisterwerken kann The Woman in the Rumour zwar nicht mithalten, aber er ist ein sehr typischer Mizoguchi und allemal sehenswert, gerade im Kontext mit seinen anderen Geisha-Filmen.