Archive for Mai, 2011

Original: Mirokurōze (2011) von Yoshimasa Ishibashi

Der Film besteht aus drei Geschichten, von denen eine den Pro- und Epilog bildet und die beiden mittleren lose miteinander verknüpft sind. Zunächst wird uns das Leben von Ovreneli Vreneligare vorgestellt, einem Kind, das in einer märchenhaften, idealisierten Welt lebt und sich dann in die ebenfalls märchenhaft schöne und titelgebende Milocrorze (Anna Ishibashi) verliebt. Kurze Zeit leben die beiden wie in einem paradiesischen Traum, doch dann macht sich Milocrorze vom Acker. 30 Jahre später, in denen aus dem Kind ein Mann wurde, kommt es am Ende des Films zu einem Wiedersehen.

Dazwischen lernen wir einen Berater für unglücklich verliebte junge Männer kennen, der sich nur tanzend fortbewegt und ständig von spärlich bekleideten Damen umgeben ist. Seine „Beratung“ besteht im wüsten Beschimpfen seiner Kunden und darin, ihnen absurde Handlungsanweisungen zu geben. Darauf folgt die Geschichte eines Mannes (ebenso von Takayuki Yamada gespielt wie der Berater), dessen Geliebte entführt und in einer anderen Zeit an ein Bordell verkauft wird. Um sie zu befreien wird er zum Samurai und richtet in dem Bordell ein Blutbad an.

milocrorze_gal05

Speziell in den ersten 30-40 Minuten legt Milocrorze ein halsbrecherisches Tempo vor, sprüht nur so vor kurios-absurden Ideen, reißt den Zuschauer in einem Strudel fantastischer Bilder mit und macht entsprechend mächtig Spaß. Aber schon bei der Story des Samurai auf der Suche nach seiner Geliebten lässt das Tempo nach und die verblüffenden Momente werden seltener. Highlights wie der Auftritt von Seijun Suzuki – Mitbegründer der Nouvelle Vague und von Shochiku als Regisseur gefeuertes Enfant terrible der 1960er Jahre – als seniler Tätowiermeister oder eine atemberaubend choreografierte, abwechselnd in Zeitlupe und Zeitraffer gezeigte Kampfszene, können den letztlich etwas enttäuschenden Ausklang des Films nicht verhindern.

Wer von Milocrorze eine aufrichtige Auseinandersetzung mit dem Thema „Liebe“ erwarte, wie es der internationale Titel ja leider suggeriert, der muss hier enttäuscht werden. Die Liebe dient nur als Aufhänger, um einige verrückte, schön anzusehende und die meiste Zeit ziemlich irrwitzige und unterhaltsame Geschichten zu erzählen, in denen Takayuki Yamada richtig auftrumpft und seine Vielseitigkeit nachdrücklich beweist. Ein herrlich durchgeknallter Film, dem nur leider zum Schluss etwas die Luft ausgeht.

Birthright

Original: Saitai (2010) von Naoki Hashimoto

Eine junge Frau stalkt ein Ehepaar und deren Teenage-Tochter. Tagelang steht sie bei Wind und Wetter halb hinter einem Baum verborgen gegenüber des Gartens und blickt durch die Wohnzimmerfenster. Dann spricht sie, als Schülerin verkleidet, die Tochter an und lockt sie unter einem Vorwand in ihr Auto, wo sie das Mädchen mit Handschellen fesselt und knebelt. Sie sperrt das Mädchen in einen bunkerähnlichen Raum, nimmt ihm das Handy ab und schickt der Mutter eine Nachricht: „Ich werde das zerstören, was dir am Kostbarsten ist! Grüße von deiner verstoßenen Tochter.“

birthright_main

Das Regiedebut des etablierten Produzenten Naoki Hashimoto, der uns unter anderem den genialen Tony Takitani beschert hat, klingt zunächst wie eine klassische Rache-Story mit besten Voraussetzungen für einen intensiven Psychothriller oder intelligenten Horror-Schocker. Nur leider wird daraus weder das eine noch das andere.

Die Location für die Entführung unterstreicht zunächst die bedrohlich-düstere Stimmung perfekt und erinnert ein wenig an ein ausrangiertes Dojo. Im permanenten Halbdunkel, kein Laut ist zu hören, perfekt für ein spannendes Psychoduell. Doch weder zwischen den beiden Halbschwestern noch zwischen der Mutter und der von ihr ausgesetzten und nun auf Rache dürstenden Tochter kommt es dazu. Die meiste Zeit sitzen die Charaktere einfach nur wort- und reglos in der Gegend herum. Und Blut fließt in dem Film erst in den letzten Sekunden, und dann völlig anders als erwartet.

Die entführte Tochter ist ein hilfsloser Spielball ihrer kaltblütigen, berechnenden und zu allem entschlossenen Halbschwester, ohne aber zu wissen, wen sie vor sich hat und für welchen perfiden Plan sie da gerade benutzt wird. Die Mutter ist – bis auf die letzten Minuten des Films – völlig apathisch und emotionslos. Weder wird ein echter Spannungsbogen aufgebaut noch erhalten wir Einblicke in das Gefühlsleben der Charaktere. Dazu kommt noch das ästhetische Konzept des Films, das sehr auf düstere, minimalistische und farblose Bilder setzt, die zwar schön anzusehen sind, den Film allein aber nicht tragen können.

Als besonders problematisch empfand ich zudem, dass der Film die „Heldin“ mehrfach in ein positives Licht zu rücken und Sympathie für sie zu wecken versucht, etwa im Flashback, in dem man sie in einem Waisenhaus aufwachsen sieht, oder in der Schlusssequenz. Was in vielen Filmen über „gerechte Rache“ gut funktioniert, nur wird hier ein unschuldiges Mädchen zum Werkzeug eines Hasses, der sich eigentlich gegen eine andere Person richtet.

Ich muss zugeben, dass ich während des Films ein paar Mal eingenickt bin, es könnte also theoretisch möglich sein, dass ich was wichtiges verpasst habe. Ich bezweifle das aber stark. Und damit ist dann eigentlich auch schon alles gesagt über Birthright. Schade eigentlich, das klang alles so vielversprechend.

Dieses Jahr macht das JFFH das Dutzend voll und präsentiert zum 12. Mal einen Überblick über die vielfältige Filmszene Japans in der Hansestadt. Und mit rund 100 Produktionen wird dieser Überblick so umfassend ausfallen wie noch nie zuvor!

Außerdem wird es aus Anlass der Erdbeben-Tsunami-Katastrophe eine Ausstellung der in Hamburg lebenden Künstlerin Nobuko Watabiki zu sehen geben. Mehrere hundert namhafte Künstler aus Japan haben dazu ihre Eindrücke und Gedanken in Postkartenform gebracht. Einige großartige Beispiele gibt es auf der Webseite des Projekts zu sehen, das Watabiki zusammen mit Markus Leibold aus dem JFFH-Team vorantreibt. Die Ausstellung mit allen Exponaten während des Filmfests im Foyer des Metropolis-Kinos sollte man auf keinen Fall versäumen!

Außerdem habe ich erfahren, dass einer der Gäste des JFFH aus der betroffenen Erdbebenregion stammt und etwa 180 Minuten niemals zuvor gezeigtes Filmmaterial aus den verwüsteten Gebieten mitbringt. Das Team sucht gerade noch fieberhaft nach Möglichkeiten, diese einzigartige Dokumentation den Besuchern des JFFH zugängig zu machen. Ich drücke alle Daumen dass das klappt, das wäre sensationell!

Nun mein ganz unspektakulär-persönlicher Festivalplan. Darauf finden sich ein paar Filme, die ich auf der Nippon Connection verpasst hatte und die nun nachgeholt werden, wie etwa Door to the sea oder Milocrorze. Außerdem werde ich die Gelegenheit nutzen und mir Arrietty gleich nochmal geben 🙂

[table "9" not found /]

Außerdem werde ich am Sonntag beim Filmfrühstück mit anpacken. Vielleicht sieht man sich!

NC2011

Drei Wochen liegt die NC bereits zurück, und in ein paar Tagen startet schon das JFFH! Höchste Zeit also, das größte Festival für japanischen Film nochmal Revue passieren zu lassen und ein kurzes Fazit zu ziehen.

Während meiner drei Tage in Frankfurt habe ich 10 Filme gesehen, die ein sehr breites Spektrum abdeckten und von denen ich erfreulicherweise keinen einzigen unter „Reinfall“ abschreiben musste. Vom experimentellen Animationsfilm über Bildorgien aus dem Hause Shion Sono und romantische Komödien bis zum gesellschaftskritischen Episodenfilm war alles dabei, und meistens auch richtig gut. Der einzige Durchhänger war aus meiner Sicht Hero Show, aber auch der war nicht eigentlich ein schlechter Film, eher irgendwie unausgereift.

So erfreulich das allgemein hohe Niveau einerseits auch ist, habe ich andererseits doch keinen wirklich herausragenden Film gesehen, der mich komplett von den Socken gehauen hätte. So fällt es mir extrem schwer, die traditionelle After-Festival-Hitliste auf die Beine zu stellen. Vielmehr sehe ich ein Quartett aus Arrietty, Sweet Little Lies, Cold Fish und Permanent Nobara gleichauf als filmische Höhepunkt der NipponConnection 2011, die mir alle sehr gut gefallen haben und die sich wenig schenken.

Neben den Filmen gab es natürlich wieder ein umfangreiches kulturelles Rahmenprogramm, von dem ich allerdings ziemlich wenig bis nichts mitbekommen habe. Ich fahre eben wegen der Filme nach Frankfurt, das drumherum ist mir weniger wichtig. Eines ist mir aber aufgefallen und zwar positiv: Die japanische Cheerleader-Truppe von Gamushara Oendan, die mit unglaublicher Begeisterung und Ausdauer die Stimmung angefeuert haben! Der Hammer die Jungs, siehe das Video von der Abreise am Frankfurter Flughafen.

Persönliche Highlights für mich waren natürlich besonders die Begegnungen mit einigen hochverehrten Blogger-Kollegen! Ein Wiedersehen gab es mit Tobias, endlich mal persönlich kennenlernen durfte ich Groschi und Cathy und neue Bekanntschaft wurde geschlossen mit dem NC-Chefblogger Gary sowie Ciprian und Elisabeth von Negativ-Film. Leider war die Zeit etwas knapp bemessen, um sich wirklich ausführlich zu unterhalten, aber ich bin sicher, dass sich nächstes Jahr die Gelegenheit wieder ergibt. Ich freu mich schon drauf! 🙂

Original: Pâmanento Nobara (2010) von Daihachi Yoshida

Nach ihrer Scheidung lebt die junge Naoko (Miho Kanno) mit ihrer Tochter wieder bei ihrer Mutter in einem kleinen, gottverlassenen Fischerdorf. Der Friseursalon ihrer Mutter ist der Treffpunkt für die Frauen des Dorfes, wo sie sich über ihre Männergeschichten austauschen, sich ihr Leid klagen und gegenseitig aufmuntern. Das Liebesleben sowohl der Kundinnen als auch von zwei alten Freundinnen Naokos stellt sich als mehr oder weniger große Katastrophe heraus. Im Vergleich dazu scheint Naokos heimliche Affäre mit einem Lehrer geradezu perfekt zu laufen – etwas zu perfekt, wie sich erweist.

Screenshot_Permanent_Nobara_02

Dass Regisseur Yoshida schräge Charaktere und Ereignisse wunderbar unaufgeregt und natürlich in Szene setzen kann, hat er bereits mit Funuke, show some love you losers gezeigt. Waren die Skurrilitäten damals aber eher zweischneidig angelegt, kommen sie jetzt durch und durch sympathisch und witzig daher. Besonders das erste Drittel des Films, in dem wir die verschiedenen Frauen und das Dorf kennen lernen, bietet daher allerhöchsten Unterhaltungswert und jede Menge Lacher.

Paradebeispiel dafür und für die Anlage des Films überhaupt ist der auf Don Quijotes Spuren wandelnde senile Großvater, der mit seiner Kettensäge einen ewigen Kampf gegen Strommasten zu führen scheint und damit immer mal wieder für spontane Stromausfälle im ganzen Dorf sorgt. Es stellt sich dann jedoch heraus, dass das Dorf früher so arm war, dass seine Familie manchmal nichts zu essen hatte. Dann zog er los und „fällte“ ein paar Strommasten, um das Holz und die Stromleitungen auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Bei den den hungrigen Kindern war er deshalb damals der Held, heute lässt ihn diese Erinnerung nicht mehr los.

Screenshot_Permanent_Nobara_01

Diese Darstellung und der Umgang mit dem Leben in dem kleinen Fischerdorf und der eingeschworenen, engen Gemeinschaft sind sehr gelungen: Manchmal etwas überzeichnet, sympathisch-verrückt und fast idealisierend, aber bevor es zu einer Romantisierung des „einfachen Lebens“ kommen könnte wird intelligent und ironisch hinterfragt und auf die Schattenseiten hingewiesen.

So ist auch der Umgang mit Naokos Charakter gestaltet. Zunächst wirkt sie trotz ihrer Scheidung im Vergleich zu den überdrehten Besucherinnen des Frisiersalons sehr ausgeglichen und glücklich. Die Beziehung zu dem Lehrer wirkt überaus harmonisch, die beiden verstehen sich wunderbar und lieben sich offenbar sehr. Da sie die Beziehung allen anderen verheimlicht, sehen die beiden sich aber nur selten.

Irgendwann wirkten diese Momente des Wiedersehens auf mich zunehmend irreal, wie reiner Eskapismus. Dass diese Beziehung so nicht lange gut gehen könnte, hatte ich erwartet, die Wendung die sie und damit der ganze Film am Ende nehmen, kam dann aber wie ein Schlag vor den Kopf! Die Offenlegung der Wahrheit kam völlig unerwartet und ist so clever inszeniert, da dürfte so ziemlich jeder im Kinosaal für einen Moment den Atem angehalten haben. Ein echter Gänsehaut-Moment, sehr genial!

Screenshot_Permanent_Nobara_04

So entwickelt sich der Film von der komödiantischen Eröffnung immer mehr hin zu einem Drama. Das Motiv des Gefangenseins in der Vergangenheit findet sich bei fast allen Charakteren mehr oder weniger ausgeprägt. Vom Großvater mit seinem Strommastenfällen über Naokos Freundinnen, die mit Erinnerungen an längt vergangene Beziehungen zu kämpfen haben, bis am Ende hin zu Naoko selbst: Die Vergangenheit lässt die Charaktere in Permanent Nobara nicht los. Und so kriegen wir natürlich auch reichlich Flashbacks in diesem Film zu sehen, die sich aber sehr schön einfügen.

Die Gründe für diese permanente Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, die mal glorifizierende, mal verdammende Formen annimmt, sind vor allem Einsamkeit und ein ausgeprägter Wunsch nach Liebe. Bei aller Freundschaft und Zusammenhalten in der kleinen Dorfgemeinschaft sind die meisten der Frauen doch sehr allein. Ein eng damit verbundenes, immer wiederkehrendes Motiv ist die Verarbeitung von Verlust und Tod, die sich wie ein roter Faden durch den Film zieht, sei es anlässlich von tatsächlichen Todesfällen oder die häufigen symbolische Beerdigungen, die Naoko zusammen mit einer ihrer Freundinnen durchführt. Mit einer Botschaft des „niemals unterkriegen lassen“ schafft es der Film am Ende doch, mit einer positiven Note zu enden.

Screenshot_Permanent_Nobara_03

Für mich war Permanent Nobara eines der Highlights der diesjährigen Nippon Connection. Ein wunderbarer Film, großartig erzählt mit urkomischen, liebenswert-verrückten Typen, der sich wohl am besten mit „bittersweet“ beschreiben lässt und auf sehr beeindruckende Weise die Balance zwischen romantischer Komödie und Drama hält. Sehr sehenswert!

Auf der NipponConnection 2011 gab es mal wieder viel zu viel zu sehen und zu erleben, als dass ein Blog dafür reichen würde. Zum Glück haben eine Reihe alter und neuer Bekannter ihre Eindrücke der Filme und des höchst unterhaltsamen Rahmenprogramms ebenfalls in den Äther hinaus geschrieben, von denen ich einige dringend zum Lesen empfehlen möchte!

NC2011

Los gehts mit den Filmkritiken, denn schließlich waren wir ja alle der Filme wegen dort (falls ich damit jemandem Unrecht tun sollte, bitte Handzeichen geben):

  • Elisabeth von Negativ widmet sich DEM Teenie-Hit auf der NipponConnection: Gantz. Eine Mangaverfilmung, die ich mir nicht angetan angesehen habe, die aber anscheinend einige versteckte Qualitäten hat. Vielleicht hätte er doch ne Chance verdient…
  • Marc vom Toronto J-Film Pow-wow hat Door to the sea gesehen und wünscht sich mehr Filme von der jungen Regisseurin Reiko Ohashi. Der Film wird auch auf dem JFFH gezeigt und ich werde ihn mir nicht entgehen lassen!
  • Mit The Duckling hat Cathy auf Nishikata Film Review einen weiteren Film einer Nachwuchsfilmemacherin vorgestellt. Hier handelt es sich um einen autobiographischen Dokumentarfilm, der auf sehr offene Weise schmerzhafte Themen angeht, filmisch aber seine Schwächen zu haben scheint.
  • Cathy schildert außerdem auch ihre Eindrücke von Here comes the bride, my Mom, den ich ebenfalls gesehen habe, aber nicht ganz so positiv bewerten würde wie Cathy.
  • Ciprian (ebenfalls Negativ) hat sich speziell mit Independent-Filmen beschäftigt, die auf der NC zu sehen waren. Einige davon werden auch auf dem JFFH gezeigt, vielleicht mag das ja für den einen oder anderen eine interessante Abwechslung sein.
  • Thomas und Hendrik berichten im Schöner Denken-Podcast ihre Eindrücke von Sketches of Kaitan City, die ich absolut bestätigen kann! Auch wenn das definitiv kein einfacher Film war, bin ich sehr froh, dass ich ihn noch mitgenommen habe.
  • Groschi – meinen regelmäßigen Lesern aus zahlreichen geschätzten Kommentaren bekannt – schildert seine Eindrücke vom zweiten Festivaltag und zerreisst dabei ganz nebenbei den auf der Berlinale ausgezeichneten Heaven’s Story. Zitat: „Kackwurst von einem Film“ 😀

Neben den Filmen gehören die Begegnungen und Gespräche mit Filmemachern zu den Highlights eines Festivals. Wie sowas aussehen kann, lässt sich schön auf dem Nippon Connection Blog nachlesen, etwa am Beispiel eines Gesprächs mit Ishibashi Yoshimasa und Mr Hide. Absolut sehenswert auch das Interview mit Keiichi Hara, Schöpfer des Überraschungserfolgs Summer Days with Coo aus dem Jahr 2007, der auf der NC seinen neuen Film Colorful präsentierte.

Die NipponConnection hat ja sehr viel mehr zu bieten als nur die Beschäftigung mit Filmen. Einige schöne Impressionen zum Drumherum finden sich im Festival-Blog, beispielsweise vom Filmfrühstück, der Soup Lounge (sehr leckere Udon dort, aber verbunden mit heftiger Wartezeit), einem Kendo-Workshop und einem Sake-Workshop.

Original: Karigurashi no Arrietty (2010) von Hiromasa Yonebayashi

Der junge Sho verbringt den Sommer im alten Haus seiner Tante. Schon bald bemerkt er, dass das Haus ein Geheimnis birgt: Versteckt in den dunklen Ecken und Fundamenten lebt die winzige Borgerin Arrietty zusammen mit ihren Eltern und „borgt“ sich die Dinge des täglichen Bedarfs von den Menschen. Oberstes Gebot ist eigentlich, dass die Menschen von der Anwesenheit der Borger nichts bemerken dürfen. Doch Arrietty übertritt das Tabu und schließt Freundschaft mit Sho, dessen Ankunft und besonders die Neugier der Haushälterin Haru jedoch eine zunehmende Bedrohung für Arriettys heile Welt darstellen.

Seit Mitte der 90er Jahre war Hiromasa Yonebayashi beim Studio Ghibli tätig und in dieser Zeit als Animationskünstler an allen großen Filmen Hayao Miyazakis beteiligt. Diese Schule und die Prägung durch Miyazaki ist seinem Regiedebut Arrietty auf Schritt und Tritt anzusehen: Der Film zeichnet eine wunderschöne Welt der kleinen Dinge mit einer Vielzahl an liebevollen Details, ganz im Stil von Werken wie Kikis kleiner Lieferservice oder Mein Nachbar Totoro.

Ähnlich wie in diesen Filmen werden auch in Arrietty Geschichte und Charaktere nicht durch konstruierte Abenteuer und gut-gegen-böse Konstellationen vorangetrieben. Vielmehr dreht sich der Film um die kleinen Abenteuer, so dass schon eine in einem Moskitonetz feststeckende Krähe zu einem actiongeladenen Höhepunkt wird.

Die aus vielen Filmen Miyazakis bekannte Thematik der gestörten Harmonie im Miteinander von Mensch und Natur wird in Arrietty nicht so offensiv angegangen, findet sich aber wieder in der Kontrastierung des einfachen, an der Natur orientierten Lebens der Borger mit dem der großen Menschen. Dass die Möglichkeit eines echten Zusammenlebens von Borgern und Menschen für keine einzige Sekunde erwägt wird, wirft Fragen auf und gibt dem Film bei aller Freude und Schönheit einen melancholisch-pessimistischen Hauch.

Mit Arrietty ist Yonebayashi ein wunderbares Debut gelungen, ein Film für die ganze Familie, der Spaß macht, schön anzusehen ist aber auch unseren Umgang mit anderen Lebensformen und -weisen hinterfragt. Am 2. Juni kommt die kleine Borgerin auch in die deutschen Kinos, eine Gelegenheit die sich niemand entgehen lassen sollte!