Archive for the ‘Regisseure’ Category

In den letzten Jahren gab es leider immer wieder den Tod eines großen Vertreters des japanischen Films zu betrauern. Doch wenn ein solcher Todesfall es auf die Startseite von Spiegel Online schafft, dann muss es sich um eine besondere Persönlichkeit gehandelt haben. Bei Nagisa Oshima war dies der Fall: Geboren am 31. März 1932, verstarb er heute im Alter von 80 Jahren in Tokyo an einer Lungeninfektion.

Dass sein Tod derzeit in vielen großen Medien gemeldet wird, hat er vor allem einem Film zu verdanken, mit dem er große Wellen der Empörung schlug, nämlich Im Reich der Sinne. Die Geschichte eines Liebespaares, das seine sexuellen Fantasien rücksichtslos bin in den Tod auslebte, sorgte in den späten 1970er Jahren für einen Skandal. Der Film wurde bei der Aufführung auf der Berlinale beschlagnahmt, in vielen Ländern verboten. Entsprechend widmen sich die meisten der Nachrufe vor allem diesem und seinen wenigen nachfolgenden Werken, wie etwa Merry Christmas Mr. Lawrence mit David Bowie und Takeshi Kitano oder Max, mon amour.

Dabei sind es vor allem seine frühen Filme aus den 1960er Jahren, die mit ihrer Experimentierfreude, ihrer offenen Ablehnung filmischer Konventionen und ihren kontroversen, oft gezielt provozierenden politischen Themen seinen Ruf als wichtigster Vertreter der japanischen New Wave begründeten. Messerscharf sezierte er in diesen Filmen etwa die Scheinheiligkeit der Studentenrevolten gegen den amerikanisch-japanischen Sicherheitspakt, befasste sich mit Fragen von Identität und Vorurteilen gegenüber Minderheiten, mit der Verantwortung des Individuums angesichts des verantwortungslos handelnden Staates, sowie in seinem Meisterwerk Die Zeremonie mit den in der Familie verankerten feudalen Elementen der japanischen Gesellschaft. Diese Filme sind – jedenfalls meiner Meinung nach – interessanter als seine späteren Werke, bei denen das Verhältnis von Sexualität und Macht in den Vordergrund rückt. Welche sich aber offensichtlich sehr viel wirksamer und nachhaltiger auf seinen Ruf auswirkten.

Wer Nagisa Oshima bisher vor allem auf Grund diese Spätwerke kannte, mag seinen Tod vielleicht zum Anlass nehmen, einen Blick auf seine früheren Werke zu werfen – einige der besten sind in der Reihe „Japanische Meisterregisseure“ von polyvideo erschienen. Hier ein kleiner Auszug aus seiner Filmographie:

Ein japanischer Regisseur, der am selben Tag Geburtstag hat wie ich und dem ich auf dem JFFH begegnet bin, da muss natürlich ein ausführlicheres Portrait her! Also, Sadao Nakajima wurde am 8. August 1934 in Chiba in der Nähe von Tokyo geboren. Die meisten seiner Filme entstanden dann aber in Kyoto. Hintergrund war, dass er während seines Studiums sich stark mit griechischem Theater befasst und darüber auch seine Abschlussarbeit geschrieben hatte und – so erzählte er – daher beim Einstieg bei Toei gleich den Historienfilmen zugeteilt wurde. Und die wurden in Kyoto gedreht.

Sein Regiedebut gab Nakajima 1964 mit Kunoichi jinpo, einem Film über weibliche Ninja. Es folgten im Laufe der 60er Jahre eine ganze Reihe von Schwertkampf-Filme, bis er Anfang der 70er ins Yakuza-Genre wechselte. Hier wurde er bald zu einem der wichtigsten Vertreter, besonders seine realistische, offene Inszenierung von Gewalt und der Bruch mit Genrekonventionen waren dabei seine Markenzeichen.

Auch wenn er wegen der Krise der japanischen Filmindustrie überwiegend sogenannte „Program Pictures“ für Toei drehte, die schnell und günstig produziert werden mussten, genoss er dabei doch eine relativ große Freiheit und konnte viele seiner Ideen umsetzen – solange die Filme schnell genug fertig wurden und das Budget nicht überschritten. So wurde Nakajima zu einem Meister darin, mit einfachen Mitteln aus den gegebenen Verhältnissen das Beste zu machen, was hervorragend  seinen Ansatz des ehrlichen, realistischen Films ergänzte. Seburi Monogatari, ein Film in dem die vier Jahreszeiten eine wichtige Rolle spielen,  entstand beispielsweise fast komplett on location mit natürlichem Licht.

Trotzdem war er kein einfacher Regisseur für Toei, seine Abneigung gegen simple gut-gegen-böse-Konstellationen widersprachen der Idee des schnell produzierten Program Pictures. Doch Nakajima war schon immer von der Figur des Antihelden fasziniert und wollte auch das gesellschaftliche Klima der späten 60er und frühen 70er Jahre aufgreifen. So entstanden Filme wie Escape from Hiroshima Prison, mit einem rebellischen, tragikomischen Antihelden voll unbändigen Freiheitswillen. Hier zeigt sich wohl auch, dass er auf Grund seines Studiums im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen viel stärker durch europäische als durch amerikanische Kultur und Filme beeinflusst wurde.

Eine weitere Spezialität vieler seiner Filme ist die eingehende Beschäftigung mit der Rolle von Frauen, denen er große Stärke beimisst. Er war wohl der erste Regisseur, der Frauen in der Welt der Yakuza thematisierte, aber auch in seinen Jidaigeki standen Frauen häufig im Mittelpunkt. So etwa in seinem bereits erwähnten Debutfilm oder in dem 1967 entstandenen Ô-oku maruhi monogatari mit Altstar Isuzu Yamada über den ō-oku, einen Bereich des Shogun-Palastes, zu dem nur Frauen Zutritt hatten. Natürlich gehört auch Appassionata in diese Reihe, eines seiner Spätwerke, mit dem er sich weit von den klassischen Program Pictures entfernte, womit er seinen Ruf als eigenständiger und sehr vielseitiger Filmschaffender unterstrich.

Eine kleine Auswahl seiner wichtigsten Filme:

1964: Kunoichi ninpo
1967: Ô-oku maruhi monogatari
1969: Nihon ansatsu hiroku
1974: Jeans Blues: No future
1975: Riot in Shimane Prison
1976: Crazed Beast
1982: Conquest
1984: Appassionata
1985: Seburi monogatari
1998: Gokudo no onna-tachi: Kejime

Kaneto Shindo

Aus Anlass des Todes von Kon Ichikawa habe ich diesen neulich als den letzten großen Regisseur aus der goldenen Nachkriegsära des japanischen Films bezeichnet. Für die allererste Garde ist das sicher zutreffend, aber es gibt da noch einen nicht ganz so bekannten Regisseur, der noch immer am Leben und sogar noch älter ist: Kaneto Shindo.

Geboren am 28. April 1912 kam Shindo Mitte der 1930er zum Film, zu einer Zeit also, als in Japan noch überwiegend Stummfilme gedreht wurden! Zunächst war er als Drehbuchautor tätig (in seiner langen Karriere kann er auf etwa 200 Drehbücher zurückblicken), und arbeitete als solcher mehrfach mit Kenji Mizoguchi zusammen, der zu seinem großen Vorbild wurde. Aus dieser Zusammenarbeit gingen in den Nachkriegsjahren mit My Love has been burning und The Victory of Women zwei Filme mit hohem sozialkritischem Anspruch hervor. Überhaupt wird Shindo als dem sozialistisch-kommunistischen Lager zugehörig beschrieben, nicht zuletzt von Donald Richie.

1951 gab er dann mit Story of a beloved wife sein Debut als Regisseur, mit seiner Ehefrau Nobuko Otowa in der Hauptrolle, die auch bei seinen weiteren Filmen mitwirkte. Größere Bekanntheit als Regisseur erlangte er dann 1952 mit Die Kinder von Hiroshima und vor allem ab 1960 mit Filmen wie Die nackte Insel, der den Großen Preis des Moskauer Filmfestes gewann, und seinem wohl bekanntesten Werk überhaupt, Onibaba. Letzterer läutete eine thematische Wende hin zu Themen der Sexualität ein.

Mizoguchis Einfluss auf Shindos Filme ist kaum zu übersehen: Lange Einstellungen, viele ausladende Kamerafahrten, sehr harmonische Bildkomposition und viel Liebe und Zuwendung zum Detail. Zudem stehen auch bei Shindo meist Frauen und ihr hartes Schicksal im Zentrum der Filme. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Shindo 1975 eine zweieinhalbstündige Dokumentation über Leben und Werk seines großen Vorbilds drehte.

Sein neuester Film Hanawa Chiredomo ist übrigens für ein Release in diesem Jahr vorgesehen, was ihn mit bald 96 Jahren zum ältesten zweitältesten aktiven Regisseur der Welt macht. Wahrlich ein lebendes Stück Filmgeschichte!

Wichtige Filme Kaneto Shindos:

1951 – Story of a beloved wife
1952 – Children of Hiroshima
1955 – Okami
1960 – Die nackte Insel
1963 – Mother
1964 – Onibaba
1968 – Kuroneko
1975 – Kenji Mizoguchi: The Life of a Film Director
1981 – Hokusai manga
1992 – The Strange story of Oyuki
2003 – Fukurō

Heute, am 13. Februar 2008, starb mit Kon Ichikawa der letzte große Regisseur aus der goldenen Phase des japanischen Nachkriegskinos im stolzen Alter von 92 Jahren. 60 Jahre lang war er als Regisseur tätig gewesen: 1946 drehte er seinen ersten eigenen Film, Musume dojoji, nachdem er zunächst als Trickfilmzeichner zum Film gekommen war und dann als Regieassistent Erfahrungen sammelte.

Portrait Ichikawa KonNach einer Reihe von Komödien (darunter ein Remake des 20er-Jahre Klassikers The Woman who touched the leg) erlebte er seinen Durchbruch mit The Burmese Harp. Innerhalb kurzer Zeit etablierte er sich mit weiteren großen Werken wie Conflagration, Bonchi, Odd Obsession und wurde 1964 mit der Dokumentation der Olympischen Spiele in Tokyo beauftragt. Diese Phase seiner Karriere war geprägt von der Zusammenarbeit mit der Drehbuchautorin Natto Wada, die er auch heiratete, und dem Kameramann Kazuo Miyagawa, unbestritten der herausragendste seines Fachs in der japanischen Kinogeschichte.

In dieser Zeit genoss Ichikawa weitgehende künstlerische Freiheit und konnte seine Projekte nach Belieben umsetzen. Die Studios erlaubten ihm sogar Extravaganzen wie die finale Einstellung von The Broken Commandments, für die er zwei Wochen lang mit seinem Team auf Schneefall wartete. Diese Filme beschäftigen sich meist mit sozialen Missständen und gesellschaftlichen Problemen, den Seiten der Realität, die gern ausgeblendet werden.

Nachdem Wada Mitte der 1960er Jahre die Arbeit an Drehbüchern aufgab, gelang es ihm nicht mehr, an diese brillante Phase seines Schaffens anzuknüpfen. Gemeinsam mit Akira Kurosawa und Kinoshita Keisuke gründete er ein eigenes Produktionsstudio, das sich jedoch nach nur einem Projekt (Kurosawas Dodeskaden) wieder auflöste. Ichikawa drehte weiter, unter anderem 1985 ein Remake von The Burmese Harp. Seinen letzten Film drehte der 1915 Geborene genau 60 Jahre nach seinem Debut im Jahr 2006, als er bereits jenseits der 90 war.

Wichtige Filme Kon Ichikawas:

1946 – Musume dojoji
1956 – The Burmese Harp
1956 – Nihonbashi
1958 – Conflagration
1959 – Odd Obsession
1959 – Fires on a Plain
1960 – Bonchi
1962 – The Broken Commandments
1963 – An Actor’s Revenge
1964 – Tokyo Olympiad
1966 – Genji monogatari
1976 – The Inugami Family
1983 – Sasame yuki
2000 – Doraheita
2006 – The Inugamis

So, trotz des herrlichen Wetters hab ich mich auf meine vier Buchstaben gesetzt und den angekündigten Essay zu Akira Kurosawa abgeschlossen. Der Essay basiert auf einem Vortrag, der sich an ein bunt zusammengesetztes Laienpublikum, sowohl filmtheoretisch als auch was Kurosawa betrifft, richtet. Für diesen Vortrag hatte ich mich für eine Mischung aus chronologischem und thematisch-systematischem Vorgehen entschieden, und so ist auch der Essay strukturiert.

Für alle, die sich die 10 Seiten nicht durchlesen möchten, auf die Schnelle einige zentrale Punkte:

  • Kurosawas Schaffen lässt sich grob in vier Phasen unterteilen. Eine etwa bis Rashomon (1950) reichende Frühphase, in der er mit Techniken und Stilmitteln experimentiert und in der sich beherrschende Themen und Motive herauskristallisieren. Dann die bis Rotbart (1965) andauernde Reifephase, auf die eine Zeit großer professioneller und persönlicher Krisen folgt, die zu sehr pessimistisch geprägten Filmen führt, die 1985 in Ran kulminiert. Darauf folgt schließlich ein versöhnliches Alterswerk, das sich ästhetisch und thematisch stark von allen anderen Filmen unterscheidet.
  • Zentrales Thema vieler Filme Kurosawas sind die Entwicklung eines Helden und dessen Kampf mit sich selbst und dem gesellschaftlichen Kontext. Dabei sind die Helden mit dem Dilemma konfrontiert, dass der Weg zu Selbsterkenntnis und Verbesserung gesellschaftlicher Zustände ein einsamer ist, gleichzeitig aber ein Leben ohne Einsatz für ein Ziel, ohne hartes Arbeiten an sich selbst und ohne Hingabe an ein höheres Ideal oder einen Meister leer und bedeutungslos ist.
  • Wichtige Merkmale von Kurosawas Stil sind die Fragmentierung (durch lineare Muster) und Kompression (durch Teleobjektive) des dargestellten Raums, was wiederum zusammen mit kontrastierender Schnitttechnik eine hohe Dynamik hervorbringt (außer in den Filmen der Spätphase). Außerdem verwendet er häufig Wind und Wetter, um wichtige Entwicklungen anzukündigen oder eine bedrohliche, bedrückende Stimmung zu schaffen.

pdf-iconDie ausführliche Version als PDF mit biographischem Hintergrund, Beispielen aus Filmen und ein paar Screenshots kannst du hier herunterladen. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen und freue mich auf Anregungen, Fragen und Kritik!

Wie keinem anderen gelingt es Mikio Naruse (1905-1969) in seinen Filmen das Leben mit all seinen Sorgen, Nöten und enttäuschten Hoffnungen, aber auch mit all den kleinen und großen Freuden des Alltags ehrlich, ungeschminkt und mit ganz viel Liebe zum Detail einzufangen.

Das war mein Eindruck, nachdem ich alle sechs in Hamburg gezeigten Naruses gesehen habe. Mir ist klar, dass es vermessen wäre, einen Regisseur, der 90 Filme gedreht hat, anhand von sechs Filmen zu beurteilen. Noch dazu, wenn alle diese Filme aus derselben Schaffensphase, nämlich der nach 1951, stammen. Zu gerne hätte ich auch Vorkriegsfilme gesehen, insbesondere Wife! Be like a rose, einer der ersten japanischen Filme, die im Westen aufgeführt wurden, oder vielleicht auch den einen oder anderen aus seiner angeblichen – von Alexander Jacoby bestrittenen – Schaffenskrise von 1936-51.

Dennoch glaube ich, dass die gesehenen Filme und was ich bisher zu Naruse gelesen und gehört haben, einige typische Merkmale seiner Filme deutlich machen. Dazu gehört, dass sich die Geschichte um eine Frau, in vielen Fällen um eine Witwe, dreht. Es gibt keine eigentliche Handlung, keinen Plot im klassischen Sinne, die Geschichte entwickelt sich ganz aus den handelnden Charakteren, ihren Beziehungen zueinander und den (alltäglichen) Problemen, mit denen sie konfrontiert sind. Ein entscheidender Unterschied zu den Filmen Kenji Mizoguchis, zu denen ansonsten viele thematische Parallelen bestehen.

Naruses Frauen (in den späteren Filmen häufig gespielt von Setsuko Hara und seiner Lieblingsdarstellerin Hideko Takamine) sehen sich immer mehreren Konflikten gleichzeitig ausgesetzt. Neben dem Kampf ums Überleben – die Geschichten spielen fast immer in einem ärmlichen Milieu und Geldsorgen sind allgegenwärtig – sind das Verpflichtungen gegenüber der Familie, Erwartungen auf Grund sozialer Normen und immer wieder Beziehungssorgen und unerfüllte Liebe.

Außer im Falle von „Yearning“ fand ich die Filme trotz all der Probleme und unerfüllten Hoffnungen aber nicht pessimistisch oder hoffnungslos, wie oft zu lesen ist. Das lag daran, dass Naruse es in herausragender Weise versteht, verschiedene Handlungsebenen miteinander zu verweben und eine ganze Reihe von Personen (oft verschiedene Familienmitglieder) in die Geschichte einzubeziehen und deren Geschichten mitzuerzählen. Diese zeigen dann oft neue Perspektiven oder Auswege auf, so dass die Hauptfigur vielleicht in einer Sackgasse endet, aber am Beispiel der einen oder anderen Nebenfigur gezeigt wird, dass das Leben mehr bieten kann (etwa in „Summer Clouds“ oder „When a Woman ascends the stairs“).

Dabei gelingt es Naruse immer, direkt ins Leben hineinzugreifen. Das waren für mich oft die schönsten Momente, wenn er mit winzigkleinen Details liebevoll die Persönlichkeit eines Charakters gestaltet und ausformt.

Im Gegensatz zu seinen bekannteren Kollegen Ozu oder Mizoguchi hat Naruse keinen bestimmten visuellen Stil. Aber es gibt bei seinen Filmen eine ganze Reihe von Motiven, die immer wieder an entscheidenden Stellen auftauchen. Die Eröffnungssequenzen beispielsweise zeigen fast immer Straßen, und zwar die verwinkelten engen Gassen des alten Japans sowie die daran angrenzenden kleinen, oft schäbigen Holzhäuser. Die Schlussszenen bestehen häufig aus einer oder zwei Personen, die eine Straße entlanggehen. Überhaupt finden wichtige, richtungsweisende und Beziehungen prägende Gespräche oft unter freiem Himmel statt, auf Brücken oder in Parks, wenn die Charaktere gewissermaßen ihren alltäglichen Sorgen für einen Moment enthoben sind und sich über die wichtigen Dinge im Leben klar werden können.

Von den sechs Filmen die ich gesehen habe, sind „Mother“ und „When a woman ascends the stairs“ meine Favoriten, beides sind großartige Filme die jeder Cineast gesehen haben sollte. Auch die anderen vier waren wirklich gut! Ich bin kein einziges Mal enttäuscht aus dem Kino gekommen und kann jedem, der die Gelegenheit hat, einen Naruse zu sehen, wärmstens empfehlen, diese wahrzunehmen! Ich werde in der nächsten Zeit die sechs gesehenen Filme noch einzeln besprechen.

1898 in Tokyo geboren, wuchs Kenji Mizoguchi in großer Armut auf. Er musste mit ansehen, wie seine ältere Schwester als Geisha verkauft wurde und wie sein Vater seine Mutter misshandelte. Diese Kindheitserlebnisse werden als ursächlich dafür gesehen, dass er später das Leid, die Unterdrückung und Ausbeutung der Frau zum Hauptthema seines filmischen Schaffens machte.

Ursprünglich ein Maler, stieg Mizoguchi als Oyama (Darsteller weiblicher Rollen) ins Filmgeschäft ein, wurde bald Regieassistent und drehte 1923 seinen ersten eigenen Film, Ai ni yomigaeuro hi. Allein in den darauf folgenden drei Jahren drehte er über 20 Filme, begann dann aber sich auf die Suche nach dem absoluten Realismus zu machen. Er wollte die Menschen und ihr Leben so authentisch wie möglich darstellen. In dieser Schaffensphase drehte er zumeist vor Ort in Armenvierteln, teilweise unter großer Gefahr für sich und sein Filmteam, linksgerichtete Propagandafilme wie Tokyo koshinkyoku (1929) oder Shikamo karera wa yuku (1931), die auch kommerziell erfolgreich waren. Aus dieser frühen Phase sind jedoch nur noch wenige Filme erhalten.

Aus der Philosophie seines Studios Nikkatsu, die ihren Filmen eine szenische narrative Struktur zu Grunde legten, entwickelte Mizoguchi einen auf langen Einstellungen beruhenden ästhetischen Stil, für den er bis heute berühmt ist. Er ging dabei so weit, ganze Szenen in nur einer Einstellung zu drehen. Um zu verhindern, dass die Filme dadurch statisch wirkten, bediente er sich langer Kamerafahrten, Schwenks und Kräne. Gleichzeitig war er immer bemüht, eine gewisse Distanz zum Geschehen einzuhalten. Dieser Stil wird zum einen auf seine Wurzeln als Maler zurückgeführt, zum anderen als eine Üœbertragung traditioneller Elemente des japanischen Theaters gesehen. Insbesondere in seinen späteren Filmen (Musashino fujin) wurde diese Ästhetik als altmodisch, traditionell und unpassend für das moderne japanische Kino kritisiert.

Ein zweites Markenzeichen von Mizoguchis Filmen begann sich im Laufe der 1930er Jahre herauszukristallisieren: Die Beschäftigung mit der Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen. In Die weißen Fäden das Wasserfalls verliebt sich die junge Taki in einen Mann und unterstützt ihn mit geliehenem Geld bei seinem Studium. Der Schuldner erweist sich aber später als so aufdringlich, dass sie keine Wahl hat, als ihn zu töten. In der Verhandlung stellt sich heraus, dass der Richter eben jener junge Mann ist, für dessen Ausbildung sie das Geld geliehen hat. Er hält sich an seine Prinzipien und verurteilt seine Gönnerin zum Tod, die diesem Schicksal nur entgehen kann, indem sie sich die Zunge abbeisst. Berühmt für die Darstellung von Frauenschicksalen wurde er 1936 mit Die Schwestern von Gion, der zugleich sein letzter Film für Nikkatsu war.

Der Wechsel zum Daiei-Studio fiel in eine problematische Phase des japanischen Kinos. Im Rahmen des Krieges erhöhte die Regierung den Druck auf die Filmindustrie, propagandistische Stimmung zugunsten Japans zu machen. Mizoguchi sah sich gezwungen, andere Themen in den Mittelpunkt seiner Arbeit zu stellen, und wich auf historische Stoffe aus, wie Die Erzählung von den späten Chrysanthemen, der das Schicksal einer Schaustellerfamilie in der Meiji-Periode zum Thema hat. Mit dem Fortschreiten des Krieges fiel es Mizoguchi immer schwerer, sich der Zensur und den auferlegten Themen zu entziehen, so dass eine Reihe qualitativ minderwertiger nationalistischer Filme entstand. Eine Ausnahme stellt die Verfilmung der Legende über Die 47 Samurai dar, die aus Ehrgefühl Selbstmord begingen.

Nach Kriegsende konnte sich Mizoguchi wieder seinem Hauptthema, den Frauen, zuwenden. Er verband dieses Leitmotiv seiner Arbeit nun aber häufiger mit der Tradition historischer Stoffe, den Jidai-geki, die im japanischen Film eine herausragende Rolle spielen. Das Meisterwerk dieser Phase ist zweifellos Ugetsu. Kenji Mizoguchi starb am 24. August 1956 im Alter von 58 Jahren an Leukämie. Trotz seines frühen Todes drehte er fast 90 Filme. An dieser Stelle ist deshalb nur ein auszugsweiser Üœberblick über seine wichtigsten Werke möglich.

1923: Ai ni yomigaeuro hi
1929: Tokyo koshinkyoku
1929: Tokai kokyugaku
1931: Shikamo karera wa yuku
1933: Die weißen Fäden des Wasserfalls (Taki no shiraito)
1935: Der Untergang von Osen (Orizuru osen)
1936: Osaka Elegie (Naniwa ereji)
1936: Die Schwestern von Gion (Gion no shimai)
1939: Die Erzählung von den späten Chrysanthemen (Zangiku monogatari)
1941: Die 47 Samurai (Genroku choshingura)
1947: Die Liebe der Schauspielerin Sumako (Joyu Sumako no koi)
1951: Die Dame von Musashino (Musashino Fujin)
1952: Das Leben der Frau Oharu (Saikaku ichidai onna)
1953: Ugetsu – Erzählungen unter dem Regenmond (Ugetsu monogatari)