Archive for November, 2008

Zum Jahreswechsel heisst es langsam wieder, Bilanz ziehen und Kennzahlen der Filmindustrien vergleichen. Die Differenzen zwischen Japan und Deutschland zeigen sich dabei exemplarisch bei einem Vergleich der jeweiligen Marktführer. Auf der Website der Constantin Film AG heisst es:

Über die vergangenen 7 Jahre war Constantin Film mit deutlichem Abstand Marktführer unter den unabhängigen Verleihern in Deutschland und dabei auch konstant auf Augenhöhe mit den US Major Studios. Im Verleihjahr 2007 erzielten wir mit über 8,6 Millionen Besuchern einen Marktanteil von knapp 7,7 Prozent. Trotz des allgemein herausfordernden Kinojahres 2007 ist es Constantin Film somit erneut gelungen, sich an der Spitze der deutschen Independent-Verleiher zu positionieren.

Betrachten wir die Zahlen zum Geschäftsjahr 2008, über die letzte Woche berichtet wurde:

Die Constantin Film AG hat in den ersten drei Quartalen 2008 einen Umsatz von Euro 166,9 Millionen erzielt (Vorjahr Euro 173,4 Millionen). […] Die Constantin Film AG erhöht daher die Umsatzprognose für das Jahr 2008 von zuvor mindestens Euro 230 Millionen auf ca. Euro 250 Millionen und geht nunmehr für 2008 von einem positiven Betriebsergebnis von mindestens Euro 14 Millionen (ehemals mindestens Euro 12 Millionen) aus.

Zum Vergleich: Der japanische Marktführer Toho rechnet für 2008 ebenfalls mit einem guten Jahr, was nicht zuletzt daran liegt, dass allein Hayao Miyazakis Ponyo dieses Jahr um die 120 Mio Euro umsetzte. Bei Toho erwartet man für das Gesamtjahr Erlöse von ca. 690 Mio Euro und einen Gewinn in der Region von 50 Mio Euro.

Der grundlegende Unterschied wird deutlich, wenn wir mal die Einspielergebnisse auf Filmebene vergleichen:

In Japan belegt Toho aktuell mit Ponyo (~120 Mio Euro) und Hana yori dango (~ 55 Mio Euro) die Plätze 1 und 2 in der Jahreshitliste und ist darüber hinaus noch mit Pokemon 10 (~ 34 Mio), Twentieth Century Boys (~ 28 Mio), Doraemon (~ 23 Mio),  Paco and the Magical Book (~ 18 Mio) und Detective Conan (~ 18 Mio) in den Top20 vertreten.

In Deutschland sieht die Sache gleich ganz anders aus, Constantin hat als einzige deutsche Filme gerade mal Die Welle (~ 18 Mio) und den Baader Meinhof Komplex (~ 17 Mio, da kommt aber noch was dazu, der läuft ja noch) in den Top20. BMK wird es wohl noch in die Top10 schaffen, die ansonsten von US-Filmen dominiert werden.

Bezeichnend, oder?

Original: Shin heike monogatari (1955), von Kenji Mizoguchi

Zur Abwechslung mal ein Mizoguchi, der nicht die Leidensgeschichte von Frauen zum Thema hat, sondern der sich mit einer Legende aus der japanischen Geschichte befasst, nämlich der vom Aufstieg der Taira unter ihrem Führer Kyomori in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts unserer Zeit. Kurz zum Hintergrund: Die Macht im Japan der Heian-Zeit lag in den Händen einer adligen Beamtenkaste sowie einiger mächtiger Klöster, es gab teilweise mehrere Kaiser gleichzeitig, die sich Samuraiheere hielten, aus denen sich mächtige Clans entwickelten, darunter die Taira.

Gerade kehrt der kaisertreue Clan von einer Schlacht zurück, als Kyomori Taira (Raizo Ichikawa) erfährt, dass er möglicherweise ein unehelicher Sohn des abgedankten Kaisers Shirakawa ist. Er bedrängt seinen Ziehvater Torodai, Führer des Clans, ihm die Wahrheit zu verraten. Doch dieser kennt die Ambitionen des jungen Kyomori und dessen Verachtung für die adligen Beamten und die Mönche, die den Aberglauben der Menschen ausnutzen, um ihre Macht zu sichern, und will den Ehrgeiz Kyomoris zügeln.

Doch im Tode gibt Torodai das Geheimnis schließlich preis und Kyomori, der zuvor bereits den Konflikt mit dem Beamtenapparat gesucht hatte, nutzt eine sich bietende Gelegenheit, um die Mönche zu konfrontieren und den Untergang der alten Ordnung einzuleiten.

Screenshot 3 Taira Clan

Auf den ersten Blick hat der Film wenig mit den sehr viel bekannteren Meisterwerken Mizoguchis zu tun, in denen oft Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen im Zentrum stehen. Doch auch Tales of the Taira Clan erzählt die Geschichte eines Kampfes gegen ungerechte Verhältnisse, nämlich den der Samurai um Anerkennung und Teilhabe an der Macht, die ihnen von den auf sie herabblickenden Adligen verwehrt wird und passt sich insofern gut in das Werk ein. Ungewöhnlich sind jedoch die häufigen und opulent ausgestalteten Massenszenen.

Der Film beginnt direkt auf einem belebten Markt, auf dem Mizoguchi in seiner charakteristischen Art durch Kamerafahrten immer wieder den Schwerpunkt verschiebt und neue Personen ins Zentrum rückt. So vergehen fast zwei Minuten, bis für die Ankunft der aus der Schlacht zurückkehrenden Taira ein erster Schnitt erfolgt, der aber gleich zu einer noch beeindruckenderen Szenerie überleitet, siehe den ersten Screenshot. Solche Szenen habe ich bisher bei den sehr auf die Charaktere fokussierten anderen Filmen Mizoguchis kaum gesehen, und auch wenn sie exzellent inszeniert sind, wirken sie doch irgendwie erzwungen.

Sehr viel typischer sind dann doch die vielen ruhigen Momente des Films, in denen Kyomori sich zunächst die Achtung seines Clans erarbeitet, das Rätsel seiner Herkunft löst und sich darüber mit seiner Mutter überwirft. In der Beschränkung und Ruhe der häuslichen Szenen zeigt sich die Genialität des Meisterregisseurs, wenn er etwa Kyomori vor seinen Kämpfern eine Art Fechtübung aufführen lässt, bei der dessen Bewegungen sich ausschließlich auf den Raum zwischen zwei Balken beschränken und so auf extreme Weise die Aufmerksamkeit auf einen winzigen Teil des Bildes fokussiert wird.

Auf Grund der Komplexität des historischen Hintergrunds (der zum Auftakt selbst für die japanischen Zuschauer lang und breit durch einen Off-Erzähler erklärt werden musste) ist es manchmal nicht ganz einfach, dem Film und seiner Handlung zu folgen. Dazu trägt auch bei, dass neben dem Aufstieg Kyomoris und dem Rätsel seiner Herkunft als dritter Haupthandlungsstrang auch noch eine Liebesgeschichte eingebaut wurde. Hier hätte ich mir etwas mehr Konzentration gewünscht, entweder auf die persönliche Geschichte des Hauptcharakters, oder auf die Historie.

Tales of the Taira Clan ist zwar ein guter und durchaus sehenswerter Film, der den meisten Regisseuren zur Ehre gereichen würde, der neben Mizoguchis anderen Filmen trotz des betriebenen materiellen Aufwands aber doch ziemlich verblasst.

Beim Durchsehen der Kommentare von Flo und Claus fielen mir ein paar Punkte auf, wie die beiden sich ein Filmfest vorstellen: Genannt werden da vor allem die Lokalitäten, also schöne, reizvolle Kinos und die Atmosphäre. Als Mit-Organisator eines Filmfestivals interessiert mich jetzt natürlich brennend, ob das alle so sehen, und welche Punkte noch wichtig sind.

  • Kinos: groß, alt, ehrwürdig, gemütlich, Technik vom Feinsten… was zählt für euch?
  • Filme: topaktuell, Klassiker, 35mm, große Namen oder eher Nachwuchskünstler?
  • Publikum: popcornmampfende Teenies vs. Rotweintrinker mit Goldrandbrille?
  • Rahmenprogramm: Podiumsdiskussion, Flohmarkt, Sushi-Kurs…

…wie müsste das Festival zum Anfassen für euch aussehen? Und was fehlt noch?

Wer keine Lust auf ausführliches Kommentieren hat, kann auch einfach bis zu drei Punkte aus der ersten Japankino-Abstimmung rechts auswählen. Freue mich aber schonmal auf eine interessante Diskussion mit den Festivalgängern hier!

Die letzte Blogschau ist schon eine ganze Weile her, und auch dieses Mal habe ich mich etwas schwer getan mit der Suche nach interessanten Blogs zum japanischen Film. Die Luft scheint langsam dünn zu werden, ist eben ne überschaubare Szene. Letztlich habe ich mich für die beiden folgenden Blogs entschieden:

Gaijinzoku: Ein eher allgemeiner Blog über das Leben in Japan aus der Sicht des Autors (der Autorin?), der/die 6 Jahre in Japan verbrachte und in der Kategorie Movies eine Handvoll Kritiken zu Genre-Filmen der etwas trashigen Ecke aufweisen kann. Es wird wohl nicht allzu regelmäßig gepostet, also kein direkter Kandidaten für den RSS-Reader, kann man aber mal im Auge behalten.

Ein ganz anderes Kaliber ist da doch The Good, the Bad and Godzilla von August Ragone, Autor eines Buches über den Special-Effects Spezialisten Eiji Tsuburaya, der u.a. für Godzilla verantwortlich war. Im Blog stellt August in der Reihe „Monster of the Week“ die absurdesten Kreaturen vor, wie etwa das Drill Devil-Beast „Dorilling“ inklusive aller wichtigen Daten wie Gewicht (4200 Tonnen) und Größe (56 meter) 😀 Könnte man ein wunderbares Monster-Quartett draus machen! Daneben stellt August aber immer mal wieder auch Filmschaffende aus dem Genre vor, wer sich also dafür Godzilla & Co interessiert ist hier genau richtig!

Original: Pako to mahō no ehon, (2008) von Tetsuya Nakashima

Der alte und verbitterte Onuki (Koji Yakusho) muss wegen eines Herzinfarkts in einer – sagen wir: fantastischen – Klinik versorgt werden. Dort besteht sein ganzer Lebensinhalt darin, den anderen Patienten und dem Personal auf die Nerven zu gehen und sie zu erniedrigen. Bis ihm das Mädchen Paco (Ayaka Wilson) begegnet, das bei einem Autounfall seine Eltern und sein Kurzzeitgedächtnis verlor und nun jeden Tag aufs neue seinen Geburtstag feiert und in einem Bilderbuch die Geschichte des gemeinen Froschprinzen liest.

Onuki freundet sich zum großen Erstaunen aller mit Paco an und beginnt, ihr jeden Tag aufs Neue die Geschichte vorzulesen. In seinem verzweifelten Versuch, einen noch so kleinen Keil der Erinnerung in ihr Gedächtnis zu treiben, lebt er die Geschichte des Bilderbuches immer mehr nach und überredet schließlich die anderen, sie in einem Theaterstück für die sterbende Paco nachzuspielen.

Der letzte Film von Nakashima war der Überraschungshit Memories of Natsuko, und wer den kennt wird sich in der aus verschiedenen Handlungsebenen bestehenden Struktur des Films schnell zurechtfinden und auch die Grundidee – nach und nach kommt der wahre Charakter eines Außenseiters zum Vorschein – bekannt finden. Nur dass Paco noch um ein Vielfaches bunter, fantastischer und überdrehter ist als Memories. Der Trailer ist eindrucksvoller Beleg:

[flash]http://www.youtube.com/watch?v=2iUDG9s_OaY[/flash]

Das Theaterstück, in dem Onuki nahezu mit der Figur des Froschprinzen verschmilzt, wird jedoch nicht nur für ihn zur Katharsis. Auch anderen Patienten (und dem Personal!) der Klinik gelingt es dadurch, ihre Probleme wenn nicht zu lösen, so doch zumindest zu konfrontieren, allen voran ein früherer Kinderstar, der nur noch seinem Ruhm nachtrauert und in Selbstmitleid versinkt. So hält der Film eine Reihe von kurios-absurden Charakteren bereit, mit denen sich der Zuschauer identifizieren und Zugang zur Geschichte finden kann (mein Favorit ist der Yakuza, der von seinem Lieblingsaffen angeschossen wurde und diesen Umstand peinlichst geheimhalten will).

Bei all dem Spaß und den Verrücktheiten bleibt dem Zuschauer ein hollywood-mäßiges Happy End aber erspart verwehrt, wovon ich hier aber nicht mehr verraten will in der Hoffnung, dass Paco auch außerhalb von Festivals hierzulanden noch in die Kinos kommt oder zumindest einen ähnlich guten DVD-Release erleben wird wie Memories of Matsuko. Bis dahin kann man sich auch noch mit dem Soundtrack von Kaela Kimura trösten…

[flash]http://www.youtube.com/watch?v=xF8TOfHsJEg[/flash]

Was mich an diesem rundum mitreißenden und begeisternden Film besonders faszinierte war der fließende Übergang von Realfilm und animierten Sequenzen, die sich wechselseitig wunderbar ergänzten. Etwas vergleichbares habe ich seit Roger Rabbit nicht mehr gesehen! Mit ihrer einzigartigen Animationstradition und ihrer Experimentierfreude in diesem Bereich hoffe ich, von japanischen Filmemachern in dieser Richtung zukünftig noch mehr zu sehen. Und natürlich auch von Regisseur Nakashima, der mit seiner scheinbar unerschöpflichen Fantasie und seinem Sinn für schräge Details schon als Tim Burton Japans bezeichnet wird.

Fertig!

Boah, grade eben hab ich nochmal nen heftigen Schreck gekriegt, als nach der Umstellung des Designs plötzlich alle 300+ Artikel angezeigt wurden, und nicht nur die letzten 10! Die Ladezeiten könnt ihr euch vorstellen! Mit ein bisschen Rumprobieren hat sich dann aber gezeigt, dass ein altes Plugin Schuld war, und jetzt läuft alles. 🙂

Damit ist die größte Überarbeitung von Japankino offiziell abgeschlossen, das neue Design ist im Einsatz und es gefällt mir jetzt eigentlich ziemlich gut. Ich hoffe ihr seht das genauso! Ich hab wirklich soviel Kontinuität wie irgend möglich geschaffen, wirklich anders ist eigentlich nur die zusätzliche Sidebar. Aber auch wenn ich mich jetzt erstmal erschöpft und zufrieden zurücklehne, es geht natürlich noch weiter, denn an einigen Ecken ist manches noch nicht so konsistent und außerdem will ich natürlich die neuen Möglichkeiten des Designs ausnutzen.

Aber zuerst sollen wieder die Filme im Vordergrund stehen!

Daniel hat mal wieder wahre Schätze in den Tiefen von YouTube ausgegraben! Es handelt sich um ein bisher nur in Japan erschienenes Making of von Prinzessin Mononoke mit mehreren Stunden Lauflänge, aufgeteilt in 44 einzelne YouTube-Clips. Daniel hat diese dankenswerterweise auf seinem Blog bequem zusammengestellt: Series 1, Series 2 und Series 3. Bei Teil 3 fehlen derzeit aber noch ein paar Teile.

Das war aber noch nicht alles, denn passend dazu hat er auch noch zwei Videos aus Miyazakis Promotion-Tour für Mononoke gefunden. Wir sehen Miyazaki darin auf dem Toronto International Film Fest, bei einem Besuch in den Disney-Studios und in vielen Gesprächen mit Journalisten, deren Verblüffung über die Komplexität dieses Films in ihren Fragen überdeutlich wird. Ein sehr spannender Einblick nicht nur in Miyazakis Absichten und Konzepte für Mononoke sondern auch in die schwierige Rezeption in Nordamerika.

Drücken wir Daniel die Daumen, dass er von Abmahnanwälten verschont bleibt und weiter in seinem Blog solche genialen Einblicke in die Arbeit des großen Hayao Miyazaki vorstellen kann!