Archive for Juni, 2009

100.000!

Neulich erst hab ich die 100 Filme voll gemacht, jetzt ist schon die nächste große Zahl fällig: Mehr als 100.000 Spam-Kommentare hat Akismet inzwischen aus dem Blog herausgefischt und gemütlich zermampft. Mahlzeit, lieber Spamfilter, und lass es dir auch in Zukunft weiter schmecken! Wenn du mal einen Grappa brauchst, sag Bescheid 😉

Original: Datsugoku Hiroshima satsujinshū (1974) von Sadao Nakajima

Heiliger Bimbam, was ein krasser Film! Der Kleinkriminelle Ueda (Hiroki Matsukata) wird 1948 für die Ermordung eines Drogenhändlers zu 20 Jahren Knast verurteilt. sucht aber vom ersten Tag an nach einer Möglichkeit zum Ausbruch, die auch nicht lange auf sich warten lässt. Doch kaum auf freiem Fuß, wird er wieder eingefangen, seine Strafe erhöht sich und die Brutalität der Wachmänner ist nach seiner Rückkehr natürlich noch größer. Ueda findet wieder einen Weg in die Freiheit, und dieses Mal flieht er nach Shikoku, wo seine in früher Kindheit von ihm getrennte Schwester lebt.

Auf dem Land angekommen, baut Ueda mit einigen Bauern einen illegalen Schlachtbetrieb auf. Schon wähnt er sich in Sicherheit, da bringt ihn ein Streit beim Besuch in einem Bordell wieder hinter Gitter. Diesmal gerät er allerdings weniger mit der Staatsgewalt sondern vor allem mit einem Yakuza aneinander und es bleibt ihm kein Ausweg, als ihn zu töten… die Länge seiner Strafe steigt und steigt.

[flash]http://www.youtube.com/watch?v=MEYDTngtRIU[/flash]

Wie Sadao Nakajima im Gespräch auf dem JFFH2009 berichtete, wollte er keinen klassischen Gefängnisausbruch-Film machen, bei dem ein (womöglich unschuldig Verurteilter) geduldig auf den Ausbruch hinarbeitet und dabei ein Hindernis nach dem anderen aus dem Weg räumt. Denn damit diese Filme funktionieren, muss der Zuschauer Sympathie für den Helden empfinden und sich mit ihm identifizieren. Nakajima ging es vielmehr darum, Ueda als Karikatur des freiheitliebenden Rebells darzustellen, der beim Zuschauer eher Kopfschütteln als Sympathie hervorruft. Und das ist ihm exzellent gelungen, wozu allerdings auch der großartige Hiroki Matsukata, der wie ein angeschossenes, wildes Tier über die Leinwand fegt, ein gewaltiges Stück beiträgt.

So finden wir Zuschauer uns in einer zwiespältigen Rolle, hin- und hergerissen zwischen Bewunderung für den unbezwingbaren Willen und die Energie Uedas auf der einen Seite und Verständnislosigkeit für sein zerstörerisches Wesen und seine Ablehnung jeglicher Regeln andererseits, was eine Einordnung in die Gesellschaft unmöglich macht. Dass der Film auf einer wahren Geschichte basiert, auf die Nakajima mittels eines Zeitungsberichts aufmerksam geworden war, macht die Figur noch interessanter.

Der Film lebt vor allem von seiner Hauptfigur und der Dynamik der Story. Es ist kaum zu glauben, wieviel Action, welche Wendungen und aberwitzigen Ausbrüche Nakajima in weniger als 100 Minuten unterbringt. Im Gegensatz zu anderen Genrefilmen, die zumeist völlig überdreht und unrealistisch bis zur Selbstironie sind, bleibt Escape from Hiroshima Prison dabei immer fest in der Realität verankert und um eine glaubhafte Darstellung des Gefängnisalltags und seiner Charaktere bemüht.

Der Film hat alles, was ein guter Gefängnis- oder Actionfilm haben muss, und macht nicht zuletzt dank des wild zusammengewürfelten Soundtracks immens viel Spaß. Die zwiespältige Rolle des Helden und seine Ausgrenzung aus der Gesellschaft, die mit seinem Freiheitswillen nicht umzugehen weiß und sich nur in seiner Unterdrückung zu behelfen weiss, geben aber auch zum Nachdenken Anstoß. Definitiv ein filmisches Highlight, das es für viele Liebhaber japanischer Actionfilme noch zu entdecken gilt.

Leider kam der J-Film Blogathon etwas spät für mich, um noch voll einzusteigen, dafür habe ich mich umso mehr aufs Lesen konzentriert, und da gibt es reichlich spannendes und erhellendes zu entdecken. Das eigentliche Salz in der Suppe sind vor allem die Diskussionen, die sich an manchen Beiträgen entzündet haben. Meine Highlights:

Zum Einstieg eine kleine Sammlung Screenshots zur Veranschaulichung der herausragenden Bildkomposition in den Filmen von Shohei Imamura mit einem kleinen Vergleich zu Kiyoshi Kurosawa. Unbedingt die Kommentare zur Ästhetik in der japanischen Kunst und Kultur lesen!

Weiter gehts mit der Diskussion, warum es oft schwer fällt, andere für japanische Filme zu begeistern. Michael stellt die Frage, ob es vielleicht wir Fans selbst sind, die durch unser Fantum andere ausschließen? Und Amy diskutiert Strategien, wie man seine Freunde dazu bringen kann, doch auch mal japanische Filme anzuschauen.

Interessant auch die von Ulrik angestoßene Diskussion, warum DVDs in Japan eigentlich so selten mit englischen Untertiteln erscheinen. Gedanken dazu bei Amy und von Michael.

Mikko geht der erstaunlichen Rolle von Frauen im japanischen Kino nach, und stellt erstaunt fest, dass Frauen öfter als Männer die Hauptcharaktere stellen, jedenfalls in seiner Sammlung. Weitere Erkenntnis: Die Darstellerinnen scheinen immer jünger zu werden, eine mögliche Folge des Idol-Systems?

Für Ablenkung zwischendurch gibts dann noch japanische Werbespots mit Charles Bronson, eine Auswahl Filmposter, speziell aus den 60ern und 70ern oder eine kleine Bildergalerie zur Ikone Meiko Kaji.

Heute ist der letzte Tag des Blogathon, den ich doch fast verpasst hätte! Obwohl Michael von Wildgrounds die Idee schon vor Wochen bekannt gemacht hat, ist das Ding an mir irgendwie vorbeigegangen, das JFFH dürfte wohl dran schuld gewesen sein. Jedenfalls ist es noch nicht zu spät, ich hab gestern Abend noch meine Kritik zu Love Exposure rechtzeitig fertig bekommen und vielleicht schaffe ich heute auch noch was, wenn das Wetter weiter so – sagen wir mal: durchwachsen – bleibt.

Mein Dank geht jedenfalls schon mal an Michael für die großartige Idee, Blogger aus aller Welt zusammenzubringen, die über japanische Filme schreiben. Und die Liste der Teilnehmer bietet eine ganze Reihe von Neuentdeckungen auch für mich. Auffallend ist aber die klare Dominanz der in englisch schreibenden Blogger, wobei ich mir die Frage stelle, ob das wirklich bedeutet, dass fast nur auf Englisch gebloggt wird oder ob der Blogathon sich einfach nur hauptsächlich in diesem Sprachkreis verbreitet hat. Ich kenne ja auch noch ein paar deutsche J-Film-Blogger, die sich anscheinend aber nicht beteiligt haben.

Jedenfalls gibt es viel zu entdecken! In der letzten Woche wurden nicht nur haufenweise Filmkritiken geschrieben und Bestenlisten zusammengestellt, auch interessante Themen wie etwa Gründe für das Fehlen von Untertiteln auf japanischen DVD-Releases oder die Feminisierung des japanischen Films wurden angeschnitten. Die Diskussionen kommen jetzt in Gang und ich werde in den nächsten Tagen auch noch viel nachzulesen haben und ein paar Highlights noch nachliefern.

Michael führt übrigens auch eine Übersicht aller Beiträge des Blogathon.

Love Exposure

Original: Ai no mukidashi (2008) von Sion Sono

Dieses Vier-Stunden-Epos sprengt so ziemlich jeden Rahmen und ein Versuch, auch nur die wichtigsten Stränge der Handlung hier zusammenzufassen, ist eigentlich von vornherein zum Scheitern verurteilt. Deshalb an dieser Stelle ein kurzer Überblick über die wichtigsten Charaktere und wie sich ihr Zusammenspiel entwickelt.

Im Zentrum stehen Yu (Takahiro Nishijima), der unter dem Druck der Schuldgefühle seines katholischen Vaters leidet, und seine große Liebe Yoko (Hikari Mitsushima). Das Schicksal der beiden wird massiv manipuliert von Koike (Sakura Ando), Anführerin einer christlichen Sekte, die wie Yu in ihrer Kindheit  unter einem religiös verblendeten Vater zu leiden hatte und von ihrer ersten Begegnung an von Yu fasziniert ist.

Zunächst sieht sie ihn als Mittel, um die katholische Gemeinde seines Vaters mit ihrer Sekte zu unterwandern. Dazu arrangiert sie die erste Begegnung zwischen ihm und Yoko, bei der er sich natürlich unsterblich verliebt, sie sorgt dafür, dass die beiden in dieselbe Schulklasse kommen, dass Yoko ihn verabscheut und dass durch diesen Konflikt die kleine Familie in die Arme ihrer Sekte getrieben wird. Yu bleibt allein zurück und kämpft verzweifelt darum, Yoko zu befreien und sie für sich zu gewinnen.

So viel dazu in aller gebotenen Kürze. Der interessanteste und vielschichtigste Charakter in diesem Trio ist für mich die Figur der Koike, deren Motivation immer nebulös bleibt. Sexualität steht sie noch zwiespältiger gegenüber als Yu oder Yoko: In ihrer Kindheit wurde sie wegen ihres „sündigen“ Körpers von ihrem Vater geprügelt und schnitt ihm später, als er einen Schlaganfall erlitt, dann den Penis ab. Auf der anderen Seite ist sie von Yus voyeuristischen Spielereien fasziniert, scheint ihre kurze lesbische Affäre mit Yoko zu genießen und versucht auch mehrfach, Yu zu verführen.

Aber vielleicht ist ihr wahres Ziel ja schlicht, Macht über Menschen auszuüben und mit ihrem Schicksal zu spielen, und Sex setzt sie dabei nur als Mittel ein? Dagegen wiederum spräche ihr Ende, als sie angesichts des verzweifelt um Yokos Liebe kämpfenden Yu Selbstmord begeht – hat sie ihn vielleicht doch geliebt und konnte es nicht ertragen, dass sie diese Gefühle nicht manipulieren konnte?  Und wofür steht eigentlich der Wellensittich, der sie auf Schritt und Tritt begleitet?

Love Exposure spielt von der ersten Sekunde an mit religiösen – vor allem christlichen – Symbolen und Bildern. Tischgebete, Beichten, Taufen, das ganze Programm ist vertreten, schließlich ist Yus Vater ja auch Priester. Gleich zu Anfang wird sogar eine direkte Analogie von Yus Mutter zur Mutter Gottes gezogen und ihm die Verpflichtung auferlegt, eine Frau zu finden, die „seine“ Maria werden soll. Was natürlich nicht unwesentlich zu seinen Komplexen beiträgt.

Doch schließlich findet er sie dann in Person von Yoko. Bei dieser ersten Begegnung wird sie dann auch konsequenterweise gleich religiös aufgeladen und zu einer regelrechten Erlösungsfigur für Yu erhoben – um im nächsten Moment ungünstig in einem Windstoß zu stehen und ihren Rock hochgeblasen zu bekommen.

Das Spannungsfeld von Religiosität und Sexualität ist vor allem in der ersten Hälfte das dominierende Thema des Films: Yus Vater, der gefallene Priester, der der sexuellen Ausstrahlung einer Frau nicht widerstehen kann und aus Gewissensbissen seinen Sohn zum Beichten zwingt. Yu, der sich daraufhin verzweifelt auf die Suche nach der „Sünde“ begibt. Oder Yoko, die von den sexuellen Eskapaden ihres Vaters so angewidert ist, dass sie einen unstillbaren Hass auf alle Männer entwickelt – bis auf Kurt Cobain und Jesus.

Doch bei all der Auseinandersetzung mit Religion, Sekten und deren Stellung zu Sexualität ist Love Exposure vor allem anderen ein wahrhaft monumentaler Liebesfilm – ganz im Sinne des Titels beschäftigt er sich mit Liebe in all ihren Formen und auch Auswüchsen. Thematisiert wird die Liebe zu Gott, die Liebe der Eltern für ihr Kind und die des Kindes zu den Eltern, die auf sexueller Anziehungskraft basierende Liebe zwischen Mann und Frau (oder zwischen Personen gleichen Geschlechts), die mehr oder weniger perversen Spielarten dieser körperlichen Liebe, und natürlich die wahre, reine Liebe, um die Yu und Yoko so hart ringen. Noch nie habe ich vergleichbares gesehen!

In diesem Zusammenhang ist mir dann allerdings schon das zweite Mal nach Ghost in the Shell in einem japanischen Film der Korintherbrief untergekommen! Yoko rezitiert in einer dramatischen, windumtosten Szene am Strand die Verse 1-8 des Hohelieds der Liebe, darunter diesen Abschnitt:

Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf. Sie handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit.
Sie erträgt alles, sie glaubt alles, hofft alles, hält allem stand. Die Liebe hört niemals auf.

Unterlegt wird dieses Zitat mit dem Allegretto aus Beethovens 7. Sinfonie, das mit seinem feierlich-majestätigen Rhythmus auch in vielen anderen Szenen des Films als musikalisches Motiv für die „reine“ Liebe verwendet wird. Im Gegensatz dazu steht übrigens der sehr viel bekanntere, wildere Boléro von Ravel, der als Motiv für die Sünde immer dann eingespielt wird, wenn Yu sich auf Abwege begibt. Eine sehr faszinierende Musikauswahl, die hinter den epischen Charakter des Films nochmal das eine oder andere Ausrufezeichen setzt und echtes Gänsehautgefühl erzeugt.

Aber nicht nur religiöse Elemente werden regelmäßig aufgegriffen, Love Exposure macht immer wieder Anleihen bei anderen Filmen. Allen voran natürlich bei der Figur der Sasori (siehe Screenshot weiter oben), in deren Kostüm Yu schlüpft und in die sich Yoko verliebt – ist die männerhassende Yoko doch ein Stück weit eine Wiedergängerin der feministischen, von Männern ausgenutzten und unterdrückten Sasori aus den 70ern. Einige Szenen des Films sind regelrecht eine Hommage an den Sexploitation-Klassiker.

Dazu kommen Zitate etwa von Shinji Aoyamas Eureka (die Szenen im Bus) oder Takeshi Kitanos Dolls (als Yu und Yoko aneinandergefesselt am Strand stehen). Und wie die Indoktrinierung von Yus Familie im Hauptquartier der Sekte in Szene gesetzt ist, erinnert doch stark an Kubricks 2001.

Das soll aber keinesfalls Kritik an Love Exposure sein, ganz im Gegenteil: Jedes der genannten Zitate bringt durch die Verknüpfung mit den anderen Filmen zusätzliche Assoziationen und Bedeutungsebenen hinein und ergänzt den Film somit – weitere Interpretationsansätze bieten sich an, die mal mehr oder weniger eindeutig sind. Genial! In diesem Zusammenhang habe ich mich gefragt, ob der Nachname von Yoko vielleicht ebenfalls eine Anspielung sein soll: Ihr Charakter, der von Yu immer wieder als „seine Maria“ bezeichnet wird, heisst mit Nachnamen nämlich Ozawa – und Maria Ozawa ist eine bekannte japanische Pornodarstellerin…

Puh, so langsam muss ich mal zum Schluss kommen! Love Exposure ist, das dürfte offensichtlich geworden sein, ein extrem vielschichtiges Werk, mit dem man sich auf verschiedensten Ebenen auseinandersetzen kann. Ein grandioser Liebesfilm, bildgewaltig, mal halbdokumentarisch, mal überdreht wie eine Teenie-Komödie, den man in keine noch so große Schublade gequetscht bekommt. Definitiv ein Meisterwerk!

Tja, so kann es gehen! In der Nachbereitung des JFFH hab ich ganz übersehen, dass meine Rezension zu Café Isobe die 100 voll gemacht hat. Somit bin ich inzwischen schon bei 101 Filmkritiken! Yeah!! 🙂

Tolle Sache, aber eigentlich wollte ich zu diesem Zeitpunkt schon deutlich mehr Kritiken geschrieben haben. Als ich vor knapp drei Jahren mit Japankino angefangen habe, hatte ich mir mal das Ziel gesteckt, ungefähr 50 Filme pro Jahr zu besprechen. Davon bin ich jetzt doch ein gutes Stück weit weg. Dafür stecke ich inzwischen aber auch viel mehr Zeit in die Rezensionen als am Anfang. Die Texte wurden länger und länger und irgendwann kamen die Screenshots dazu.

Bei manchen der Filme kann ich mich noch genau daran erinnern, wie ich über der Rezension gebrütet habe. Bei  Ghost in the Shell zum Beispiel weiss ich noch gut, wie ich Sonntags Joggen war und dabei die ganze Zeit den Film hin- und hergedreht und auseinander genommmen habe, oder wie ich mich in den Korintherbrief eingelesen habe. Oder Tokyo Story, für den ich bestimmt eine Stunde allein an dem 9-in-1 Screenshot gewerkelt habe. Und natürlich Die Sieben Samurai, bei dem ich mich wirklich sehr auf das Wesentliche konzentrieren musste, damit aus der überschaubaren Rezension nicht ein Essay oder gar ein halber Roman wurde.

Im Moment stecke ich noch mitten in der Nachbereitung vom JFFH, die nächsten 2-3 Kritiken werden sich noch mit den Festivalfilmen befassen. Aber dann kommt erstmal die Rückbesinnung auf die Klassiker, mein letzter Schwarzweiss-Film ist ja nun schon bald 2 Monate her. Vielleicht mal wieder ein Kurosawa? Einen Naruse hab ich mir auch schon lange nicht mehr vorgeknöpft… ist eigentlich auch egal, sind ja alles tolle Filme!

Amazon UK räumt bei den internationalen DVDs auf, und auch wenn der Schwerpunkt vor allem auf Klassikern des europäischen Kinos liegt, gibts auch für den japanophilen Filmliebhaber einiges abzuräumen! Beispielsweise könnte man für rund 20 Euro den Grundstein für eine Ryuhei Kitamura-Sammlung legen: Azumi, Versus und Sky High gehen für Preise um 5-6 Pfund über den Tisch.

Actiongeladen geht es weiter: Azumi 2, Takeshi Kitanos Zatoichi, Shinobi und Gojoe (mit Tadanobu Asano) sind jeweils für weniger als 6 Pfund zu haben. Für lächerliche 6,98 gibts gleich die dreifache Dosis an 70er-Jahre Martial Arts, nämlich das Street Fighter Boxset mit Sonny Chiba.

Um den kleinen Einkaufsbummel abzuschließen empfehlen wir Ran in der 2-Disc-Special Edition oder Shunji Iwais All about Lily Chou-Chou.

Happy Shopping 🙂

Original: Gelatin Silver Love (2009) von Kazumi Kurigami

Das Regiedebut von Kazumi Kurigami, seines Zeichens anerkannter Fotograf, ist ein in vieler Hinsicht sehr ungewöhnlicher, mysteriöser Film: Keine der Hauptpersonen hat einen Namen. Außer in drei, vier Szenen wird nicht gesprochen. Die Protagonistin wird immer wieder beim Essen hartgekochter Eier gezeigt, in Zeitlupe, in Großaufnahme oder als Standbild. Trotz dieser Eigentümlichkeiten und der schweren Zugänglichkeit der Charaktere ist der Film nicht zuletzt dank seiner einzigartigen Ästhetik absolut faszinierend und schildert die Geschichte einer obsessiven Liebe und wie sie einen Menschen verändert.

Ein – wie wir zwischen den Zeilen herauslesen können – durchaus anerkannter Fotograf (Masatoshi Nagase) steckt in einer Schaffens- und Sinnkrise, er macht nur noch Bilder von Schimmelpilzen und Altmetall. Aus der Not heraus nimmt er einen seltsamen Auftrag an: Er soll die Wohnung einer Frau (Rie Miyazawa) rund um die Uhr observieren und alles, was dort geschieht, auf Video aufzeichnen.

Es dauert nicht lange und die geheimnisvolle Schönheit, die jeden Morgen ein hartgekochtes Ei isst, übt eine immer größere Anziehungskraft und Faszination auf ihn aus. Über seinen Auftraggeber versucht er, mehr über sie zu erfahren, doch dieser blockt ab. Er kauft einen Großbildschirm, um jede Bewegung der Frau in Zeitlupe und Großformat betrachten zu können, folgt ihr, spricht sie sogar in einem Supermarkt an. Seine Besessenheit steuert unaufhaltsam auf den schicksalhaften Höhepunkt zu.

„Was soll das Ganze?“ wird sich sicherlich so mancher Zuschauer gefragt haben, der den Film auf dem JFFH gesehen hat. Zugegeben, die mal unterkühlten, mal düster-erotischen Bilder sind zwar genial (Rie Miyazawa könnte ich den ganzen Tag beim Eieressen zugucken), wären allein aber zu wenig. Vielmehr sind es die Atmosphäre, die aus einer Mischung aus Beklemmung und Langeweile in obsessives Verlangen umschlägt, sowie das Knistern zwischen den beiden Protagonisten, die Gelatin Silver Love Leben einhauchen.

Auch wenn die Story sehr getragen daher kommt und lange Zeit nicht den Eindruck macht, Dynamik entwickeln zu wollen, hält sie am Ende doch eine interessante Pointe bereit, die exzellent zu diesem merkwürdig rätselhaften Film passt: Sie hängt nämlich mit einer zwischenzeitlich eingeschobenen Erzählung des Fotografen zusammen, in der ein kleiner Käfer in der Wüste eine zentrale Rolle spielt. Dieser Käfer gibt das Spiegelbild des Fotografen, und sie teilen am Ende dasselbe Schicksal.

Gelatin Silver Love ist ein zwar schön anzusehender, aber sperriger Film. Ein Film, der mir großen Spaß bereitet hat und bei dem ich schon gespannt bin, ob er einen Verleih in Europa oder Amerika findet. In meinen Augen hat er das Potenzial zum Kultfilm.