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Benshi

Benshi sind eine der faszinierendsten kulturellen Eigenheiten im Weltkino. Dabei handelte es sich um Erzähler, die während einer Filmvorstellung neben oder vor der Leinwand saßen und dem Publikum nicht nur die Untertitel der Stummfilme vorlasen, sondern die gesamte Handlung begleiteten, in die verschiedenen Rollen der Charaktere schlüpften und diesen ihre Stimme liehen. Man kann sich das so ähnlich wie ein Hörspiel vorstellen, bei dem zusätzlich auch noch Bilder geliefert werden. Teilweise fassten sie auch schon vor Beginn des Films die Handlung kurz zusammen und bereiteten die Zuschauer auf die Vorführung vor.

Da die Benshi sich auf eine Tradition im Kabuki und Noh-Theater berufen konnten, wurden sie vom Publikum als natürlicher und wichtiger Bestandteil der Vorstellung begriffen und erlangten oft Star-ähnlichen Status. Ende der 1920er Jahre waren Benshi fester Bestandteil der japanischen Filmindustrie inklusive eigener Gewerkschaft. Dieser Umstand wird oft als einer der Gründe für das im internationalen Vergleich ungewöhnlich lange Festhalten der Filmschaffenden an Stummfilmen angeführt (der Tonfilm setzte sich erst Mitte der 1930er Jahre in Japan durch und bis in die frühen 1940er Jahre hinein wurden noch Stummfilme produziert).

Mit ihrem Niedergang war natürlich auch das Ende der Benshi besiegelt. Allerdings gibt es auch heute noch einzelne Künstler, die Filmvorführungen als Benshi begleiten. Am bekanntesten ist wohl Midori Sawato, die regelmäßig (auch auf internationalen Festivals) Benshi-Performances bietet.

Teil I zu Anime vor 1960 lesen

Toei Doga, das führende japanische Animationsstudio zu Anfang der 1960er Jahre, musste erkennen, dass seine Adaptionen traditioneller asiatischer Sagen und Legenden international nicht zu vermarkten waren. Deshalb änderte das Studio seine Strategie und griff nun auch auf westliche Erzählungen (Gulliver€™ s Travels beyond the Moon) und Sci-Fi-Mangas zurück: Cyborg 009 von Shotaro Ishinomori wurde 1966 ein riesiger Erfolg, auf den eine Fortsetzung und eine TV-Serie folgten.

Spezialist für TV-Serien war jedoch Mushi Pro, das Studio des „Manga no Kamisama“ Osamu Tezuka, dessen Manga Astro Boy in 193 Episoden für das Fernsehen umgesetzt wurde. Tezuka war seit den früher 1950er Jahren der erfolgreichste Manga-Zeichner überhaupt und revolutionierte durch seinen dynamischen, filmische Elemente aufgreifenden Stil (dramatische Blickwinkel, Wechsel von Totalen und Detailansichten) die bisher hauptsächlich auf statischen Bildern basierende Manga-Welt. Auch die heute für Manga und Anime typischen großen Augen der Charaktere gehen auf Tezuka zurück.

Mit der wachsenden Beliebtheit der TV-Serien Ende der 1960er Jahre begannen sich dann auch erste Genres herauszubilden: Sally the Little Witch war die erste speziell für Mädchen konzipierte Serie, Princess Knight die erste romantische Serie für Mädchen (shojo) und Tomorrow€™s Joe die erste Sportserie für Jungs. 1969 wurde dann die erste Folge von Sazae san ausgestrahlt, einer Comedy-Serie für Hausfrauen, die bis heute ununterbrochen produziert wird! In diesem Umfeld kam auch erstmals der Begriff Anime auf, eine Verkürzung des englischen „animation“.

Während der 70er Jahre waren TV-Serien das dominierende Format, das sich zunehmend nicht nur an Kinder sondern auch an Jugendliche und Erwachsene wandte und sich dazu vor allem Science-Fiction Geschichten bediente, aus denen sich ein neues Genre um gigantische Roboter (mecha) entwickelte. Die erste derartige Serie war Mazinger Z, von der ab 1972 in fünf Jahren 222 Folgen produziert wurden. Ende der 70er Jahre existierten nicht weniger als 40 Mecha-Serien sowie zahlreiche weitere Sci-Fi Abenteuer-Serien wie Space Battleship Yamamoto oder Galaxy Express 999.

Die zu dieser Zeit entstandenen Spielfilme waren überwiegend Spin-Offs der populärsten TV-Serien (Galaxy Express 999 oder die Lupin III-Reihe), die sich in immer neuen Genres ausdifferenzierten. Einige Künstler wie Rintaro, Isao Takahata und insbesondere Hayao Miyazaki, waren nach der Realisierung von Spielfilmen mit der Arbeit an Serien allein aber nicht mehr zufrieden. Sie begannen Anfang der 1980er Jahre, neue Maßstäbe in der Adaption von Mangas für die Kinoleinwand zu setzen.

Der grandiose Erfolg von Miyazakis Nausicaä aus dem Tal der Winde ermöglichte 1985 die Gründung des Studio Ghibli, das sich seitdem unter der Leitung von Miyzaki und Takahata ganz der Produktion von abendfüllenden Spielfilmen widmet. Meilensteine des Studios, das besonders für seine unermüdliche Perfektionierung handgemalter Filme bekannt ist, waren Filme wie Hotaru no haka, Porco Rosso und Mononoke Hime.

Für die gestiegene internationale Bekanntheit der Anime war jedoch der Erfolg eines Films entscheidend: Akira. Dem 1988 gezeigten, unter der Leitung von Katsushiro Otomo auf der Basis seines eigenen Manga entstandenen Film gelang es dank seiner düsteren, sozialkritischen Geschichte und der perfekten Animation erstmals, auch im Westen ein erwachsenes Publikum zu begeistern. Ähnlich einflussreich war der ebenfalls Sci-Fi-Themen aufgreifende Ghost in the Shell von 1995.

Die Weiterentwicklung und zunehmende Reife von Computergrafiken ermöglichte seit den späten 1990er Jahren zwei neue Entwicklungen: Zum einen die Verwendung von computergenerierten 3D-Grafiken in Animes, die ein komplett neues Seherlebnis und eine hyper-realistische Repräsentation, wie etwa in Robotic Angel, ermöglichte. Zum anderen aber auch die Adaption von ursprünglich aus Computerspielen hervorgegangenen Figuren und Geschichten. Prominentestes Beispiel dafür ist die Pokemon-Reihe.

In der jüngeren Vergangenheit gab es eine Tendenz zu kürzeren TV-Serien mit nur etwa 10-20 Folgen, die auf spektakuläre CGI-Bilder und komplexe Erzählkonstruktionen setzten, wie etwa Texhnolyze oder Serial Experiments: Lain. Und auch bei den Spielfilmen werden neue Akzente gesetzt, beispielsweise durch Newcomer Satoshi Kon, Protegé des Akira-Schöpfers Otomo, der mit Filmen wie Tokyo Godfathers und Sennen joyu dazu beitrug, dass sich Anime auch jenseits des Sci-Fi-Genres weiterentwickeln.

Der heute für aus Japan stammende Animationsfilme übliche Begriff Anime entstand erst in den späten 1960er Jahren, mit der Entwicklung einer echten Animationsindustrie. Die zuvor in den Jahren seit 1917 produzierten Filme waren als Doga bezeichnet worden.

Der erste japanische Animationsfilm Mukuzo Imokawa wurde von Hekoten Shimokawa, einem Mitarbeiter des humoristischen Magazins Tokyo Puck im Jahr 1917 produziert. Im selben Jahr entstanden auch Hanahekonai€™s New Sword von Junichi Kouchi und The Battle of the Monkey and the Crab von Seitaro Kitayama, der 1921 das erste japanische Animationsstudio gründete (das allerdings bereits nach dem großen Kanto-Erdbeben 1923 wieder auflöste).

In dieser Frühphase wurden Animationsfilme meist für Schulungen eingesetzt. Einer der Zeichner in Kitayamas Studio, Sanae Yamamoto, begann bald eigenständig Filme zu produzieren und wurde neben Yasuji Murata und Noburo Ofuji zu einem der Aushängeschilder der Animationsindustrie. Ihre Filme basierten meist auf asiatischen Legenden, Märchen und Sagen und orientierten sich stark an den amerikanischen Vorbildern. Eine Spezialität Ofujis war die Animation von bemalten Papierausschnitten.

Der typische Animationsfilm der 1930er Jahre war schwarz-weiß, hatte eine Länge von sechs bis 14 Minuten und behandelte Sagen, Tieranimationen im Disney-Stil und Komödien mit militaristischem Hintergrund. Auch wenn wichtige Animateure wie Ofuji oder Murata ihren Themen treu blieben, wurden im Laufe der 30er Jahre doch immer mehr propagandistische Filme gedreht. Spätestens nach dem Angriff auf Pearl Harbor entstanden dann fast ausschließlich Animationsfilme mit propagandistischem Hintergrund. Ihr Zweck war es, die Glorifizierung der Armee und des Krieges in den Realfilmen zu ergänzen und damit eine größere Abdeckung der Bevökerung zu erreichen, speziell Familien und Kinder.

Umso erstaunlicher, dass es Kenzo Masaoka 1943 gelang, mit Kumo to chourippu eines der größten Meisterwerke aus der Frühzeit des Animationsfilms zu schaffen. Darin versucht eine große schwarze Spinne, ein Marienkäfermädchen in ihr Netz zu locken. Im letzten Moment entdeckt die Marienkäfer-Dame die Falle und flüchtet in eine schützende Tulpe. Die Spinne gibt nicht auf und webt die gesamte Tulpe ein in welcher der Marienkäfer sitzt. Doch da setzt ein Sturm ein und die Spinne muss plötzlich selbst um ihr Netz und ihr Leben kämpfen.

Nach Kriegsende schlossen sich Sanae Yamamoto und Kenzo Masaoka zusammen und gründeten die Produktionsfirma Nihon Doga. Trotz der neuen Organisationsform und der Zusammenarbeit zweier bekannter Animationskünstler fehlte es aber an professionellen Produktionsmitteln. Außerdem blieben viele Animateure den gewohnten Arbeitsmethoden und €“techniken treu, so dass die Filme der späten 1940er Jahre sich kaum von denen der 30er unterschieden. Nur mussten sie jetzt mit den aus den USA importierten, aufwändig in Farbe produzierten Disney-Filmen konkurrieren.

1955 entschied Toei, eines der großen japanischen Filmstudios, eine Abteilung für Animationsfilme zu einzurichten und kaufte Nihon Doga auf, so dass 1956 Toei Doga entstand. Erklärtes Ziel war es, das „Disney Asiens“ zu werden. Ab 1958 entstand nun unter der Leitung von Taji Yabushita und Yasuji Mori jedes Jahr ein abendfüllender Farbfilm, für den sie zunächst auf das erprobte Disney-Schema der Adaption von Märchen und Sagen zurückgriffen, in denen süße Tiere und viel Magie vorkamen.

Fast zeitgleich baute auch Ryuchi Yokoyama, ein bekannter Manga-Zeichner, ein eigenes Studio auf, mit dem er mehrere preisgekrönte Filme produzierte. Zudem begann Tadahito Mochinaga für das Fernsehen erste Werbespots (Once Upon a Time There Was Beer) und Kurzfilme zu drehen, von denen Little Black Sambo Conquers the Tigers 1958 beim Internationalen Filmfest in Vancouver ausgezeichnet wurde. Der Grundstein für eine blühende Animationsindustrie war gelegt.

Teil II lesen

Der Japaner an sich liebt Listen und Klassifizierungen. Beides kombiniert und auf die Filmwelt angewendet, ergibt eben jene ewig lange, unglaublich ausdifferenzierten Listen von Genres, in die das japanische Kino unterteilt wurde (und zum Teil noch wird).

Da gibt es einerseits die temporale Klassifizierung in jidaigeki und gendaigeki, welche die Modernisierung Japans als Trennlinie heranzieht und bis heute Bestand hat. Dann gibt es Unterscheidungen nach dem sozialen Milieu, das im Film dargestellt und behandelt wird, etwa die shomingeki. Wenn wir noch weiter in die Tiefe gehen stoßen wir auf solche spaßig klingenden Genres wie den haha-mono und den tsuma-mono, Ehefrauen- und Tochterfilme, in denen die familiäre Stellung der Hauptcharaktere als das Definitionskriterium herangezogen wird.

Sehr viel bekannter ist dagegen die Gruppe der Pinku eiga, Filme die sich irgendwo zwischen Sexstreifen und anspruchsvollem Autorenkino tummeln und – wie könnte es anders sein – wieder in verschiedene Subgenres unterschieden werden.

Ich habe bisher davor zurückgescheut, mich weiter in diese Untiefen des japanischen Films vorzuwagen. Ich selbst bin nämlich kein großer Freund solcher Kategorieschemata, ich sehe so etwas eher als einengend. Andererseits kann man es sich in einem solchen Genreraster natürlich sehr bequem einrichten und auch ganz toll über die Stränge schlagen und ein Genre mal im Vorbeigehen neu definieren, wie es Akira Kurosawa mit Yojimbo getan hat.

Ich werde die Herausforderung also annehmen und mich mit dem Medusenhaupt der japanischen Film-Genres etwas näher beschäftigen. Meine Erfahrungen mit diesem Labyrinth sind dann hier zu verfolgen.

Shomingeki

Eines der wichtigsten Genres des japanischen Kinos, befassen sich shomingeki-Filme mit dem Leben einfacher Menschen, vorrangig aus der unteren Mittelschicht.

Der einflussreichste Regisseur, der dazu beitrug, das Genre in den 1920er Jahren zu etablieren, war Yasujiro Shimazu. Seine Filme machten aus Slapstick-Komödien realistische Darstellungen des Lebens einfacher Menschen, die Verständnis weckten, unterhielten und dem Alltag trotz aller Widrigkeiten Bedeutung zuwiesen. Ein selbstverständlicher Bestandteil dieses Alltags war das Familienleben. Dessen brillantester Beobachter, Yasujiro Ozu, entwickelte das Genre mit seinem Film Ich wurde geboren, aber€¦ innerhalb kürzester Zeit zu voller Reife.

Weitere wichtige Regisseure von shomingeki-Filmen waren Mikio Naruse, Shiro Toyoda und Heinosuke Gosho. Auch der von mir so verehrte Kenji Mizoguchi hatte sich in der Frühphase seiner Karriere mit dem Genre befasst, etwa in Kaminingyo Haru no Sasayaki. Mit dem Aufkommen von Fernsehserien und dem wachsenden Einfluss des Hollywood-Kinos in den 1960er und 70er Jahren verlor das Genre aber stark an Bedeutung.

Akira Kurosawa drehte in über 50 Jahren Filme zu unterschiedlichsten Themen, unter verschiedensten technischen, politischen und persönlichen Umständen. Es gab jedoch eine sich schon früh andeutende Konstante: Er arbeitete immer wieder mit einer handvoll Künstler zusammen, denen er rundum vertraute, der sogenannten Kurosawa-gumi.

Zu den engsten Mitstreitern hinter der Kamera gehörten von Beginn an Asakazu Nakai, der zum ersten Mal 1946 für Kein Bedauern für meine Jugend für Kurosawa hinter der Kamera stand und bis zu seinem Tod nach den Dreharbeiten zu Ran an zwölf Filmen mitwirkte, ab Kagemusha zusammen mit Takao Saito. 1948 war Fumio Hayasaka zum ersten Mal für die Filmmusik verantwortlich und steuerte in der Folge achtmal grandiose Scores unter anderem zu Rashomon, Ikiru und Die Sieben Samurai bei. Nach seinem Tod übernahm 1955 Masaru Sato den Stab und schrieb die Musik zu den nächsten neun Filmen.

Ein ständiger Begleiter und Ratgeber für Kurosawa war auch der Drehbuchautor Hideo Oguni, mit dem er sich erstmals 1952 für Ikiru in einen Ryokan zum Schreiben zurückzog. Dieses Ritual sollte bis Ran fester Bestandteil der Entstehung aller Kurosawa-Filme sein, bis auf Yojimbo, „Dersu Uzala“ und Kagemusha.

Weniger prominent aber nichtsdestotrotz wichtig und von langer Dauer war das Mitwirken von Teruyo Nogami, die bei Rashomon als Script-Girl begann und fortan den Meister unter anderem beim Schnitt unterstützte. Weitere langjährige Mitarbeiter waren Fumio Yanoguchi (Sound editing) und Yoshiro Muraki (Set Design).

Vor der Kamera waren es vor allem Minoru Chiaki, Takashi Shimura und Toshiro Mifune, die in den verschiedensten Rollen Kurosawas Filme prägten. Weniger prominente aber ebenfalls regelmäßige Auftritte hatten Kamatari Fujiwara, Susumu Fujita, Noriko Sengoku und Kyoko Kagawa; letztere spielte noch in Kurosawas letztem Film, Madadayo. Wichtige Rollen in den späteren Filmen hatte vor allem Tatsuya Nakadai, aber auch Akira Terao.

Aufgrund der Vielseitigkeit der Rollen und der sie ausfüllenden Schauspieler ergibt sich für den Kurosawa-Fan dadurch die merkwürdige Situation, immer wieder auf bekannte Gesichter zu stoßen, die aber trotz der Bekanntheit seltsam anders sind und immer wieder mit Neuem überraschen. Für mich einer der Bausteine für die anhaltende Faszination, welche die Filme Kurosawas auf mich ausüben.

Tsukibito

Der Tsukibito war eine Art persönlicher Assistent für Filmstars, vor allem in den 1950er und 1960er Jahren. Bei den Produktionen der großen Studios kamen diese „Mädchen für alles“ regelmäßig zum Einsatz, um für die Stars des Films einen Sonnenschirm zu tragen, einen Stuhl parat zu haben oder ihnen Zigaretten anzuzünden. Der größte Star des japanischen Kinos dieser Periode, Toshiro Mifune, verzichtete jedoch ausdrücklich auf derartige Sklavenarbeit Dienste.

Jidaigeki

Der Begriff „Jidaigeki“ (jidai bedeutet soviel wie Zeitalter, Periode) steht für ein Genre des japanischen Kinos, dessen Filme im Japan vor der Meiji-Restauration im Jahre 1867, insbesondere der Edo-Zeit, spielen. Es handelt sich also nicht um ein thematisches Genre, sondern um ein historisches. Entsprechend werden sowohl die im Westen als Samurai-Filme bezeichneten Vertreter, die den Großteil der Jidaigeki-Filme stellen, als auch historische Dramen (wie etwa einige der späten Filme Kenji Mizoguchis) als Jidaigeki bezeichnet.

Das Jidaigeki-Genre entstand in den 1920er Jahren auf Basis von kurz zuvor populär gewordenen Theaterstücken, in denen Schwertkämpfe dargestellt wurden. Diese chanbara genannten Kämpfe entsprachen dabei aber nicht unseren heutigen Vorstellungen realistischer, temporeicher Kämpfe, sondern ähnelten eher Tänzen. Zur Darstellung von chanbara griffen Jidaigeki-Filme von Anfang an Elemente des Hollywood-Kinos auf, etwa der frühen Actionfilme Douglas Fairbanks‚ oder der Filme Buster Keatons, dessen stoische, keine Gefühlsausdrücke zulassende Darstellung als ideal für das Bild der unnahbaren Schwertkampfhelden empfunden wurde.

Jidaigeki-Filme wurden in ihrer Entstehungsphase häufig verwendet, um eine verfremdete Auseinandersetzung mit der Gegenwart zu führen. Die Handlung wurde zumeist in die Spätphase der Edo-Zeit verlegt, als Modernisierer und Traditionalisten in Japan um die Vorherrschaft kämpften und das Leben der Menschen durch große Instabilität und Entbehrungen geprägt war. Die Parallelen zum Japan um 1930, als ein erbitterter Kampf zwischen Linken und Rechten tobte und die Weltwirtschaftskrise die Existenz vieler Menschen zerstörte, boten ein ideales Setting für verborgene Kritik und Aufarbeitung aktueller Probleme.

In dieser Frühphase wurden die Jidaigeki-Filme oft von kleinen, unabhängigen Studios produziert. Erst als sich im Lauf der 1930er Jahre die großen Studios wie Shochiku, Daei und insbesondere Toei auf Jidaigeki-Filme zu spezialisieren begannen, wurde das Genre mehr und mehr mit Schwertkampf-Filmen gleichgesetzt, die keinen großen künstlerischen Anspruch mehr besaßen. Dies führte dazu, dass sich eine Reihe von Konventionen herausbildete, die das Genre mehr und mehr erstarren ließen, bis es Ende der 1950er Jahre in eine Krise geriet und schließlich durch den immensen Erfolg von Akira Kurosawas Yojimbo seinen Charakter völlig veränderte.
Im Westen wird „Jidaigeki“ fälschlicherweise mit Samurai-Filmen gleichgesetzt. Samurai spielen jedoch – als eine klar definierte gesellschaftliche Klasse, die mit der Aufrechterhaltung der Ordnung betraut waren – in vielen Jidaigeki-Filmen überhaupt keine Rolle. Häufig stellen andere gesellschaftliche Gruppen wie Ronin oder Yakuza die Hauptprotagonisten. Und in vielen Filmen spielen Schwertkämpfe überhaupt keine Rolle. Ein typisches Beispiel für einen solchen Jidaigeki-Film wäre Kenji Mizoguchis Ugetsu.