Original: Jo no mai (1984) von Sadao Nakajima

Der Film erzählt die Geschichte der Malerin Tsuya, die unter ihrem Künstlernamen Uemura Shoen als erste Frau Japans höchsten Kulturorden erhielt, und nach deren berühmtestem Gemälde der Film im Original benannt ist (das Gemälde ist auch auf der englischen Wikipedia-Seite zu sehen). Interessanterweise beginnt Appassionata jedoch mit der Geschichte ihrer Mutter, die auch die erste Hälfte des Films weitgehend dominiert.

Wir erfahren zuerst, wie Sei (Mariko Okada) als junges Mädchen von ihrer Familie aufgegeben wird und fortan bei einem Teehändler aufwächst, dessen Geschäft sie zuerst erlernt und nach dessen Tod auch von ihm übernimmt. Als ihr Mann stirbt, wird sie von Verwandten bedrängt, ihre beiden kleinen Töchter wegzugeben, doch sie will nicht, dass ihnen – wie einst ihr selbst – die Familie geraubt wird.

So wachsen Tsuya (Yuko Natori) und ihre Schwester mit einer alleinerziehenden Mutter auf, die zugleich das Familiengeschäft führt. Tsuyas künstlerisches Talent fällt bald auf, sie wird zunächst auf eine Malereischule geschickt und später in die Obhut des großen Malers Shokei (Kei Sato) gegeben. Auch er erkennt ihr Talent, schätzt sie aber zunehmend auch als heranwachsende, aufblühende Frau und drängt sie in ein Verhältnis. Tsuya beginnt, die ersten Preise bei Ausstellungen zu gewinnen, doch dann wird sie schwanger und ihre Leidenszeit geht nun erst richtig los. Aber sie lässt sich durch nichts davon abbringen, ihre Kunst weiter zu perfektionieren und zu malen.

Sadao Nakajima zeigt in Appassionata zwei starke Frauen, Mutter und Tochter, die für ihre Zeit eine groß Unabhängigkeit und Individualität zeigen. Beide sehen sich unter dem Druck der Gesellschaft zu Zugeständnissen gezwungen (Tsuya in dem Verhältnis mit Shokei, ihre Mutter bei der Frage, was mit dem unehelichen Kind geschehen soll). Als sie sich jedoch aufeinander besinnen und als Familie zusammenstehen, gelingt es ihnen, aus den erwarteten Mustern auszubrechen.Daher auch die große Rolle, die der Mutter im Film eingeräumt wird.

Die Familie als Quelle der Kraft und sicherer Hafen für Frauen, die sich mit einer Gesellschaft, die sie an der freien Entfaltung hindert oder gar ausbeutet, überwerfen – Nakajima begibt sich ein Stück weit auf die Spuren großer Vorbilder wie Naruse oder Mizoguchi, setzt aber andere Akzente. Ist bei den beiden Altmeistern die Familie oft Teil eines Systems, gegen das Frauen sich (vergeblich) auflehnen und aus dem es kein Entrinnen gibt, bietet die Familie hier den Rückhalt, den man sich eigentlich von ihr wünscht. So kommt sein Film bei aller Tragik letztlich auch zu einem „Happy end“, wie es den Protagonistinnen Naruses oder Mizoguchis verwehrt bleiben würde.

Der unbedingte, nimmermüde und verzweifelte Kampf Tsuyas, ihre Leidenschaft für das Malen ausleben und zu immer neuen Höhen treiben zu können, wird mit ruhigen Bildern in Szene gesetzt, die eine beeindruckende Kraft entwickeln. Beide Hauptdarstellerinnen liefern exzellente Leistungen ab. Als Mutter, die zwischen der Liebe für die Tochter und der Verantwortung für sie hin- und hergerissen ist, und als Künstlerin, die zur Not auch den eigenen Körper und ihre Kunst verkauft, um nur das tun zu können, was den Sinn ihres Lebens ausmacht: Malen. Ein versteckte Perle von einem Film bei der ich nur hoffen kann, dass sie eines Tages als DVD oder wie auch immer ans Tageslicht gebracht wird.