Original: Pâmanento Nobara (2010) von Daihachi Yoshida

Nach ihrer Scheidung lebt die junge Naoko (Miho Kanno) mit ihrer Tochter wieder bei ihrer Mutter in einem kleinen, gottverlassenen Fischerdorf. Der Friseursalon ihrer Mutter ist der Treffpunkt für die Frauen des Dorfes, wo sie sich über ihre Männergeschichten austauschen, sich ihr Leid klagen und gegenseitig aufmuntern. Das Liebesleben sowohl der Kundinnen als auch von zwei alten Freundinnen Naokos stellt sich als mehr oder weniger große Katastrophe heraus. Im Vergleich dazu scheint Naokos heimliche Affäre mit einem Lehrer geradezu perfekt zu laufen – etwas zu perfekt, wie sich erweist.

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Dass Regisseur Yoshida schräge Charaktere und Ereignisse wunderbar unaufgeregt und natürlich in Szene setzen kann, hat er bereits mit Funuke, show some love you losers gezeigt. Waren die Skurrilitäten damals aber eher zweischneidig angelegt, kommen sie jetzt durch und durch sympathisch und witzig daher. Besonders das erste Drittel des Films, in dem wir die verschiedenen Frauen und das Dorf kennen lernen, bietet daher allerhöchsten Unterhaltungswert und jede Menge Lacher.

Paradebeispiel dafür und für die Anlage des Films überhaupt ist der auf Don Quijotes Spuren wandelnde senile Großvater, der mit seiner Kettensäge einen ewigen Kampf gegen Strommasten zu führen scheint und damit immer mal wieder für spontane Stromausfälle im ganzen Dorf sorgt. Es stellt sich dann jedoch heraus, dass das Dorf früher so arm war, dass seine Familie manchmal nichts zu essen hatte. Dann zog er los und „fällte“ ein paar Strommasten, um das Holz und die Stromleitungen auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Bei den den hungrigen Kindern war er deshalb damals der Held, heute lässt ihn diese Erinnerung nicht mehr los.

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Diese Darstellung und der Umgang mit dem Leben in dem kleinen Fischerdorf und der eingeschworenen, engen Gemeinschaft sind sehr gelungen: Manchmal etwas überzeichnet, sympathisch-verrückt und fast idealisierend, aber bevor es zu einer Romantisierung des „einfachen Lebens“ kommen könnte wird intelligent und ironisch hinterfragt und auf die Schattenseiten hingewiesen.

So ist auch der Umgang mit Naokos Charakter gestaltet. Zunächst wirkt sie trotz ihrer Scheidung im Vergleich zu den überdrehten Besucherinnen des Frisiersalons sehr ausgeglichen und glücklich. Die Beziehung zu dem Lehrer wirkt überaus harmonisch, die beiden verstehen sich wunderbar und lieben sich offenbar sehr. Da sie die Beziehung allen anderen verheimlicht, sehen die beiden sich aber nur selten.

Irgendwann wirkten diese Momente des Wiedersehens auf mich zunehmend irreal, wie reiner Eskapismus. Dass diese Beziehung so nicht lange gut gehen könnte, hatte ich erwartet, die Wendung die sie und damit der ganze Film am Ende nehmen, kam dann aber wie ein Schlag vor den Kopf! Die Offenlegung der Wahrheit kam völlig unerwartet und ist so clever inszeniert, da dürfte so ziemlich jeder im Kinosaal für einen Moment den Atem angehalten haben. Ein echter Gänsehaut-Moment, sehr genial!

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So entwickelt sich der Film von der komödiantischen Eröffnung immer mehr hin zu einem Drama. Das Motiv des Gefangenseins in der Vergangenheit findet sich bei fast allen Charakteren mehr oder weniger ausgeprägt. Vom Großvater mit seinem Strommastenfällen über Naokos Freundinnen, die mit Erinnerungen an längt vergangene Beziehungen zu kämpfen haben, bis am Ende hin zu Naoko selbst: Die Vergangenheit lässt die Charaktere in Permanent Nobara nicht los. Und so kriegen wir natürlich auch reichlich Flashbacks in diesem Film zu sehen, die sich aber sehr schön einfügen.

Die Gründe für diese permanente Auseinandersetzung mit der Vergangenheit, die mal glorifizierende, mal verdammende Formen annimmt, sind vor allem Einsamkeit und ein ausgeprägter Wunsch nach Liebe. Bei aller Freundschaft und Zusammenhalten in der kleinen Dorfgemeinschaft sind die meisten der Frauen doch sehr allein. Ein eng damit verbundenes, immer wiederkehrendes Motiv ist die Verarbeitung von Verlust und Tod, die sich wie ein roter Faden durch den Film zieht, sei es anlässlich von tatsächlichen Todesfällen oder die häufigen symbolische Beerdigungen, die Naoko zusammen mit einer ihrer Freundinnen durchführt. Mit einer Botschaft des „niemals unterkriegen lassen“ schafft es der Film am Ende doch, mit einer positiven Note zu enden.

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Für mich war Permanent Nobara eines der Highlights der diesjährigen Nippon Connection. Ein wunderbarer Film, großartig erzählt mit urkomischen, liebenswert-verrückten Typen, der sich wohl am besten mit „bittersweet“ beschreiben lässt und auf sehr beeindruckende Weise die Balance zwischen romantischer Komödie und Drama hält. Sehr sehenswert!