Original: Uwasa no onna (1954) von Kenji Mizoguchi

Hatsuko (Kinuyo Tanaka) betreibt ein Geisha-Haus in Kyoto – hinter dessen gut gehenden Geschäften sich Prostitution verbirgt – und führt eine recht undurchsichtige Beziehung mit dem deutlich jüngeren Arzt Matoba (Tomoemon Otani). Als sie ihre Tochter Yukiko (Yoshiko Kuga), die wegen einer gescheiterten Beziehung einen Selbstmordversuch unternommen hat, wieder nach Hause holt, erscheinen schnell Risse in ihrer scheinbar so respektablen Fassade.

Denn Yukiko verabscheut nicht nur das Geschäft, an dem ihre Mutter so gut verdient, sie erweckt auch das Interesse Matobas. Dessen Sympathien für Hatsuko beschränkten sich offenbar auf ihre Absicht, ihm eine Praxis zu finanzieren. Zunehmend verzweifelt versucht Hatsuko, Matoba an sich zu binden, während  Yukiko sich von ihrem traumatischen Selbstmordversuch erholt und sich langsam gegenüber den Frauen des Hauses öffnet und deren Vertrauen gewinnt. Als sie jedoch erfährt, dass Matoba ihr sein Verhältnis zu ihrer Mutter verheimlichte und diese hintergangen hat, bricht ihr altes Trauma wieder hervor.

Was mich an The Woman in the Rumour von der ersten Minute an fesselte, war die unglaubliche Präsenz von Kinuyo Tanaka, die ich bisher vor allem aus Filmen wie Das Leben der Frau Oharu, Die Mutter oder Equinox Flower kannte, in denen sie typischerweise still leidende, passive Frauenrollen gegeben hatte. Hier dagegen ist sie als eine unabhängige, quirlige, vor Leben und Aktivität geradezu übersprudelnde Geschäftsfrau kaum wiederzuerkennen. Erst im Laufe des Films, mit der aufkeimenden Verzweiflung, kommt die von ihren anderen Rollen bekannte Leidensfähigkeit hervor, die hier aber mit großem Widerstandswillen verbunden ist und sich keineswegs auf eine passiv-leidende Rolle beschränkt.

Dennoch ist unübersehbar, dass sie und ihre Tochter Yukiko nach und nach die Rollen tauschen: Yukiko steht anfangs noch ganz unter dem Eindruck ihres Selbstmordversuchs, sondert sich ab, zeigt offen ihre Verachtung für das Geschäft des Hauses und dessen Bewohnerinnen. Auch den aufrecht besorgten Matoba hält sie zunächst auf Distanz und isoliert sich bewusst.

Eine schwere Erkrankung bei einer der „Geishas“ um die sie sich rührend kümmert, bricht dann jedoch das Eis, ihre Stimmung hellt sich merklich auf, sie öffnet sich für andere Menschen und nicht zuletzt für Matoba, wodurch sie unbewusst bei ihrer Mutter eine genau gegenteilige Entwicklung in Gang setzt.

Manifestationspunkt dieses Rollentauschs ist der gemeinsame Besuch eines Noh-Stücks, in dem eine alte Frau veralbert wird, die sich in einen jungen Mann verliebt hat. Während Yukiko und Matoba sich köstlich amüsieren, erkennt Hatsuko natürlich die Parallelität und zieht sich verwirrt und niedergeschlagen allein zurück. Erst als der Auslöser und Angelpunkt dieser Entwicklung, die Unaufrichtigkeit und Heuchelei des Arztes Matoba, den beiden Frauen klar wird, Yukiko mit einer Schere auf ihn losgeht und dadurch das Konkurrenzverhältnis hinfällig wird, ergibt sich wieder ein emotionales Gleichgewicht.

The Woman in the Rumour, ein Jahr nach Gion Bayashi und zwei vor Street of Shame (Mizoguchis letzter Film) entstanden, stellt in mancher Hinsicht so etwas wie das verbindende Glied zwischen diesen beiden Filmen dar. Alle drei beschäftigen sich mit den Lebensverhältnissen von Geishas und dem schmalen Grad zur Prostitution, wobei Gion Bayashi sich noch am stärksten mit dem klassischen Ideal auseinandersetzt, das bei Woman in the Rumour nur noch Fassade ist und in Street of Shame völlig abhanden gekommen ist.

Auch wenn Yukiko – und damit ein Stück weit auch wir als Zuschauer – ihre Abneigung gegen die menschenverachtende Ausbeutung der Frauen hinter sich lässt, ruft Mizoguchi ähnlich wie in den beiden anderen erwähnten Filmen mittels eines jungen Mädchens, das aus materieller Not in die Prostitution gerät, den wahren Charakter am Ende wieder in Erinnerung. Mit Mizoguchis vorherigen Meisterwerken kann The Woman in the Rumour zwar nicht mithalten, aber er ist ein sehr typischer Mizoguchi und allemal sehenswert, gerade im Kontext mit seinen anderen Geisha-Filmen.