Original: Sakuran (2006) von Mika Ninagawa

Mein Fazit zum Debutfilm der früheren Fotografin Ninagawa, der ab heute, 28. August, in einer sehr überschaubaren Zahl deutscher Kinos zu sehen ist: Schade, dass ihn wahrscheinlich nur so wenige Filmfans sehen werden. Sakuran ist sicherlich kein Meisterwerk für die Ewigkeit, aber ein richtig guter Film, dem ich es wünschen würde, dass er einen umfangreicheren Release bekommen hätte.

Das Mädchen Tomeki wird an ein Bordell in Edos berühmtem Rotlichtbezirk Yoshiwara verkauft. Das widerspenstige kleine Ding gerät schnell mit seiner Ziehmutter, einer Oiran – der ranghöchsten Kurtisane – aneinander, ist zugleich aber von deren Ausstrahlung, Selbstbewusstein und Souveränität beeindruckt. Im Lauf der Jahre wird aus Tomeki unter dem Namen Kiyoha (Anna Tsuchiya) selbst eine Prostituierte, die durch ihr Flair und ihr besonderes Händchen im Umgang mit den Freiern schnell in der Hierarchie des Bordells emporsteigt, deren Drang nach einem freien, selbstbestimmten Leben aber ungebrochen bleibt.

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Ihr Aufstieg wird begleitet von einer tragischen Affäre mit einem Kunden, in den sich Kiyoha hoffnungslos verliebt. Doch für Gefühle ist in Yoshiwara kein Platz, sie wird zum Ziel einer Intrige und muss erfahren, dass ihr Geliebter sie lediglich ausnutzte. Aber Kiyoha lässt sich nicht unterkriegen und wird schließlich selbst Oiran. Als ein reicher Adliger ihr einen Heiratsantrag macht, scheint sich endlich die Möglichkeit aufzutun, aus Yoshiwara zu entkommen, doch dann wird Kiyoha schwanger – und weiß natürlich nicht, von wem.

Sakuran ist ein überaus farbenprächtiger Film, der die beschwingte und lebensfrohe, zugleich aber hektische Atmosphäre des Bordells wunderbar zum Leben erweckt. Nahezu allgegenwärtig ist dabei die Farbe, die wie keine andere für das Leben an sich steht: Rote Lippen, rote Gewänder, rote Blumen, rote Sonnenuntergänge, rotes Blut, rote Lampen, rote Goldfische und natürlich dürfen auch die berühmten japanischen Ahorne in ihrem rotleuchtenden Herbstlaub nicht fehlen.

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Das zweite immer wieder auftauchende Element neben der Farbe Rot ist das des Gefangenseins und der Sehnsucht nach Freiheit. Bereits zu Beginn des Films schwört sich die kleine Tomeki unter einem blütenlosen Kirschbaum, eines Tages aus Yoshiwara, über dessen Tor ein riesiges Aquarium mit Goldfischen prangt, herauszukommen. So werden die Kirschblüten, die dem Film auch seinen Titel geben, zum Symbol für die Freiheit, und die Goldfische repräsentieren die im goldenen Käfig gefangene Kurtisane.

Als solche wird Kiyoha immer wieder halb verborgen durch Schiebetüren oder Blumen oder hinter den Gittern der Fenster gezeigt. Die umgekehrte Perspektive durch die Gitter ist zugleich diejenige der Freier, welche die zur Schau gestellten Prostituierten begutachten oder schlicht begaffen.

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Neben der konsequenten, lebensfrohen Ästhetik des Films sind es außerdem die Musik und die Modernität der Hauptcharakterin, welche die Schwächen des eher konventionellen Scripts ausgleichen. Der Soundtrack bietet einen stimmungsvollen Mix aus allerlei Musikrichtungen – von Elektropop über Gitarrenriffs und Jazz bis hin zu Geigensolos reicht das Spektrum – der exzellent die Wirkung der Bilder unterstreicht.

Ein Detail, das dem deutschen Kinogänger wohl verborgen bleiben dürfte, ist der besondere Gebrauch der Sprache. Wie mir eine des Japanischen mächtige Freundin (danke Sandra!) verriet, wird in Sakuran das alte Japanisch der Edo-Zeit mit seinen vielfältigen Höflichkeitsformen gesprochen – nur Kiyoha bedient sich des modernen Japanischen und das in einer reichlich mit Kraftausdrücken und Slang angereicherten Version, was ihre hervorgehobene Stellung und ihre moderne, individualistische und freiheitsliebende Lebenssicht nochmal betont.

Definitiv also ein Film, der einiges zu bieten hat. Nicht zuletzt übrigens auch für einen japanischen Film erstaunlich viel nackte Haut, so dass trotz der eher für einen Frauenfilm typischen Geschichte auch Männer auf ihre Kosten kommen dürften… 😉