Original: Yoi ga sametara, uchi ni kaero (2010) von Yoichi Higashi

Als Kriegsberichterstatter in Südostasien hat der Fotograf Tsukahara (Tadanobu Asano) einen Blick in die Abgründe der menschlichen Seele geworfen, als er aus dem kambodschanischen Bürgerkrieg berichtete. Nun ist er dem Alkohol verfallen, lebt bei seiner Mutter und getrennt von seiner geschiedenen Frau (Hiromi Nagasaku) und den beiden gemeinsamen Kindern. Als er eines Tages große Mengen Blut spuckt und die Ärzte ihm bei weiterem Alkoholmissbrauch den Tod voraussagen, unterwirft er sich einer Entziehungskur in einer Spezialklinik.

Seine Begegnungen dort mit verschiedenen anderen Patienten, die langsame Normalisierung seines Bezugs zur Realität und die Übernahme von Verantwortung in der Patientengruppe lassen ihn trotz einiger Rückschläge Schritt für Schritt wieder auf die Beine kommen. Dazu tragen auch die Besuche seiner Kinder bei und dass die Beziehung zu seiner Ex-Frau wieder an Vertrauen und Intimität gewinnt.

Wandering Home Screenshot 1

Wandering Home geht sehr clevere und effektive Wege dabei, den Zuschauer an den alkoholbedingten Aussetzern und der verwirrten Gefühlswelt und Realitätswahrnehmung des Trinkers teilhaben zu lassen. Manchmal ist der Ton plötzlich weg, oder er brüllt in der Gegend herum während andere davon nichts mitbekommen. Dabei zeigt Asano wieder mal, dass er nicht umsonst einer der Superstars in Japan ist: Seine Darstellung des Alkoholkranken kommt ohne große Effekthascherei aus, ist wohltuend undramatisch, ehrlich und glaubwürdig.

Trotz der zahlreichen anrührenden Szenen driftet der Film auch zu keinem Zeitpunkt in Kitsch ab. Die Ereignisse und Begegnungen in der Klinik sowohl mit anderen Patienten als auch der behandelnden Ärztin, zu der Tsukahara bald Vertrauen fasst, werden sehr ruhig, fast ein bisschen distanziert dargestellt. Vieles bleibt unausgesprochen oder wird vor allem in den leisen Zwischentönen vermittelt.

Sehr schön wird besonders der langsame Weg der Besserung vermittelt, auf den er sich in der Klinik begibt. Ein zentrales Element spielt dabei das dienstägliche Curry-Menü, das Tsukahara auf Grund seines stark angegriffenen Magens lange verwehrt bleibt und um das er seine Mit-Patienten heftigst beneidet. Der Moment, in dem er endlich wieder Curry serviert bekommt, wird zu einem Triumph, zunächst mit fröhlicher Musik, die ganz plötzlich aussetzt so dass die ganze Konzentration auf Asano liegt, der mit unglaublichem Hochgenuss das Curry isst. Ich könnte mir vorstellen, dass eine Entziehungskur tatsächlich so abläuft, wie hier gezeigt.

Wandering Home Screenshot 2

Beeindruckt hat mich an diesem Film besonders, wie die sympathisch-lustig-beschönigenden Darstellung von Alkoholismus, die sich oft in Filmen findet, hier entzaubert wird: Tsukahara torkelt herum, spricht wirres Zeug, hat Aussetzer und fehlenden Realitätsbezug, was durchaus komisch wirkt und in vielen Filmen als Aufhänger für Lacher dient. Er beugt sich über die Toilette, spuckt dann allerdings riesige Mengen Blut. Was bis eben noch schräg, witzig oder peinlich wirkte, wird so von einer Sekunde zur nächsten lebensbedrohlich. Für ungläubiges Staunen sorgte da auch der Moment, in dem ein Arzt wie im Nebensatz enthüllt, dass Tsukahara an Leberkrebs leidet und nur noch wenige Monate zu leben hat.

Für mich war Wandering Home eines der Highlights beim JFFH2011. Ein ruhiger, unaufdringlicher Film mit einem Hauptcharakter, der beim Kampf gegen seine inneren Dämonen nicht aufgibt, sich seinen Weg zurück in die Gesellschaft erkämpft, seine Selbstachtung wiederfindet und sich die Zuneigung und Liebe seiner Familie verdient. Gerade dieses Thema greift auch der Song während des Abspanns auf mit seinem Refrain „let me live my life with pride“.