25 Mai
Yasujiro Ozu wurde nicht zuletzt wegen seines außergewöhnlichen, unverkennbaren Stils zu einer Ikone der japanischen Filmgeschichte. Gerne genannt werden etwa die niedrig positionierte Kamera, die Beschäftigung mit der (japanischen) Familie oder die besondere Nutzung des Raums welche im Widerspruch mit Hollywood-Konventionen steht. Zu diesen Markenzeichen gehören jedoch auch ganz simple, wiederkehrende Motive, von denen ich heute ein Weiteres vorstellen möchte.
Zugfahrten spielen in fast allen Filmen Ozus eine mehr oder weniger große Rolle. In Story of Floating Weeds werden Züge und Zugfahrten zu einem sehr zentralen Element: Der Film beginnt mit der Ankunft von Kihachis Theatertruppe am Bahnhof, dort werden die wichtigen Figuren eingeführt. Am Ende steht wieder eine Zugfahrt, diesmal Kihachis Abreise und die Versöhnung mit seiner Geliebten Otaka im Zugabteil. Die Mobilität symbolisierende Zugfahrt wird so zum Ort geistig-emotionaler Mobilität. Doch mit diesem Versprechen der Mobilität sind auch Sehnsüchte und Hoffnungen verbunden, auf die in einer anderen Szene angespielt wird, nämlich als ein heimliches Liebespaar die Unmöglichkeit der Beziehung beklagt und dann sehnsüchtig einem vorbeifahrenden Zug hinterhersieht, der ihnen als einziger Ausweg erscheinen mag.
In Tokyo Story sind Shukichi und Tomi ständig mit Zügen unterwegs und es wird dauernd über Zugfahrten geredet, man sieht die beiden aber nur einmal am Bahnhof. Erst ganz am Ende des Films, als Noriko nach Tomis Beerdigung wieder nach Tokyo zurückfährt, sieht man tatsächlich einen Zug und wie sie darin – eine Taschenuhr in den Händen – mutmaßlich über die Vergänglichkeit der Dinge nachdenkt und darüber, wie die Zeit die Menschen und ihr Leben verändert.
Verschiedene Formen der Fortbewegung und Mobilität spielen in Flavor of Green Tea over Rice eine ganz zentrale Rolle. Gleich in der Auftaktszene sehen wir die beiden Hauptdarstellerinnen gemeinsam bei einer Taxifahrt und wie die Stadt an ihnen vorbeihuscht. Gegen Ende des Films werden dann der Flughafen und ein Flug nach Uruguay zu wichtigen Handlungselementen. Dazwischen steht die Zugfahrt von Taeko, als sie aus Frustration angesichts ihrer Ehekrise Hals über Kopf aus Tokyo abreist.
In anderen Filmen dagegen sind Zugfahrten normaler Bestandteil des alltäglichen Lebens, häufig etwa beim Pendeln zur Arbeit. Ein Beispiel dafür wäre Später Frühling, in dem Shukichi mit dem Vorortzug in die Stadt zur Arbeit fährt. Da er dabei manchmal auch von seiner Tochter begleitet wird, nutzt Ozu diese gemeinsamen Fahrten, um das innige Verhältnis der beiden zueinander zu beleuchten.
Das Pendler-Szenario wird manchmal aber gar nicht durch die Zugfahrten selbst visualisiert sondern etwa mittels der Bahnhöfe, wartender Pendler oder von Gleisanlagen. Ein Beispiel dafür findet sich beispielsweise in Early Spring:
Züge und Zugfahrten stehen kulturhistorisch symbolhaft für vielerlei in Filmen: Das Reisefieber, die Sehnsucht nach der Ferne, Kraft und Veränderungen (man denke an Once Upon a Time in the West), Flucht oder Selbstfindung (siehe The Darjeeling Limited). Ozu machte in seinen Filmen sehr unterschiedlichen Gebrauch von Zügen und nutzte dabei all die verschiedenen Assoziationen und Hintergründe gleichermaßen, wie es nur ein Meister seines Fachs kann.
Weitere Markenzeichen Ozus:
Teil I – Sackleinen
Teil II – Trocknende Wäsche
1 Kommentar for "Ozus Markenzeichen Teil III: Zugfahrten"
3pottery
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