Original: Hachigatsu no kyoshikyoku (1991) von Akira Kurosawa

Vier Kinder verbringen den Sommer bei ihrer Großmutter Kane (Sachiko Murase) in Nagasaki, während ihre Eltern einen lange vergessenen Bruder Kanes in Hawaii besuchen, der es inzwischen zu Reichtum gebracht hat. Durch die Erzählungen der Großmutter und Ausflüge nach Nagasaki und in die Umgebung tauchen sie ein in die Geschichte ihrer Familie und des Atombombenabwurfs auf die Stadt, bei dem auch ihr Großvater ums Leben kam.

Als die Verwandten in Amerika davon erfahren, reist der Neffe Clark (Richard Gere) zum bevorstehenden Todestag des Großvaters am 9. August an und versetzt damit die Familie in Alarmstimmung. Völlig umsonst, wie sich herausstellt, denn anstatt durch die Bedeutung der Atombombe in der Familiengeschichte abgeschreckt zu sein, nimmt Clark aufrichtig Anteil an Kanes Trauer. Für die alte Dame werden die Erinnerungen jedoch immer realer – bis sie ganz in die Vergangenheit eintaucht.

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Rhapsodie im August wurde teils als oberlehrerhaft, teils als anti-amerikanisch kritisiert. Doch diese Kritik betrachtet den Film sehr oberflächlich und übersieht damit zum einen, dass der Abwurf der Atombombe keineswegs den Amerikanern vorgeworfen wird. Vielmehr wird sie und das Leid, das sie über die Menschen gebracht hat, als Bestandteil des Krieges gesehen und der Krieg in seiner Gesamtheit verurteilt. Zudem wird die Person von Clark – und damit stellvertretend auch Amerika – sehr positiv und sympathisch dargestellt.

Zum anderen geht es Kurosawa in seinen Filmen immer um die Menschen und wie sie selbst im Angesicht dramatischer Beschwernis Sinn und Glück finden. Dafür steht sinnbildlich auch das lange Leben von Kane, die trotz ihrer grausamen Erfahrungen letztlich ein zufriedenes Leben geführt hat und sich nun im hohen Alter an ihren Enkeln, leckeren Bohnen und der Schönheit des Mondscheins erfreut.

Kritisiert werden vielmehr die Erwachsenen, die ihrer amerikanischen Verwandtschaft genau die Probleme im Umgang mit der Atombombe und den Überlebenden unterstellen, die es in Japan gibt. Als Clark dann jedoch aufrichtig mit den Trauernden mitfühlt und keinerlei Berührungsängste hat, fallen sie aus allen Wolken.

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Während ich diese Kritik an Kurosawas vorletztem Film also nicht gelten lasse, hat er dafür andere Schwächen. Die größte ist zweifellos, dass nach etwas mehr als der Hälfte ein völliger Bruch durch Rhapsodie im August geht. Standen in den ersten ca. 50 Minuten ganz Kane und die vier Kinder und ihre gemeinsame Reise in die Geschichte der Familie im Zentrum, wird mit dem Auftauchen zuerst der Erwachsenen und dann von Clark all das völlig beiseite gewischt und die Perspektive gewechselt. Was bei den Kindern eine sympathisch-unbedarfte Herangehensweise an die Vergangenheit war, wirkt nun streckenweise aufgesetzt, bemüht und hölzern.

Ganz unbenommen hat der Film – wie könnte es bei einem Kurosawa auch anders sein – aber auch einige sehr starke Momente. Zu nennen wäre etwa der Blick auf die Ameisen während des Trauergottesdienstes, deren langer Karawane die Kamera bis zu einer wunderschön erblühten Rose folgt. Und natürlich der Schluss, als sich Kane mit ihrem Regenschirm dem Taifun entgegenwirft und Abschied von der Realität nimmt. Eine wunderschön inszenierte Szene, bei sich Kurosawa auch ein bisschen selbst zitiert.

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Alles in allem ist Rhapsodie im August aus meiner Sicht dennoch einer der schwächsten Filme in Kurosawas Opus, aber gegen seine großen Meisterwerke können natürlich 99% aller Filme nicht anstinken, das kann also eigentlich kein vernünftiger Maßstab sein. Der Film hat Licht und Schatten, etwas mehr Stringenz und Konzentration auf die Figur der Kane hätte ihm gut getan, aber er setzt sich mit einem sehr schwierigen und emotionalen Thema auseinander und regt dabei auf interessante und angenehme Weise zum Nachdenken an.