Original: Chikamatsu monogatari (1954) von Kenji Mizoguchi

Auch wenn es sich dem Titel nach um die Adaption eines Stückes von Monzaemon Chikamatsu handelt, haben Mizoguchi und sein Drehbuchautor Yoshikata Yoda einen guten Teil der Geschichte bei Ihara Saikaku entliehen und aus den alten Werken beider Schriftsteller etwas eigenes geschaffen.

Osan (Kyoko Kagawa) ist mit dem reichen aber geizigen Hoflieferanten Ishun (Eitaro Shindo) verheiratet. Als sie ihn bittet, ihre Familie mit einem kleinen Betrag zu unterstützen, lehnt er brüsk ab. So wendet sie sich an seinen Buchhalter Mohei (Kazuo Hasegawa), der Osan heimlich verehrt und ihr verspricht, das Geld zu besorgen. Sein Versuch, das Geld aus der Kasse zu „leihen“ wird jedoch entdeckt und durch unglückliche Umstände entsteht bei seiner Flucht der Eindruck, er und Osan hätten eine Affäre.

Nun muss auch Osan fliehen, denn auf Ehebruch steht die Todesstrafe. Bald sehen die beiden keinen Ausweg mehr und wollen gemeinsam in den Tod gehen, als Mohei seiner Angebeteten endlich seine Gefühle offenbart. Da sie ihn ebenfalls heimlich liebte, ändert sich nun schlagartig alles, der Selbstmord ist vergessen, sie wollen ihre Liebe leben. Doch auch ihre Flucht in die Berge kann das unvermeidliche Schicksal nur hinauszögern.

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Anfangs trägt die Geschichte noch fast komische Züge mit operettenhaften Verwechslungen, einem ausgedehnten Wer-liebt-wen-Rätsel und Moheis steifen Bemühungen, die angemessene Distanz zu Osan zu wahren. Das ändert sich völlig, als aus dem angestrebten Doppelselbstmord eine romantische Liebesszene wird und beide erkennen, dass es sich lohnt, um ihr gemeinsames Leben zu kämpfen. Als beide am Ende doch dem gemeinsamen Tod durch Kreuzigung entgegen gehen, bemerkt eine frühere Dienerin am Straßenrand, sie habe die beiden nie so glücklich gesehen.

Die altertümlichen Moralvorstellungen, auf denen die zentralen Konflikte des Films basieren, machen ihn aus heutiger Sicht schwer nachvollziehbar, fast anstrengend. Aber ich könnte mir denken, dass diese Welt dem japanischen Publikum vor über einem halben Jahrhundert noch sehr viel näher war, hatte man doch gerade ein Regime hinter sich, das traditionelle Werte wie Selbstaufopferung zugunsten der Familie und der Gesellschaft sowie die Ehre als oberstes Gut propagiert hatte.

Davon, sich diesen Erwartungen und Normen zu beugen, sind Osan und Mohei weit entfernt, sie wollen zusammen sein, ihre Liebe auskosten, und scheren sich nicht um den Ruf ihrer dem Ruin verfallenen Familien. Damit porträtiert Mizoguchi ein sehr modernes Paar, dem man als Zuschauer unwillkürlich die Daumen drückt, auch wenn einem klar ist, dass die Liebe tragisch enden muss.

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Als Ishun seiner Frau Osan beim ersten Verdacht der Untreue und ohne ihren Unschuldsbeteuerungen auch nur zuzuhören sofort den Selbstmord aufdrängen will – welcher ihm überaus gelegen käme, hat er doch selbst eine Affäre mit einer Hausangestellten – ignoriert sie ihn völlig. Auch als sie von ihrer Familie bedrängt wird, die sich bietende Chance auf Rückkehr in das alte Leben zu nutzen und die Familienehre zu wahren, lässt sie dies kalt.

Somit steht Chikamatsu monogatari in bester Tradition früherer Mizoguchi-Filme wie Osaka Elegy oder Die Schwestern von Gion, in denen ebenfalls starke Frauenfiguren versuchten, sich gegen sozialen Druck, die Erwartungen der eigenen Familie und ausbeuterische, untreue Männer zu behaupten. Die sich daraus ergebenden Konflikte sind in diesen frühen realistischen und in der Gegenwart spielenden Filmen aber sehr viel nachvollziehbarer und greifbarer als in dem in einer feudalen Vergangenheit spielenden Chikamatsu monogatari.

Das tut dem Film letztlich nur geringen Abbruch, will er doch in erster Linie eine epische Liebesgeschichte erzählen, was ihm auch absolut gelingt. Ungewöhnlich für einen Liebesfilm jeder Zeit ist jedoch die Distanz, welche die Kamera die meiste Zeit hält und die uns kaum einmal einen close-up genehmigt, was aber zentraler Bestandteil von Mizoguchis Stil ist. Die ebenso typischen langen Kamerafahrten und die extrem langen Einstellungen dagegen kommen nur sporadisch zum Einsatz. In mancher Hinsicht ein typischer Mizoguchi, weicht Chikamatsu monogatari dann doch vom üblichen Kanon des Meisters ab.