Original: Naniwa ereji (1936) von Kenji Mizoguchi

Osaka Elegy entstand unmittelbar vor Die Schwestern von Gion und markiert gemeinsam mit diesem einen Meilenstein in der stilistischen und thematischen Entwicklung von Mizoguchi, der mit diesen beiden Filmen zu seinem „feministischen“ Kino der ausgebeuteten, leidenden Frauen fand.

Die Telefonistin Ayako (Isuzu Yamada) ist mit ihrem Kollegen Susumu verlobt, muss sich aber permanent der aufdringlichen Avancen von Asai, Präsident der Firma, erwehren. Da ihr Vater Geld unterschlagen hat und ihr älterer Bruder sein Studium bezahlen muss, bittet sie Susumu, die Mittel aufzutreiben. Doch Susumu lehnt ab, worauf sie widerstrebend einwilligt, gegen Geldgeschenke zur Geliebten ihres Chefs zu werden. Dessen Frau bleibt die Affäre aber nicht lange verborgen, es kommt zum Skandal und sowohl Susumu als auch ihre Familie verstoßen Ayako.

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Der erste Auftritt von Ayako zeigt sie in ihrer Telefonkabine sitzend, hinter Glas, eingerahmt von der Tür. Dieses Motiv des Gefangenseins zieht sich durch den ganzen Film: Immer wieder sehen wir sie durch Fenster hindurch oder eingerahmt von Vorhängen, Türen, Schatten. Sie ist eingezwängt von der Verpflichtung gegenüber ihrer in finanziellen Schwierigkeiten steckenden Familie und gerät dadurch in Abhängigkeit von Männern wie Susumu, der sie im Stich lässt, und ihrem Chef, der sie ausnutzt.

Am verachtenswertesten ist jedoch die Reaktion der Familie, die nur durch Ayakos große Opferbereitschaft ihre prekäre finanzielle Lage meistern kann: Der Bruder kann sein Studium fortsetzen und seine Aussicht auf eine rosige Zukunft wahren, der Vater dem Gefängnis entgehen. Doch anstatt Ayakos Opfer und ihre Selbstlosigkeit anzuerkennen, sehen sie nur die Schande des Skandals und dass dies die Familie kompromittiert.

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Am Ende des Films steht Ayako einsam auf einer Brücke unter einer Straßenlampe und starrt hinunter in die dunkle Leere, die zugleich ihre Zukunft symbolisiert. Dann wendet sie sich vom Licht der Lampe ab, geht die Brücke entlang und schließlich in einer langen Großaufnahme direkt auf die Kamera zu. Sie wirkt dabei gefasst und entschlossen, das Leben bei den Hörnern zu greifen, doch den Zuschauer beschleicht angesichts dieses offenen Endes das Gefühl, dass sie in dieser Welt nicht viel zu lachen haben wird. Ein Ende, das auf frappierende Weise das in Truffauts 23 Jahre später entstandenem Sie küssten und sie schlugen ihn vorwegnimmt, und auch genau dieselbe Stimmung transportiert.

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Auch wenn noch einiges an Konsequenz fehlt, habe ich (trotz der leider ziemlich miesen Qualität der Kopie, die ich ergattern konnte) doch alle für Mizoguchi typischen Elemente angetroffen. Bereits die Eröffnungsszene im noblen Haus Asais – der amüsanterweise völlig unter dem Pantoffel seiner Frau steht – zeigt in einer langen Einstellung nichts als einen Korridor, durch den ein, zwei Dienstboten huschen.

Im anschließenden Gespräch von Asai, dessen Frau und einem befreundeten Arzt offenbaren sich in wenigen Sätzen der Zynismus und die Kälte zwischen dem Ehepaar, dessen glückliche Tage lange zurückliegen. Mizoguchi zeigt die drei Personen immer wieder aus unterschiedlichen Perspektiven, wobei die Kamera auch die 180-Grad-Linie überschreitet, und so die allgegenwärtige Spannung zwischen Mann und Frau und ihr zerbrochenes Verhältnis unterstreicht.

Immer wieder folgt die Kamera Personen in ausgedehnten, für die damalige Zeit großartig umgesetzten Schwenks und Fahrten, die schon eine Vorahnung der unnachahmlich fließenden Kamerabewegungen in Mizoguchis späteren Filmen vermitteln.

Und über all dem schwebt natürlich das Thema der unverschuldeten Abhängigkeit einer starken, selbstbewussten und anständigen Frau von Männern, die keinem dieser Attribute entsprechen. Das Dilemma, genau das zu tun was die Gesellschaft von Frauen erwartet (nämlich sich selbst für ihre Familie aufzuopfern), dadurch aber aus der Gesellschaft ausgeschlossen zu werden, griff Mizoguchi im Verlauf seines Schaffens immer wieder auf.