Anlässlich dieses Artikels habe ich mich neulich über den Niedergang der Filmkritik im Journalismus unterhalten. Feuilletons werden ausgedünnt, Kultur- und Filmjournalisten entlassen. Auf der anderen Seite wird man gerade im Netz überflutet von Meinungen zu Filmen, die einem oft als Filmkritik verkauft werden: Sieht man sich eine DVD auf Amazon an, erfährt man sofort, was andere Käufer vom Film hielten; sucht man Infos auf IMDb, kommt man an den Meinungen anderer nicht vorbei. Aber sind solche Stimmen überhaupt Filmkritik?

Zweifellos sind diese von Laien und Fans verfassten Texte manchmal sehr informativ und hilfreich, aber allzu oft bestehen sie nur aus ein paar Zeilen Geschmackskundgebung. Gleiches gilt für viele Foren und Blogs, wo mal eben der zuletzt im Kino gesehene Film als „genial“ gelobt oder „stinklangweilig“ kritisiert wird. Aber zu einer Filmkritik gehört viel mehr als die Aussage, ob der Film gefällt oder nicht. Eine Filmkritik zu schreiben bedeutet, Inhalte zusammenfassen, wichtige Elemente oder Muster des Films analysieren, vielleicht Motive oder die Aussage des Films interpretieren (wenn dieser das hergibt) und dann auf dieser Basis eine Bewertung abzugeben.

Wie viele der Millionen „Kritiken“ im Netz erfüllen diese Kriterien? Wahrscheinlich nur ein winziger Bruchteil, der Rest ist rein geschmacksbasiertes Rauschen, das mir zwar durch seine schiere Masse einen Rahmen, eine Orientierung gibt (wie etwa das Ranking bei IMDb). Worauf dieser Rahmen basiert und wie ich diesen einzuschätzen habe ist für mich aber überhaupt nicht nachvollziehbar, da mein Input allein auf dem Geschmack anderer beruht und mir so die Basis für eine Auseinandersetzung fehlt. Denn ohne intersubjektive Kriterien werde ich nie wissen können, ob diese Bewertungen für mich überhaupt relevant sind oder ob vielleicht der Prozentsatz an Nacktszenen für die Beurteilung ausschlaggebend war.

Mir fällt daher das Verteilen von Sternen und das Erstellen von Rankings auch so schwer, weil dies keine qualifizierte Aussage über Filme erlaubt. Dann schreibe ich eben lieber eine Kritik, in der ich meine Gedanken zum Film für andere nachvollziehbar offen lege, anstatt nur schnell ein Statement rauszuhauen. Das ist vielleicht nicht so sexy wie ein cooler One-Liner, mit dem ich den Film in den Himmel lobe oder zerreiße, und fordert mich und den Leser mehr. Aber letztlich ist eine solche Auseinandersetzung mit einem Film um ein Vielfaches befriedigender als nur der reine, durch ein paar Sterne angestoßene Konsum. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass die meisten meiner regelmäßigen Leser das genauso sehen. Das war übrigens auch von Anfang an einer meiner Ansprüche an den Japankino-Blog: Nicht einfach nur Filmtipps geben mit Daumen hoch oder runter, sondern sich an echter Filmkritik versuchen – wobei mir natürlich klar ist, dass ich auch nur ein Amateur bin.

Dennoch ist es jedes Mal wenn ich eine Filmkritik schreibe eine Gratwanderung: Weil ich auf der einen Seite für meine lieben „Stammleser“ schreibe, die viele der Filme – oder zumindest der Regisseure – mit denen ich mich beschäftige kennen, und zum anderen die Rezensionen auch für den Gelegenheitsbesucher, der vielleicht einfach nur über eine Google-Suche vorbeigekommen ist, noch interessant sein soll. Ausgedehnte Analysen und Interpretationen sind für diese zufälligen Besucher möglicherweise sogar kontrapduktiv und störend, weil dadurch die Spoiler-Gefahr steigt (genau deshalb versuche ich auch in meinen Zusammenfassungen das Ende der Filme nicht zu verraten). Aber wenn mir ein Punkt wichtig für meine Wahrnehmung, meine Bewertung des Films ist, dann wird der auch diskutiert, denn sonst würde ein wichtiges Element fehlen und meine Einschätzung wäre dadurch weniger nachvollziehbar.

Natürlich fehlt auch meinen „Filmkritiken“ die professionelle Basis, auch ich bin nur ein Amateur. Aber Amateur-Kritiken können gegenüber journalistischen Texten klare Vorteile haben. Amateure haben keine Verpflichtungen gegenüber Anzeigenkunden oder Sponsoren, keine Vorgesetzten die Druck machen und vor allem: sie können sich ganz den Filmen widmen, die sie interessieren. Insofern sehe ich derzeit zwar wie im eingangs erwähnten Artikel eine Krise der professionellen Filmkritik. Dafür haben nun die vielen Filmfans, die sich mit Themen und Filmen befassen, die sonst niemals Zugang zu einer Öffentlichkeit gefunden hätten, die Chance, ihre Gedanken und ihr Wissen anderen über das Netz zugänglich zu machen. Weniger professionelle Filmkritik muss eben nicht automatisch einen Verlust an Qualität bedeuten.