Eigentlich ist die Debatte um den Yasukuni-Schrein in Tokyo, die in schöner Regelmäßigkeit aufpoppt und die Beziehungen Japans zu seinen Nachbarn belastet, durch und durch politisch. Aber jetzt ist auch das Filmbusiness davon betroffen: Ein großes Kino in Tokyo hat die Aufführung des bereits auf der Berlinale gezeigten Dokumentarfilms Yasukuni wegen Drohungen rechter Extremisten abgesagt.

Der Film, der u.a. von einem Förderprogramm der japanischen Regierung mitfinanziert wurde und bereits vorab in einer Spezialvorführung von 80 Abgeordneten der Regierungspartei LDP gesehen wurde, soll am 12. April in die japanischen Kinos kommen und hätte ursprünglich auch im neuen Renommier-Multiplex Shinjuku Wald9 der Firma T-Joy gezeigt werden sollen. Diese Vorführungen wurden nun abgesagt, mit widersprüchlichen Begründungen:

„T-Joy told us that it was due to a problem in its screening schedule,“ said an official of Argo Pictures [die Verleih-Firma]. „But the other three theatres still plan to show the movie.“ A T-Joy official contacted by AFP declined to comment. But Kyodo News quoted a T-Joy official as saying the film may cause ‚trouble.‘ „The film is talked about so much that it may create trouble and we don’t want to cause inconvenience to building tenants,“ the official was quoted as saying.

Mit „inconveniece“ dürften wohl Proteste, Aktionen und Drohungen rechter Extremisten gemeint sein. Denn bereits seit einiger Zeit werden der seit 1989 in Japan lebende chinesische Regisseur Li Ying (der zuerst mit Dokumentationen über Tibet auf sich aufmerksam machte) und sein Team mit Morddrohungen eingeschüchtert. Li, der seit 1997 an der Dokumentation gearbeitet hatte, will sich davon aber nicht beeindrucken lassen:

While he is taking precautions to protect himself and his team, Li said he is going ahead with the film’s Japanese release through distributor Nai Entertainment. „I have spent 10 years making this movie,“ he said. „The issues in the film are key to many of the problems Japan faces in dealing with the war and dealing with the rest of Asia. Compared to that (my personal safety) is unimportant.“

Wenn man sich in die Ereignisse rund um die Absage des Kinos etwas einliest, wird einem schnell bewusst, wie sehr Japan heute noch von seiner Geschichte und insbesondere von der mangelnden Auseinandersetzung mit dieser Geschichte und der daraus erwachsenden Verantwortung geplagt wird. Kein Vergleich mit der Situation hierzulande!

Was nun das Filmgeschäft betrifft: Eigentlich müssten sich die Kinos, die planen den Film zu zeigen, angesichts all der kostenlosen Publicity schön die Hände reiben und diese nach Möglichkeit ausnutzen, um Leute in die Vorstellungen zu locken. Insofern ist die Absage wirtschaftlich auch nicht wirklich nachvollziehbar. Im speziellen Fall dieses wohl brandneuen Multiplexes könnte ich mir vielleicht noch vorstellen, dass man seinen Namen nicht in Zusammenhang mit eventuellen Ausschreitungen bringen will, weil das die Zielgruppe (Familien, Teens) abschrecken könnte und schlecht fürs Image wäre. Das wäre die „positive“ Interpretation.

Die weniger schöne Vermutung wäre, dass in Japan bezüglich der eigenen kriegerischen Vergangenheit und speziell des Yasukuni-Schreins bereits ein gesamtgesellschaftliches Klima vorherrscht, welches das Thema tabuisiert und gewissermaßen einen vorauseilenden Gehorsam notwendig macht. Das wäre natürlich fatal und würde nichts Gutes ahnen lassen für die immer noch problematische Aussöhnung mit Korea und China! Vielleicht wissen dazu Leser in bzw. aus Japan mehr?

Einen sehr ausführlichen Bericht über den Film selbst, der die Geschichte und besondere Bedeutung des Schreins aus dem Blickwinkel des letzten noch lebenden Schmieds der Yasukuni-Schwerter beleuchtet, sowie seine Hintergründe findet ihr bei asahi (der Zeitung, nicht dem Bier). Und eine wie immer lesenswerte Kritik bei Thomas.

Via ryuganji