Original: Subete wa umi ni naru (2009) von Akane Yamada

Selbst in unserer emanzipierten Gesellschaft gibt es noch ein paar Jobs, die bis heute Männerdomänen geblieben sind. Dazu gehört auch der des Regisseurs, so dass es meist eine besondere Erwähnung wert ist, wenn sich mal eine Frau auf den Regiestuhl setzt. Schade eigentlich. Woran das wohl liegen mag, dass sich Frauen bis heute so schwer damit tun? Liegt es vielleicht am hohen Druck in der Filmindustrie? Aber ich schweife ab. All to the sea ist jedenfalls einer dieser wenigen Filme, die von einer Frau gedreht wurden und wenn ich mich nicht irre ist es sogar der erste, den ich hier vorstelle.

Die Geschichte dreht sich um Natsuki (Eriko Sato), die in einer Buchhandlung für die Literaturecke zuständig ist und dort mit besonderer Freude Bücher rund um die Liebe präsentiert. Das macht sie so gut, dass ein Verlagsagent auf sie aufmerksam wird und sie Rezensionen zur Vermarktung neuer Bücher schreiben lässt. Nebenbei gehen die beiden auch noch miteinander ins Bett.

Doch dann macht Natsuki einen folgenschweren Fehler: Sie unterstellt einer Kundin ungerechtfertigterweise Ladendiebstahl, worauf sie und ihr Chef die Kundin zuhause besuchen, um sich zu entschuldigen. Dort treffen die beiden auf eine völlig kaputte Familie, deren Vater auf Schmerzensgeld drängt. Kurz darauf taucht der Sohn Koji (Yuya Yagira) jedoch bei Natsuki im Laden auf, entschuldigt sich für seinen Vater und beichtet, dass seine Mutter zwanghaft stehle. Natsuki ist vom Mut und der Aufrichtigkeit des Jungen beeindruckt und die beiden kommen sich schnell näher.

Screenshot All to the sea

Regisseurin Yamada, die hier ihren eigenen Roman verfilmte, erzählt eigentlich gleich mehrere Geschichten in einer. Dazu gehört, dass die beiden Hauptcharaktere mit großem Einfühlungsvermögen und vielen kleinen Details ausgestaltet und von den beiden Darstellern wunderbar zum Leben erweckt werden. So erzählen beide ihre eigene Geschichte, die bei Koji viel mit den Schwierigkeiten eines Außenseiters in der Schule und bei Natsuki mit dem Verwechseln von Liebe mit Sex zu tun hat.

Was die beiden verbindet ist ihre Einsamkeit, deren Überwindung das zentrale Thema das Films darstellt. Zunächst führt dieses Thema die beiden zusammen, sie sehen sich selbst im jeweils anderen, machen sich gegenseitig Mut und bauen so ihre Freundschaft auf. Dann müssen sie jedoch erkennen, dass sie unterschiedliche Wege beim Umgang mit der Einsamkeit gehen, was ihre Freundschaft auf eine harte Probe stellt.

Eine weitere zentrale Rolle spielt im Film der Literaturbetrieb, verkörpert in der Figur des Agenten. Dieser wird als oberflächlich, egozentrisch und allein am materiellen Erfolg orientiert dargestellt und schreckt nicht davor zurück, aus Marketinggründen einen verzweifelten Autor dazu zu bringen, das Ende seines Buches zu ändern. Die Parallelen zum Filmbusiness sind nicht zu übersehen, so dass sich Yamadas Kritik fast eins zu eins übertragen lässt. Sie selbst bleibt jedoch standhaft und verpasst All to the sea ein unerwartetes,  unkonventionelles und offenes Ende.

Für mich war dieser Film ein absolutes Highlight beim JFFH2010! Er widmet sich zwar sehr ernsten Themen, wird dabei aber nie verkopft,  ganz im Gegenteil sind immer wieder lustig-skurrile Momente eingestreut. Anspruchsvolle Unterhaltung vom Feinsten!