Original: Yoru no onnatachi (1948) von Kenji Mizoguchi

Nach Kriegsende stürzt Fusakos (Kinuyo Tanaka) Welt nach dem Tod ihres Mannes und ihres schwer kranken Kindes in sich zusammen. Einige Zeit später – sie ist inzwischen Sekretärin und heimliche Geliebte des Chefs in der alten Firma ihres Mannes – taucht ihre schon totgeglaubte Schwester Natsuko (Sanae Takasugi) auf. Sie zieht mit Fusako zusammen und beginnt ebenfalls eine Affäre mit Fusakos Chef, ohne dass die beiden etwas von der Dreierbeziehung ahnen. Als die Sacher herauskommt, ist Fusako aufs Neue am Boden zerstört und flieht in einer Kurzschlussreaktion in die Prostitution.

Dieses Schicksal teilt auch ihre Nichte Kumiko (Tomie Tsunoda). Das junge Mädchen reißt mit etwas gestohlenem Geld von Zuhause aus, gerät aber prompt an einen Gauner, der ihr das Geld abnimmt und sie auf den Strich schickt. Es dauert nicht lange, bis auch Natsuko dieses Schicksal droht: Sie wird schwanger, doch das Kind stirbt bei der verfrühten Geburt. Fusako, die sich trotzig mit ihrem Leben als Hure abgefunden und sogar so etwas wie Stolz darauf entwickelt hat, dass sie es den Männern jetzt heimzahlt, indem sie sie mit Syphilis infiziert, versucht dennoch verzweifelt, die beiden anderen Frauen vor diesem Schicksal zu bewahren.

Frauen der Nacht Screenshot 3

Mizoguchi schneidet hier zwei Themen an, mit denen er sich in den folgenden Jahren noch sehr viel eingehender befassen würde: Der soziale und ökonomische Niedergang von Frauen sowie das harte Leben von Prostitutierten. Vielleicht weil ich diese späteren, sehr viel reiferen Filme kenne, wirkt Frauen der Nacht auf mich irgendwie unfertig, bruchstückhaft, nicht in sich geschlossen. Der Film leidet unter den verschiedenen, an die drei Frauen geknüpften Handlungssträngen, die sich immer wieder überschneiden. Zudem ist der Verlauf der Handlung vor allem in der ersten Hälfte sehr vorhersehbar und schablonenhaft – ebenso wie einige der Charaktere.

Gerade die Männer werden entweder als kleine Teufel gezeigt, durchtrieben, rücksichtslos und nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht oder als großherzige und verständnisvolle Halbgötter: Ihr Schwager verweigert ihr und ihrem kranken Kind die Unterstützung, weil er ja so hart arbeite und es deshalb verdient habe, sich zu besaufen. Der Chef schläft ohne mit der Wimper zu zucken mit beiden Schwestern und spielt sich auch noch als fürsorglicher Beschützer auf. Und die naive Kumiko läuft bei ihrem Ausrißversuch prompt einem Gauner in die Arme, der ihr zuerst das Geld stiehlt, sie dann betrunken macht und vergewaltigt, bevor er sie halbnackt auf dem Strich aussetzt.

Frauen der Nacht Screenshot 2

Lediglich Fusako und ihre Schwester erhalten wirkliche Tiefe, und so lebt der Film überwiegend von diesen beiden Charakteren, die allerdings auch vorzüglich gespielt sind. Vor allem Kinuyo Tanaka liefert mal wieder eine grandiose Leistung ab und zeichnet ein sehr greifbares Bild der unschuldigen Hausfrau, die zur knallharten Prostituierten wird und sich mit Ärzten ebenso wie ihren Leidensgenossinnen anlegt.

Abgesehen von den weiblichen Hauptdarstellerinnen hat Frauen der Nacht wieder einige Szenen zu bieten, die dem Zuschauer den Atem stocken lassen, so perfekt sind sie durchgeplant und komponiert. Beispielhaft wäre die unten gezeigte Szene vom Anfang des Films zu nennen, aus der ich einige Bilder zur Verdeutlichung zusammengeschnitten habe. Fusako  kümmert sich darin zuerst um ihr krankes Kind, unterhält sich mit ihrem saufenden Schwager, dann mit ihrer Schwägerin und zum Schluss stößt auch noch Kumiko dazu – drei Minuten vergehen so, ohne dass es einen einzigen Schnitt gäbe. Wie Mizoguchi allein mit leichten Veränderungen des Kameraausschnitts bzw. der -perspektive und dem Arrangement der Personen fließende  Übergänge und Stimmungswechsel erzeugt und völlig vergessen lässt, dass wir immer noch in derselben Einstellung sind, ist hochgradig beeindruckend!

Frauen der Nacht Screenshot 4

Alles in allem muss ich aber leider konstatieren, dass Frauen der Nacht mich enttäuscht hat, was vor allem an den Schwächen des Drehbuchs und den Mängeln der Charakterentwicklung lag. Er vermag erst in der zweiten Hälfte zu fesseln und ist einer der schwächeren Filme Mizoguchis. Überhaupt kein Vergleich sowohl zu den aufrüttelnden, innovativen Filmen der 30er Jahre als auch zu den grandiosen Jidaigeki-Dramen, die noch folgen sollten. Er hat aber einige schöne Beispiele für die typischen Stilelemente in Mizoguchis Werk zu bieten und eine absolut sehenswerte Leistung von Kinuyo Tanaka.