Original: Otoko wa tsurai yo (1969) von Yoji Yamada

20 Jahre, nachdem der Tramp Torajiro Kuruma (Kiyoshi Atsumi), genannt Tora, im Streit von zuhause ausriss, kehrt er in seine Heimat Shibamata, einen Arbeitervorort von Tokyo, zurück. Das tränenreiche Wiedersehen mit Onkel und Tante, vor allem aber seiner jüngeren Schwester Sakura (Chieko Baisho), wird jedoch schon bald überschattet von einem heftigen Streit: Auslöser ist Tora selbst, der sich bei einem Ehevermittlungstreffen so katastrophal aufführt, dass die Familie des Bräutigams Sakura entsetzt absagt. So macht Tora sich wieder auf die Reise.

Wenig später treffen ihn jedoch Gozensama (Chishu Ryu), der Priester aus Shibamata, und dessen hübsche Tochter Fuyuko in Kyoto, wo Tora sich als Fremdenführer durchschlägt. Natürlich verliebt der sich vom Fleck weg in Fuyuko und kehrt mit ihr und ihrem Vater nach Shibamata zurück, wo er auf Umwegen auch gleich seinen Fehler wiedergutmacht und die Hochzeit Sakuras mit einem stillen Verehrer aus der Nachbarschaft einfädelt. Ihm selbst bleibt das Liebesglück allerdings versagt.

Tora san Screenshot 3

Dieser Film war der Auftakt zu einer der langlebigsten und vielteiligsten Filmreihen der Geschichte, bis 1995 folgten noch 47 weitere Filme, alle im Großen und Ganzen mit demselben Team und nach demselben Strickmuster: Tora-san kehrt zu seiner Familie zurück, richtet in seiner gutmütig-dämlichen Art mehr oder weniger großes Chaos an (Handlungsstrang 1) und verliebt sich unglücklich in eine Frau, die natürlich ein paar Nummern zu groß für ihn ist (Handlungsstrang 2). Am Ende macht er sich dann wieder auf die Socken.

Ich habe bisher die ersten vier Filme der Reihe gesehen und davon ist der erste eindeutig der beste. Es gibt darin einige Szenen, die zum lustigsten gehören, was mir in japanischen Filmen begegnet ist, vor allem dank des oft völlig abstrus-unangebrachten Verhaltens von Tora. Tränen gelacht habe ich beispielsweise in der Wiedersehensszene mit Sakura, die ihren lange verschollenen Bruder erst nicht erkennt. Als es dann doch bei ihr Klick macht, setzt natürlich die handelsübliche melodramatische Streichermusik ein, alle brechen in Tränen aus, nur Tora meint: „Ich muss jetzt mal Pissen!“

Tora san Screenshot 6

Auch wenn die Nebendarsteller wie Chieko Baisho oder Chishu Ryu ihre Rollen wunderbar ausfüllen, stehen sie doch alle im Schatten des den Film völlig dominierenden Kiyoshi Atsumi als Tora. Ich habe Atsushi vorher nur einmal gesehen, in Home from the sea, ebenfalls von Yoji Yamada. Dort spielt er einen Fischhändler, einen ähnlich wie Tora veranlagten, gutmütig-lustigen, allseits beliebten aber tragischen Typen, der jedoch viel ruhiger und „normaler“ daherkommt.

Mit Tora dagegen schufen Atsumi und Yamada eine Naturgewalt, einen unverwechselbaren Charakter für die Ewigkeit: Geschwätzig, lustig, teilweise extrovertiert bis zur Unerträglichkeit, faul und egozentrisch, gutmütig, tollpatschig, nicht gerade der Hellste, launisch, hilfsbereit und großzügig und sehr sentimental – ein manngewordener kleiner Junge. Dazu passen auch seine hilflosen und von vornherein zum Scheitern verurteilten Liebesavancen an seine jeweils Angebetete, die so unschuldig-schüchtern sind, dass den Frauen oft gar nicht klar ist, dass er in sie verliebt ist.

Tora san Screenshot 5

Ganz vortrefflich eingefangen ist in den Filmen auch das Japan der frühen Wirtschaftswunderjahre, als es auf der einen Seite noch einfache Händler und Arbeiter wie Toras Familie und Freunde gab, die sich mit harter Arbeit und einfachsten Mitteln irgendwie durchschlugen, und auf der anderen eine aufstrebende Mittelschicht, die in französischen Restaurants isst und Hawaii als Reiseziel entdeckt. Toras Welt ist das nicht, und wird es auch nie sein.

Die Serie spiegelt durch ihre lange Laufzeit ja auch ein Stück weit die Nachkriegsgeschichte Japans und die atemberaubende Entwicklung zu einem der reichsten Länder der Welt wider. Daher würde ich gerne noch einige der späteren Tora-san-Filme aus den 80ern und 90ern sehen. Die Figur des Tora muss im supermodernen Japan  dieser Jahre eigentlich total deplatziert wirken und es würde mich sehr interessieren, was Yamada und Atsushi mit der Figur in diesem völlig veränderten Umfeld anstellen.

Tora san Screenshot 1

Alle 48 Filme muss ich aber wirklich nicht gesehen haben, dazu folgen sie zu sehr dem oben beschriebenen, immer gleichen Schema F und auch die Gags fangen ab dem dritten, vierten Film an, sich zu wiederholen. Den ersten und zweiten Teil kann ich jedem allerdings wärmstens empfehlen und ich hoffe auch noch auf das Erscheinen weiterer Filme der Reihe, denn ich bin total neugierig, ob Tora auch in den 90ern noch diesen furchtbaren karierten Zweireiher trägt. 😀