Original: Karumen kokyo ni kaeru (1951) von Keisuke Kinoshita

Wie ich erst vor wenigen Tagen mitbekommen habe, ist zum Ende des vergangenen Jahres, am 28. Dezember 2010, Hideko Takamine im Alter von 86 Jahren verstorben. Was eignet sich besser für einen kleinen Tribut an diese außerordentliche Schauspielerin, als eine ihrer unvergesslichsten Rollen zu würdigen?

Carmen kehrt heim Screenshot 1

Kurz nach dem Krieg kehrt die Tänzerin Lily Carmen (Hideko Takamine) aus Tokyo in ihr Heimatdorf zurück. Dort ist sie eine Berühmtheit, nur ihr Vater Shōichi (Takeshi Sakamoto) schämt sich zutiefst für sie. Nach ihrer Ankunft – sie hat noch ihre an Liebeskummer leidende Freundin Akemi (Toshiko Kobayashi) im Schlepptau – wird recht schnell klar, warum: Auch wenn Carmen und Akemi hochtrabend von ihrer „Kunst“ reden, letztlich sind die beiden Stripperinnen.

Doch zunächst sorgen sie vor allem mit ihren extravaganten, farbenfrohen Auftritten für Aufsehen und Bewunderung. Als sie sich allerdings bei einem Sportfest blamieren (ein schlecht sitzender Rock spielt dabei eine zentrale Rolle), sehen sich Carmen und Akemi plötzlich als Lachnummer missverstanden. Um die Dorfbewohner von der Ernsthaftigkeit ihrer „Kunst“ zu überzeugen, wollen sie eine Vorführung ihres Könnens geben.

In diese Haupthandlung eingewoben sind verschiedene kleine, mal ernste, mal komische Nebenhandlungen, die teilweise fast sketchartigen Charakter annehmen. Dabei geht es immer wieder um die Frage, was Kunst ausmacht. Denn das Dorf hat mit einem im Krieg erblindeten Lehrer neben Carmen noch einen weiteren „Künstler“ hervorgebracht. Dieser komponiert Heimatlieder auf seiner Orgel und repräsentiert für viele den wahren, vergeistigten Künstler, im Gegensatz zu den schrillen und ihren Körper als Einsatz nutzenden beiden Frauen.

Carmen kehrt heim Screenshot 2

Carmen kehrt heim markierte das 30jährige Jubiläum des Produktionsstudios Shochiku und war zugleich der erste Farbfilm des Landes. Er war also gleich in doppelter Hinsicht ein Prestigeprojekt, und das sieht man dem Film an. Zusammen mit den verschiedenen Tanz- und Gesangseinlagen sowohl von Carmen und Akemi wie auch dem Lehrer und dem Schulrektor, wirkt der Film nämlich selbst ein bisschen wie eine Revueshow.

Eine Revueshow, bei der allerdings nicht aufwändige Sets und Dekorationen den Rahmen abgeben und die Zuschauer beeindrucken sollen, sondern die Schönheit der japanischen Berge. Grüne Wiesen unter einem blauen Himmel, ein schwarzer Vulkan im Hintergrund und dann als Farbtupfer die beiden Exotinnen aus Tokyo, so sehen viele Szenen in Carmen aus. Fast der gesamte Film spielt unter freiem Himmel und wurde auch zum großen Teil vor Ort gedreht statt im Studio. Das Ergebnis kann sich absolut sehen lassen: Auch wenn man bei einem 60 Jahre alten Film natürlich Abstriche machen muss, er sieht auch heute noch toll aus! Die Farben scheinen kaum etwas von ihrer Brillanz verloren zu haben und abgesehen von ein paar Kratzern im Filmmaterial wird das Sehvergnügen kaum getrübt.

Carmen kehrt heim Screenshot 3

Großes Vergnügen hatten offenbar auch die Darsteller, allen voran Hideko Takamine. Sie spielt nicht nur großartig das naive Dummchen vom Lande, das sich jetzt wunder was auf seine „Künstlerlaufbahn“ in Tokyo einbildet und auf die Dörfler herabschaut, ohne zu merken, dass diese sie hinter ihrem Rücken auslachen. Sie trällert und singt auch mit solch inbrünstiger Begeisterung ihre Schlagernummern und hüpft und tanzt mit so großer Freude über die Felder, das muss einfach anstecken!

Zu den guten Aspekten des Films gehört auch, dass beide Seiten gleichermaßen ihr Fett weg bekommen: Die Lacher gehen ebenso auf Carmen und Akemis Kosten wie auf einige dumme Streiche der Dörfler. Als Zuschauer können wir über die schier unglaubliche Naivität der beiden Tänzerinnen genauso den Kopf schütteln wie über die rückständigen Bauerntölpel, die letztlich die beiden einfach nur endlich nackt tanzen sehen wollen.

Carmen kehrt heim ist ein gut gemachter Unterhaltungsfilm, der so ziemlich jedem etwas bietet: Musicalnummern, viel nackte Beine (für 1951!), einige lustige Gags, sympathische Charaktere, ein bisschen menschliches Drama und viele schöne Landschaften. Eine Mischung aus Moulin Rouge und Heimatfilm. Doch der einzige echte Konflikt ist der des Vaters: Er liebt seine dumme Tochter, schämt sich aber gleichzeitig für das, was sie tut. So gibt es zu wenig, das den Film und seine doch recht schwachbrüstige Handlung vorantreiben und uns Zuschauer wirklich fesseln könnte. Dennoch, ein wunderbarer Gute-Laune-Film für dröge Sonntagnachmittage!