Original: Warui yatsu hodo yoku nemuru (1960) von Akira Kurosawa

Die Hochzeit des Sekretärs Nishi (Toshiro Mifune) mit Yoshiko (Kyoko Kagawa), der Tochter seines Chefs, steht unter keinem guten Stern: Reporter belagern die Gesellschaft wegen eines Korruptionsskandals, Polizisten verhaften den Zeremonienmeister und obendrein taucht aus dem Nichts auch noch eine mysteriöse zweite Hochzeitstorte in Form eines Gebäudes auf, aus dem sich vor einigen Jahren ein Mitarbeiter der Firma in den Selbstmord gestürzt hatte.

Es stellt sich jedoch heraus, dass die Torte von Nishi selbst bestellt worden war. Denn es war sein Vater gewesen, der damals Selbstmord beging. Anders als von manchen vermutet geht es Nishi daher auch nicht um seine Karriere, als er Yoshiko heiratete, sondern um Rache an ihrem Vater Iwabuchi (Masayuki Mori), der im Zentrum der Korruption steht und zusammen mit seinen Schergen Nishis Vater in den Selbstmord gedrängt hatte. Nun nutzt Nishi seine Position als Schwiegersohn und Sekretär, um Beweise zu sammeln und den korrupten Chefs die Daumenschrauben anzulegen. Doch mit einem hat er dabei nicht gerechnet: Dass er sich in Yoshiko verliebt.

The bad sleep well Screenshot 1

Die Bösen schlafen gut enthält einige der stärksten, emotionalsten und beeindruckendsten Szenen aus Kurosawas Werk. Zu erwähnen wäre da natürlich als erstes die gesamte, etwa halbstündige Hochzeitssequenz, die den Film eröffnet und in deren Verlauf sämtliche wichtigen Akteure sowie deren Hintergründe und Beziehungen zueinander dem Zuschauer vermittelt werden. Kurosawa lässt dabei die anwesenden Reporter wie in der griechischen Tragödie die Rolle eines kommentierenden Chors übernehmen – genial! Zehn Jahre später wählte Kurosawas Bewunderer Francis Ford Coppola ein ähnliches Vorgehen für den Auftakt von Der Pate.

Mein persönlicher Favorit ist jedoch die Szene, in der Nishi den von allen für tot gehaltenen Wada zwingt, seine eigene Beerdigung mitanzusehen und ihm dazu eine Tonbandaufzeichung vorspielt. Mit diesem cleveren Kniff der Überlagerung von Ton und Bild veranschaulicht Kurosawa auf unvergleichliche Art den Kontrast zwischen der in die Öffentlichkeit projezierten Täuschung, in der die korrupten Chefs den Tod Wadas betrauern und seiner Familie ihr Beileid aussprechen, und der harten Realität, in der sie bei Wein, Weib und Gesang darauf anstoßen, ihn erfolgreich in den Selbstmord getrieben zu haben. Erst durch diese Konfrontation mit dem doppelten Spiel, das seine Vorgesetzten treiben, lässt sich Wada überzeugen, seine tief verankerte Loyalität aufzugeben und mit Nishi zusammenzuarbeiten.

The bad sleep well Screenshot 2

Wie schon bei zahlreichen seiner früheren Filme liegt Die Bösen schlafen gut eine tiefe Unzufriedenheit Kurosawas mit sozialen und politischen Zuständen in seiner Heimat zugrunde. Die enge Verflechtung von Privatwirtschaft und staatlichen Institutionen in Japan, mit der sich die Firmen Vorteile verschaffen, ist bis in die heutigen Tage immer wieder Anlass zu Diskussionen (siehe etwa die Rolle von Tepco während der Fukushima-Krise). In den 1950er Jahren gab es immer wieder Korruptionsskandale und die erste Stunde des Films wirkt fast wie eine semi-dokumentarische Aufarbeitung eines solchen Skandals.

Dabei weist der Film mehrfach darauf hin, dass das größte Problem gar nicht mal die korrupten Beamten und Politiker sind, sondern die Kultur der unbedingten Loyalität ihrer Untergebenen. Diese aus dem Kriegercode der Samurai abgeleitete Loyalität (ursprünglich zum Fürsten, dann zum Vorgesetzten) spielte in japanischen Unternehmen eine große Rolle und stürzte die Mitarbeiter in einen tiefen Konflikt, wenn sie von illegalen Machenschaften ihrer Vorgesetzten erfuhren oder aus Loyalität sogar daran mitwirkten – was in der genannten Szene exemplarisch an Wada vorgeführt wird. Der würde lieber Selbstmord begehen, als seine Chefs an die Justiz zu verraten – bis Nishi ihm mit Gewalt die Augen öffnet.

Interessant fand ich den für Kurosawa ungewöhnlich schwachen weiblichen Charakter der Yoshiko. Im Vergleich zu den selbst- und oft auch machtbewussten Frauen, die Kurosawa sonst porträtiert (man denke etwa an die Arbeiterinnen in Am allerschönsten, die Prinzessin Yuki in Die verborgene Festung, die skrupellose Lady Kaede in Ran oder die aufrechte Yukie in Kein Bedauern für meine Jugend) ist Yoshiko hier ein demütiges, fast willenloses Püppchen. Meine Vermutung: Sie steht metaphorisch für die ahnungslose, naive japanische Bevölkerung, die sich von den „bösen Männern“ nach Belieben manipulieren, ausnutzen und herumschubsen lässt.

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Das große Problem dieses Films ist die Entwicklung von Nishis Charakter. Zunächst ist er der klassische Rächer, der den Tod seines Vater sühnen und die Verantwortlichen zur Strecke bringen will. Dass er dafür zur Not auch selbst das Gesetz bricht und andere Menschen – allen voran Yoshiko – für seine Zwecke missbraucht, stellt dabei den grundsätzlichen Konflikt aller „gut meinenden“ Rächer dar, die sich zur Erreichung ihrer Ziele derselben Methoden bedienen wie „die Bösen“. Nishi ist diesem Konflikt nicht gewachsen bzw. weicht von seinem Weg ab, er zeigt Yoshiko zuliebe Schwäche und läuft damit in sein Verderben. Leider gerät damit auch der Film nach ca. 90 Minuten aus der Bahn: Nishis Konflikt mit seinen Gefühlen für Yoshiko und seinem Gewissen drängt die Story des Korruptionsskandals in den Hintergrund.

Wie zehn Jahre zuvor in Skandal lässt sich Kurosawa hier wieder durch die Faszination eines Charakterkonflikts von der eigentlichen Story ablenken. So gerät der ganze Film aus der Balance, dem halbdokumentarischen Polit-Thriller der ersten anderthalb Stunden wird eine Mischung aus tragischer Liebesgeschichte und Kriminaldrama angehängt. Beide Teile funktionieren an und für sich gut und sind in sich stimmig, nur wollen sie nicht so recht zusammenpassen. Bei seinem nächsten Film Yojimbo sollte Kurosawa sich dann klar für einen kaltblütigen, den Konflikt ignorierenden Rächer entscheiden.

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Trotz dieser Schwäche (oder vielleicht auch gerade ihretwegen?) gehört Die Bösen schlafen gut zu meinen persönlichen Favoriten in Kurosawas Werk. Der Film hat wie erwähnt viel zu bieten: einen von Konflikten zerrissenen Helden, großartig in Szene gesetzte Kritik an sozialen und politischen Zuständen, einen spannenden und anspruchsvollen Plot, einen intensiven und unverwechselbaren Soundtrack sowie ein unvergessliches Ende. Ein Film, den man gesehen haben sollte!