Original: Dersu Uzala (1975), von Akira Kurosawa

Nach einer Reihe von Enttäuschungen und großen Problemen, seine Projekte in Japan realisiert zu bekommen, nahm Kurosawa die Einladung eines Moskauer Filmstudios an und drehte 1975 zum ersten und einzigen Mal einen Film außerhalb Japans, nämlich eben in der Sowjetunion. Als Vorlage diente Kurosawa der Roman des russischen Forschers und Entdeckers Arseniev, in dem er von seinen Reisen Anfang des 20. Jahrhunderts und seiner Freundschaft mit dem kirgisischen Jäger Dersu Uzala berichtet.

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Der Film besteht aus zwei Hälften, die jeweils weitgehend die Ereignisse zweier Forschungsreisen aus den Jahren 1902 und 1907 wiedergeben. Auf der ersten Reise hinein ins tiefste Sibirien begegnet Arseniev (Yuri Solomin) dem Jäger Dersu (Maksim Munzuk), den er als Führer für seinen kleinen Trupp Soldaten anwirbt. Von Anfang an ist er von Dersus Verständnis, Respekt und Empfängnis für die Natur und natürliche Phänomene sowie von seiner bescheidenen Art beeindruckt. Dersu wiederum fasst schnell Vertrauen zu dem gebildeten, ehrlichen Forscher. Spätestens nachdem Dersu Arseniev in einem Schneesturm das Leben rettet, werden die beiden enge Freunde.

Fünf Jahre später kehrt Arseniev in die Wälder Ussuriens zurück und es dauert nicht lange, bis er Dersu wiedertrifft. Doch die anfängliche freundschaftliche Idylle wird bald überschattet von tragischen Ereignissen: Dersu schießt versehentlich auf einen Tiger, den König des Waldes, und ist fortan nicht mehr derselbe. Zudem ist die Zeit nicht spurlos an dem Jäger vorübergegangen, der immer schlechter sieht, so dass Arseniev seinen Freund schließlich nach Hause in die Stadt mitnimmt. Dort hält es Dersu aber nicht lange aus. Kaum ist er jedoch zurück in den Bergen, wird er wegen Arsenievs Abschiedsgeschenk von Räubern getötet.

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Diese Haupthandlung wird eingerahmt von zwei Besuchen Arsenievs am Grabe seines Freundes: Einer ganz am Ende des Films, nach Dersus Tod, und der zweite am Auftakt des Films, drei Jahre später, als Dersus Grab nicht mehr von Wäldern umgeben ist, sondern von einer im Aufbau befindlichen Siedlung. Von diesem Ausgangspunkt aus wird die gesamte Handlung als Rückblende erzählt. So erhält der Film eine starke nostalgische, wehmütige Note und die Figur des Dersu wird zu einem Symbol für eine untergegangene Zeit, in der die Menschheit der Natur und ihren Geschöpfen mit Respekt und Ehrerbietung begegnete.

So ist die Darstellung der Natur in Dersu Uzala – wie oft bei Kurosawa – sehr stark geprägt durch die Thematisierung der Elemente selbst; Regen, Wind und Kälte werden so zu je eigenen Herausforderungen für die Charaktere. Mehr als einmal sehen Arseniev und Dersu bei ihrem Kampf mit den extremen Naturgewalten Sibiriens dem Tod ins Auge und entkommen nur um Haaresbreite.

Die Bilder der Weiten und Wälder Sibiriens gehören sicher zu den beeindruckendsten Naturaufnahmen der Kinogeschichte. Diese sind für Kurosawa jedoch nie Selbstzweck oder einfach nur Kontext (man vergleiche die Hubschrauberflüge über Neuseeland im Herrn der Ringe), sondern treten immer in Beziehung zu den Charakteren oder zeigen uns die Natur aus deren Perspektive.

Screenshot Dersu Uzala

Ironischerweise ist es ausgerechnet der Forscher Arseniev, der mittels seiner Forschungsreisen und der dabei gewonnenen Karten dazu beiträgt, dass die Zivilisation immer weiter vordringt und damit Dersus Zuhause, die von ihm so geliebte Wildnis, vernichtet. Etwas gut gemeintes wird somit zum Vehikel der Zerstörung, genau wie Arsenievs Abschiedsgeschenk an Dersu: Damit dieser trotz seiner Sehschwäche noch auf die Jagd gehen kann, schenkt er ihm ein hochmodernes Gewehr. Genau dieses wertvolle Gewehr verschuldet dann aber Dersus Tod, da es ihn zur Zielscheibe für die Räuber macht.

Dersu Uzala ist ein sehr ruhiger, kontemplativer Film, ähnlich wie Rotbart oder Ikiru. Im Gegensatz zu diesen früheren Werken Kurosawas fehlen ihm aber die optimistische Grundstimmung und die von einem großen Glauben an das Gute im Menschen gespeiste Hoffnung, allen Widrigkeiten zum Trotz Selbsterkenntnis und Erfüllung im Leben zu finden.

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Die früheren Helden Kurosawas gewannen in der Auseinandersetzung mit dem Schicksal und einem Lehrmeister an Statur, Weisheit und Reife. Sie wuchsen über sich hinaus und wurden so selbst in die Lage versetzt, etwas von dem Gelernten weiterzugeben. In Dersu Uzala steht jedoch der Untergang eben des Lehrmeisters und seiner Welt im Mittelpunkt, Arseniev kann nur noch hilflos trauernd daneben stehen.

Hinweis: Kürzlich ist eine deutsche Fassung des Films auf DVD erschienen, die aus Beständen der DEFA stammt. Da jedoch die Originaltonspur nicht enthalten ist und auch die Bildqualität sehr zu wünschen übrig lässt (die obigen Screenshots stammen von der – deutlich teureren – UK-Version), kann ich den Kauf nicht wirklich empfehlen.