Original: Chugoku no chojin (1998), von Takashi Miike

Nachdem Takashi Miike zuvor vor allem durch seine blutigen Gangster-Filme, allen voran die Triad Society-Trilogie, auf sich aufmerksam gemacht hatte, wandte er sich mit The Bird People in China einem völlig anderen Thema und Stil zu und gab damit eine beeindruckende Kostprobe seiner erstaunlichen Vielseitigkeit. Dieser Film brachte ihm schlagartig auch die Anerkennung von internationalen Kritikerkreisen.

Bird People Screenshot 1

Der Angestellte Wada (Masahiro Motoki) wird von seiner Firma auf die Suche nach einer Jade-Mine tief im ländlichen China geschickt. Kaum angekommen, gerät er an den Yakuza Ujie (Renji Ishibashi), der für seinen Clan, dem Wadas Firma Geld schuldet, Anteile an der Mine sichern soll. Unter Führung des Chinesen Shen (Mako) machen sich der stets übellaunige Ujie und der völlig verunsicherte Wada auf ihre beschwerliche Reise. Diese führt sie von schlaglochübersäten Staubpisten über eine Floßfahrt schließlich steile Gebirgspfade hinauf, bis sie trotz des zwischenzeitlichen Gedächtnisverlustes ihres Führers das Dorf erreichen, in dem sich die Jade-Mine befindet.

Dort werden die beiden Großstadtmenschen nicht nur von der atemberaubenden Natur überwältigt, sondern auch von der einfachen Schönheit des Lebens der Menschen. Besonders Wada ist fasziniert von Si-Chang (Li Li Wang), einer Einwohnerin des Dorfes, die ein Lied singt, dessen Melodie und Text ihm seltsam bekannt vorkommen und die zudem die Kinder des Dorfes im Fliegen unterrichtet. Als Shen sein Gedächtnis zurückgewinnt und somit die Heimreise bevorsteht, kommt es zum Konflikt mit Ujie, der das Dorf, die Menschen und ihre traditionelle Kultur vor der mit der Ausbeutung der Mine verbundenen Ankunft der Zivilisation bewahren will.

Bird People Screenshot 3

Was zunächst wie eine Mischung aus Buddy-Komödie und Abenteuerfilm beginnt, entwickelt sich völlig überraschend in eine tiefschürfende Auseinandersetzung mit Gefühlen, Schuld, Träumen und Fragen nach dem Sinn oder Unsinn unserer modernen, technikversierten Zivilisation. Die grandiosen Naturszenarien der südchinesischen Berge kontrastiert Miike mit dem nur in ganz wenigen Szenen gezeigten Japan, das ausschließlich aus hektischen Menschenmassen, Betonlandschaften und überfüllten Pendlerzügen zu bestehen scheint.

Der Film schweift aber nie in eine unkritische Lobhudelei für Naturschutz oder in einseitige Zivilisationskritik ab. Im Gegenteil zeigt er an Einzelschicksalen deutlich, welche Nachteile das scheinbar so idyllische Landleben der Bauern hat, wo ein einfaches Fieber lebenslange Taubheit nach sich ziehen kann und weist auch darauf hin, dass nur mittels moderner Technologie das Besuchen solcher Idylle möglich ist. Freude und Glück ebenso wie Leid finden sich letztlich in beiden Welten.

Sehr spannend ist jedenfalls auch die Entwicklung der beiden Hauptcharaktere zu verfolgen: Der scheinbar so gewissenlose Ujie wird allnächtlich von Alpträumen und Schuldgefühlen geplagt und überdeckt dies lediglich durch seine Rüpelhaftigkeit, die angesichts der ursprünglichen Natur und Lebensweise der Menschen in einen ausgewachsenen Hass auf all das, was er hinter sich gelassen hat und was er mit Zivilisation verbindet, ausartet. Wada dagegen wächst an den Erlebnissen und an der Auseinandersetzung mit Ujie, wird vom unterwürfigen Angestellten zu einem selbstbewussten Menschen, der für sich (mit Hilfe von Si-Chang) schließlich den Sinn des Lebens findet.

Bird People Screenshot 2

Das Fliegen als ewiger Traum der Menschheit ist das dominante Motiv des Films, der mit den Worten „Ich habe 10.000 Mal geschlafen, aber nie davon geträumt, fliegen zu können wie ein Vogel“ beginnt. Für mich wird dieses Motiv im Film zu einem Symbol für ein erfülltes, glückliches Leben, das sich alle wünschen, wonach alle streben, das aber nicht durch noch so große Anstrengungen sondern nur durch eine bestimmte Lebenseinstellung erreicht werden kann.

Ein großer Teil der Interpretation des Films hängt jedoch von seinem Ende und besonders der faszinierenden Schlussszene ab, die ich hier aber nicht verraten will. Ich werde daher an dieser Stelle der Auseinandersetzung mit dem Film nicht mehr weiter ins Detail gehen – was mir aber zugegebermaßen sehr schwer fällt, er schreit einfach nach einer ausführlichen Interpretation – vielleicht in den Kommentaren?

Zwar ist The Bird People in China wie auch die anderen Miike-Filme, die ich bisher gesehen habe, voller Symbole und Anspielungen, er bleibt dabei aber recht gut zugänglich (kein Vergleich etwa zu Big Bang Love). Der Film ist ein großartiges Werk und in meinen Augen ein absolutes Muss, auch für Cineasten, die von Miikes bluttriefenden Filmen eher abgeschreckt wurden.