19 Jun
Während ich gestern Shrek der Dritte sah und popcornkauend in meinem Kinosessel saß, musste ich an das Zitat von Manohla Dargis zum Unterschied zwischen amerikanischen und japanischen Animationsfilmen denken:
One of this week’s indisputable standouts is “Paprika,“ the latest eye-popping anime from Satoshi Kon (“Millennium Actress,“ “Tokyo Godfathers“), which, despite the dizzying spirals of its overly compressed narrative, offers continued evidence that Japanese animators are reaching for the moon (and other far-out destinations), while most of their American counterparts remain stuck in the kiddie sandbox with their underage audiences.
Shrek ist wirklich kein schlechter Film, er weist die bekannten, sympathischen Charaktere auf, ist witzig, hat eine zwar vorhersehbare aber doch nette Story und seine Animation ist in manchen Details (die Haare von Arthur oder Prince Charming!) unfassbar naturalistisch.
Doch da liegt auch schon ein Teil des Problems. Anstatt die Möglichkeiten der Animation für ungewöhnliche Effekte, spannende Bildkompositionen oder expressionistische Elemente, welche den Charakteren mehr Tiefe geben könnten, zu verwenden, versucht man sich bei Dreamworks daran, Haare oder ein Getreidefeld immer noch „realistischer“ und naturgetreuer hinzubekommen. Anstatt seinem Publikum etwas zum Staunen zu geben, es zu überraschen und dabei vielleicht auch zu fordern, verlässt man sich auf altbekannte Rezepturen und die etablierte Marke.
In den anderthalb Stunden Shrek, so unterhaltsam sie auch waren, dachte ich nicht ein einziges Mal „Wow“, war nie von den Bildern und der Kreativität der Animateure so überwältigt, wie mir das bei japanischen Anime regelmäßig passiert, kurz: das „eye-popping“ fehlte komplett. Und das ist kein Problem von Shrek, sondern von amerikanischen Animationsfilmen ganz generell. Man denke an Madagascar, Ice Age, Hennen rennen und auch die meisten der Pixar-Filme, die – was Charakterentwicklung, Tiefe des Plots und Kreativität der Animation angeht – nicht einmal im Entferntesten mit den Japanern mithalten können.
Zentrales Problem dabei ist, dass Trickfilme aus den USA nach wie vor ausschließlich auf das Komödien-Genre beschränkt sind. Niemand scheint die Möglichkeiten, die der Animationsfilm für so naheliegende ernsthaftere Genres wie Science-Fiction oder Fantasy, die Anime in Japan so erfolgreich gemacht haben, bietet, zu erkennen. Oder es wagt einfach niemand, auch mal den eigentlich logischen, ja überfälligen, Schritt über die Komödie hinaus zu machen. Dargis‘ Zitat weist hier bereits auf die einseitige Orientierung auf ein jugendliches Publikum hin, doch dies kann nicht der Grund für die Erstarrung der US-Animationsfilme sein, denn schließlich sind ja gerade Jugendliche die Hauptkonsumenten von Anime und müssten Experimenten gegenüber eigentlich aufgeschlossen sein. Zudem werden auch in Japan Kinofilme in erster Linie für ein junges Publikum produziert.
Vermutlich liegt der Kern des Problems – wie so häufig – in den Führungsetagen, wo über Filmprojekte und deren Budgets entschieden wird und wo Innovation, Kreativität und Risikobereitschaft häufig eben nicht als Garant für Erfolg gesehen werden. Auf das einzelne Filmprojekt bezogen mag das auch stimmen, aber auf lange Sicht bedeutet Stagnation schlicht Rückschritt. Angesichts der rasch wachsenden globalen Popularität von Anime mit ihrem breit aufgestellten thematischen Repertoire und ihren exzellenten, visionären und hochinnovativen Animateuren ist die US-Filmindustrie auf dem besten Weg, sich ohne Not in einer Nische einzubuddeln.
6 Kommentare for "Wie Hollywood Disneys Erbe verspielt"
hej, ich wuerde dir durchaus recht geben, dass die (selbst-)beschraenkung auf komoedien und die konzentration auf ein jugendliches publikum im nicht-japanischen animations- und trickkino fuer langfilme (viele viele einschraenkungen) eher unerfreulich ist.
wie viel allerdings innerhalb dieser grenzen geht, hat, find ich, die „Rotkaeppchenverschwoerung“ (Hoodwinked) gezeigt. Der Film ist lustig, intelligent und wirklich wirklich klasse animiert…
Klar, keine Frage dass auch innerhalb des Comedy-Genres wirklich gute Filme möglich sind, gerade Pixar hat das mit Toy Story und besonders Monsters Inc. (imho einer der besten und kreativsten Animationsfilme) bewiesen. Aber verglichen mit Anime wie Perfect Blue, The Place promised in our early Days, Spirited Away, Ghost in the Shell (zu denen ich auch mal was schreiben muss) und vielen weiteren wirken selbst die, naja, fast dröge und altbacken.
In Hollywood scheint man sich einfach nicht zu trauen, mal etwas außergewöhnliches, etwas neues zu machen, ästhetisch wie thematisch.
Wie gesagt: ich stimme dir ja durchaus grundsätzlich zu.
Noch zwei Fragen;
1) würdest Du denn sagen, dass die Filme auch in Japan noch als experimenteller wahrgenommen werden. Oder gibt es (z.B. durch Mangas usw) im Bereich Animation schon andere Sehgewohnheiten?
2) da Animationsfilme ja nun extrem teuer sind, wie sieht es denn in Japan mit den Firmen aus. Werden da alle von den grossen produziert oder gibt es auch „independent“ Produktionen? Und bei diesen eventuellen kleineren Sachen, wie werden die finanziert?
Ich frage deshalb, weil mir scheint, dass der Markt in Amerika und Europa erstaunlicher Weise noch immer als so klein angesehen wird, dass die Macher meist der Meinung sind, man müsse einfach alle Publikumssegmente ansprechen, um die Kohle wieder rein zu kriegen…
Oh und wenn ich so schreibe, kommt man eigentlich irgendwie an japanische Animations-Kurzfilme ran? Denn mir fällt auf, dass ich aus Japan meist nur die Langfilme kenne….
Ich beschäftige mich auch erst seit ein paar Monaten mit Anime, und das bisher fast ausschließlich mit Langfilmen. Gerade hab ich meine erste Serie (Neon Genesis Evangelion, krass!) gesehen, und Kurzfilme kenne ich noch gar nicht.
Richtig gute Anime-Blogs, die tief in der Materie drin sind, wären minaidehazukashii und Conversations on Ghibli. Dort kommst du sicher weiter als bei mir.
Jetzt werde ich aber trotzdem versuchen, so gut ich kann auf deine Fragen zu antworten. 😉
1) Japaner sind seit Generationen an Manga gewöhnt, und seit Mitte der 70er auch an Anime (zuerst und vor allem im TV). Da haben sich auf jeden Fall besondere Sehgewohnheiten entwickelt. Die Aufgeschlossenheit ist aber generell auch deutlich größer.
2) Animationsfilme (jedenfalls japanische) sind mitnichten teuer! Jedenfalls verglichen mit dem, was in Hollywood an Produktionsbudgets gehandhabt werden. Was das Verhältnis großer zu kleiner Player angeht… da bin ich überfragt. Gerade die TV-Serien kommen aber oft aus kleineren Studios. Der ganze Anime-Markt ist aber sehr spannend, da müsste man (ich) sich wirklich mal näher mit auseinander setzen!
Die meisten Anime mischen radikal Genres durcheinander, brechen mit Genre-Grenzen und sind daher tendenziell für ein großes Publikum interessant. Das Problem bei der Distribution in Europa/Amerika liegt glaube ich eher in den – vergliechsweise – hohen Kosten für die Synchronisation.
» Gerade hab ich meine erste Serie (Neon Genesis Evangelion, krass!) gesehen, und Kurzfilme kenne ich noch gar nicht. «
Die komplette Serie ist wirklich ziemlich harter Stoff. Anfänglich ist es ja noch als „ganz nette“ Serie anzusehen, aber später merkt man wie tief das Ganze doch in die menschliche Psyche versucht vorzudringen. Ich habe in der Vergangenheit bereits mehrfach gelesen, dass versucht wurde eine Hollywood-Adaption von N.G.E. zu schaffen, doch blieb es wegen Komplexität der Story/Charaktere nur bei dem Gedanken.
2slammed
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