Original: Tokyo kazoku (2013) von Yoji Yamada

Tomi (Kazuko Yoshiyuki) und Shukichi (Isao Hashizume), ein älteres Ehepaar, reisen aus der Provinz nach Tokyo, um ihre Kinder und Enkelkinder zu besuchen. Nach der anfänglichen Freude und Begeisterung anlässlich des Wiedersehens müssen die beiden bald erfahren, dass ihre Kinder angesichts der Arbeit und ihrer eigenen Familien kaum Zeit und Geduld haben, sich mit den beiden Alten abzugeben. Nur ihr jüngster Sohn Shoji (Satoshi Tsumabuki) kann sich als Freiberufler etwas Zeit freischaufeln und sie zumindest auf einer Bustour durch die Stadt begleiten.

So organisieren die Kinder für ihre Eltern ein Hotel, wo die beiden es aber nicht lange aushalten. Zurück in Tokyo müssen sie jedoch feststellen, dass sie keine Unterkunft haben, weshalb Shukichi einen Bekannten besuchen und Tomi bei Shoji unterkommen möchte. Dort lernt sie überraschend dessen Freundin Noriko (Yu Aoi) kennen und schließt sie sofort in ihr Herz. Doch bevor sie Shukichi davon erzählen kann, erleidet Tomi einen Schlaganfall und fällt ins Koma. Die Überraschung in der Familie ist groß, als Shoji mit Noriko im Krankenhaus auftaucht, um von der Mutter Abschied zu nehmen.

Sechzig Jahre nach Yasujiro Ozus Meisterwerk Tokyo Story machte sich Yoji Yamada an ein Remake, und das mit der dem Original gebührenden Ehrfurcht. Die Story ist nahezu unverändert geblieben, ganze Szenen bis in kleinste Details hinein wurden übernommen: Vom schüchternen Enkelsohn, der bei der Ankunft der Großeltern davonläuft über den Schwiegersohn, der für Tomi und Shukichi Süßigkeiten mit nach Hause bringt und sie fast im Alleingang aufisst bis hin zu Tomis Uhr, die Shukichi Noriko am Ende schenkt – wer das Original kennt und schätzt wird auf Schritt und Tritt altbekanntem begegnen.

Die wichtigsten Änderungen wurden an der Charakterkonstellation vorgenommen. Aus ursprünglich fünf Kindern wurden drei, wobei der mittlere Sohn Shoji – im Original im Krieg gefallen – nun am Leben ist und neben den beiden Großeltern in eine zentrale Rolle rückt. Nicht nur ist es hauptsächlich er, der Zeit mit den beiden verbringt, in seiner Figur kristallisiert sich zugleich die Modernisierung von Ozus Klassiker. Während seine älteren Geschwister Koichi und Shige wie im Original als Arzt respektive Besitzerin eines Schönheitssalons einen klassischen Beruf haben, verkörpert er nämlich eine junge Generation Japaner, die sich oft mehr schlecht als recht mit Gelegenheitsjobs durchs Leben schlägt.

Mit seiner unsteten, künstlerischen und nicht auf eine erfolgreiche Karriere ausgelegten Freiberufler-Tätigkeit stößt er auf Unverständnis und Kritik bei seinem Vater und auch bei seinen Geschwistern, die ihn mehr oder weniger für einen Versager halten. So ist es auch kein Wunder, dass Shoji und Shukichi ein sehr gespanntes Verhältnis haben und im Umgang miteinander kaum ein Wort über die Lippen bringen. Ausgerechnet Shoji – bzw. dessen Freundin Noriko – ist es dann aber, die dem alles in allem enttäuschenden Besuch in Tokyo eine erfreuliche Wendung geben.

Zwar bleibt Yamada bei seinem Remake sehr nahe an der Handlung, er hat aber erfreulicherweise der Versuchung widerstanden, dem Film auch noch den „Ozu-Look“ mit dessen typischen stilistischen Merkmalen zu verpassen. Die berühmte niedrige Kameraposition etwa kommt so selten zum Einsatz, dass die wenigen Momente eher wie eine verbeugende Hommage denn wie ein Stilmittel wirken, und die Frontalaufnahmen bei Gesprächen fehlen fast völlig.

Es fehlt aber auch der wichtige und bedeutungsschwere Schluss des Originals, so dass der Film alles in allem so leichter und zugänglicher wird, aber auch etwas an Tiefe verliert. Dennoch würde ich die – vor allem von Shoji und Noriko verkörperte – vorsichtige Modernisierung durchaus als gelungene Neu-Interpretation ansehen, so weit ich das mit nur einer Sichtung im Flugzeug beurteilen kann. Bleibt zu hoffen, dass der Bezug zum Ozu-Meisterwerk vielleicht für eine Veröffentlichung auch bei uns reicht.