Original: Mozu (1961) von Minoru Shibuya

Die Bardame Ohisa (Chikage Awashima) hat ihre besten Tage hinter sich, geht aber bei den Kunden noch als Mitte 30 durch. Als ihre fast 30jährige Tochter Sachiko (Ineko Arima) nach Tokyo kommt, um in einem Schönheitssalon zu arbeiten, und das Wiedersehen nach vielen Jahren nicht gerade optimal verläuft, gerät Ohisas Welt aus den Fugen.

Sachiko ist schockiert, als ihr klar wird, dass ihre Mutter sich von einem Kunden aushalten lässt, mit dem sie eine Beziehung führt. Ausgerechnet dieser Kunde €“ ein alter Industrieller €“ ist es dann jedoch, der Sachiko hilft, eine Stelle zu finden. Als jedoch Ohisa von der Begegnung der beiden erfährt, wird sie eifersüchtig und macht sich dennoch gleichzeitig Sorgen um Sachiko. Schließlich beendet sie ihre Affäre, wird entlassen und obendrein auch noch krank. Nun kümmert sich Sachiko um sie, die beiden ziehen zusammen und eine nicht enden wollende Serie aus Streitereien nimmt ihren Lauf, meist ausgelöst durch Männergeschichten oder Heiratspläne für Sachiko. Doch jedesmal versöhnen sich die beiden wieder.

Die Beziehung von Mutter und Tochter dominiert den Film von der ersten bis zur letzten Sekunde. Diese ist geprägt durch ständige wechselseitige Vorwürfe und Unverständnis für den jeweils anderen. Der Auslöser dafür liegt direkt in der ersten Szene, in der die beiden sich nach langer Trennung zunächst langsam aneinander herantasten. Bevor die beiden wieder wirklich vertrauen zueinander fassen können, werden sie von Ohisas Kunden unterbrochen. Als Sachiko die €žWahrheit€œ über ihre Mutter erfährt, bedeutet das einen Schock und einen Vertrauensverlust, der sie nicht wieder loslässt. Gleichzeitig fühlt sie sich dennoch ihrer Mutter zutiefst verpflichtet, und diese Bindung wird im Laufe des Films immer stärker.

Ironischerweise ist es am Ende des Films Sachiko, die sich an denselben Kunden wie ihre Mutter verkauft, um die Tuberkulosebehandlung für die im Sterben liegende Mutter bezahlen zu können. In gewisser Weise schließt sich an dieser Stelle der Kreis, sie ist in die Fußstapfen ihrer Mutter getreten und hat sich genauso prostituiert wie diese.

Von den fünf Filmen Shibuyas, die ich auf der Berlinale sehen konnte, konnte mich The Shrikes am wenigsten überzeugen. Die ständigen, wegen lächerlicher Lappalien ausbrechenden Streitereien zwischen Mutter und Tochter sind irgendwann nur noch anstrengend, zumal die jedesmal anstehende Versöhnung absehbar ist. Undurchschaubar bleibt dabei für mich die Rolle der Tochter Sachiko, ihre Motivation ist für mich nicht wirklich nachvollziehbar: Sie hat ihre Mutter jahrelang nicht mehr gesehen, streitet sich bei jeder Gelegenheit mit ihr, und kümmert sich dennoch am Ende aufopferungsvoll um sie, ohne dass wirklich klar wäre, weshalb.

Da es außer den beiden keine weiteren relevanten Charaktere gibt und auch eine Story im klassischen Sinne fehlt, ist es mir nicht gelungen, irgendeinen emotionalen Bezug zum Film herzustellen. Dabei war die Auftaktszene in der Bar, in der das Wiedersehen von Ohisa und Sachiko stattfindet, so vielversprechend: Eine lebendige, lustige Truppe an Bardamen, ein paar schräge Kunden, das sah ganz nach einem weiteren Ensemble-Film Shibuyas mit wunderbar gezeichneten, liebenswert-chaotischen Charakteren à la Doctor’s Day off, Righteousness oder Days of evil women aus.

Positiv aufgefallen ist mir vor allem Nobuko Otowa in einer kleinen Nebenrolle als Bardame und Freundin Ohisas. Wer die Ehefrau Kaneto Shindos vor allem aus den Filmen ihres Mannes wie Onibaba oder Die nacke Insel kennt, wird sich ganz schön die Augen reiben! Wie sie hier Witze und Grimassen reißt und mit den Kunden flirtet, deutet auf ein komödiantisches Talent hin, das ich so nie bei ihr vermutet hätte.

Fünf Filme sind wahrscheinlich nicht ausreichend, um das Gesamtwerk Shibuyas beurteilen oder einschätzen zu können. Mein Eindruck ist jedoch, dass seine Stärke in der Verbindung von komödiantisch-turbulenten Charakteren und Stories mit einer sozialkritischen Aussage liegt. Bei drei der fünf Filmen kam diese Mischung zum Einsatz, und sie hat jedesmal gut funktioniert. Beim sehr viel ernster angelegten The Shrikes wollte der Funke aber nicht überspringen.